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Guerilla-SEO: The North Face schmuggelte Werbebilder in Wikipedia

Um ganz oben im Google-Ranking zu erscheinen, ersetzte der Outdoor-Ausrüster heimlich Fotos touristischer Ziele mit eigenen. Aber der Marketing-Stunt ging nach hinten los.

Von Anton Weste
4 Min. Lesezeit
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Bilder kostenlos als Werbung ausspielen? Einfach in die Wikipedia schmuggeln. (Bild: The North Face)

The North Face nutzte die enge Beziehung zwischen der Google-Suche und der Wikipedia aus, um die eigene Marke in den Suchergebnissen prominent anzuzeigen. Wer zur Planung einer Reise attraktive Ziele googelt, bekommt unter den ersten Suchergebnissen häufig Bilder des Ortes aus der Wikipedia angezeigt. Die freie Online-Enzyklopädie ist eine der Hauptquellen für den Google Knowledge Graph.

Unerlaubtes Offsite-SEO mit Wikipedia

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Warum also nicht diese Quelle manipulieren, um die beworbene Marke in den Bildfokus zu rücken?, dachte man sich wohl bei der von The North Face beauftragten Werbeagentur Leo Burnett Tailor Made. Die Agentur fotografierte Models mit Rucksäcken und Jacken von The North Face vor der Szenerie pittoresker Reiseziele, die bei der Zielgruppe angesagt sind.

Guerilla-SEO: Werbebilder bei Wikipedia

Geeignetes Foto, um einen Ort bei Wikipedia darzustellen? Oder berucksackte Menschen? (Bild: The North Face)

Anschließend luden sie die Fotos mit ihren Wikipedia-Nutzerkonten in der Online-Enzyklopädie hoch. Sie ersetzen die Bilder, die bisher die fraglichen Einträge für die Orte illustriert haben, mit ihren Werbebildern. Auf denen ist das Logo von The North Face mal mehr, mal weniger auffällig zu sehen. Alles geschah heimlich. Weder auf ihrer Wikipedia-Nutzerseite noch im Änderungskommentar erklärten die Marketer ihre Nähe zu Leo Burnett Tailor Made oder dass sie im bezahlten Auftrag handelten.

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Laut Adage, die zuerst über die Kampagne berichteten, sagte Leo Burnett, es war die größte Herausforderung, die Fotos auszutauschen, ohne die Aufmerksamkeit der Wikipedia-Moderatoren auf sich zu ziehen. Die Präsenz der Marke sollte dadurch so lange wie möglich aufrechterhalten werden, da die Moderatoren der Website sie jederzeit ändern konnten.

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Die Agentur feierte sich per Video mit der Aktion

Das Guerilla-SEO funktionierte, zumindest für einige Zeit, wie Adage weiter berichtet: Einige Fotos aus der Wikipedia-Kampagne erschienen tatsächlich an erster Stelle der Bilder-Suchergebnisse, wenn ein Nutzer den Ort suchte. Zu den Orten, denen The North Face neue Bilder spendiert hatte, gehören der Guarita State Park in Brasilien, der Dolomiten-Berg Lagazuoi und die Felsformation The Storr auf der schottischen Isle of Skye.

Dass Wikipedia als Steigbügelhalter für Markensichtbarkeit dienen soll, ist nichts Neues. Neu ist, dass man mit der unerlaubten Manipulation der Online-Enzyklopädie in einem Video angibt. In dem Clip „Top of Images“, das Adage veröffentlichte, erläuterte die Agentur ihr Vorgehen und pries es als Weg an, wie man eine Marke ganz oben in den SERP platzieren kann, ohne einen Dollar auszugeben. Man sei der Erste gewesen, der das getan habe.

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Als die Bildertausch-Kampagne durch den Artikel bekannt wurde, war man bei Wikipedia nicht erfreut. Am Mittwoch veröffentlichte die Wikimedia Foundation eine Stellungnahme. „The North Face und Leo Burnett haben die Wikipedia in unethischer Weise manipuliert“, heißt es darin. „Sie haben euer Vertrauen in unsere Mission für einen kurzlebigen Marketing-Stunt riskiert.“

Wikipedia stellte klar, dass Leo Burnett Tailor Made keineswegs in dieser Sache mit der Online-Enzyklopädie kooperiert hatte, wie im Video behauptet. „Wenn ein Unternehmen wie The North Face das Vertrauen ausnutzt, das ihr in die Wikipedia setzt“, so weiter, „nur um euch Kleidung zu verkaufen, solltet ihr wütend sein. Deren Handeln verstößt direkt gegen den Geist, den Zweck und die Richtlinien von Wikipedia, der Welt neutrales und faktenbasiertes Wissen zur Verfügung zu stellen.“

Wikipedia war nicht erfreut über die Schleichwerbung

Mittlerweile wurden die beanstandeten Bilder durch Wikipedia-Autoren ersetzt oder so beschnitten, dass das Product-Placement für The North Face nicht mehr sichtbar ist. Da das Hochladen von Bildern in der Wikipedia sie unter die Nutzungsrechte der Creative Commons stellt, ist ein spätere Veränderung durch andere erlaubt. Ein Wikipedianer schlug auch vor, man könne ja das North-Face-Logo in den Bildern per Photoshop durch Schriftzüge der Konkurrenz – „Patagonia“ oder „Columbia“ – ersetzen.

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Liam Wyatt, ein prominenter Wikipedia-Autor, erklärte: „Das Problem liegt in der Heimlichkeit. Der Bildertausch ist nicht so schlimm, die Vertuschung schon. Die Nutzungsbedingungen der Wikimedia Foundation enthalten eine spezielle Klausel gegen nicht deklarierte bezahlte Eingriffe.“

Wyatt wies darauf hin, dass es etliche bezahlte Wikipedia-Redakteure an verschiedenen kulturellen Institutionen weltweit gibt. Der Hauptunterschied besteht darin, dass diese Institutionen ihre Aktivitäten auf Wikipedia öffentlich machen und in bestem Glauben handeln, die Artikel der Website mit ihren eigenen Ressourcen und Fachwissen zu verbessern. Nicht so im Fall von The North Face.

Werbung auf Wikipedia

Werbebild-Ästhetik statt akkurater Ortsillustration: Guerilla-SEO von The North Face. (Bild: The North Face)

Ungeeignete Bilder für die Enzyklopädie

Viele der Fotos, die die Agentur für ihr SEO-Projekt hochgeladen hat, waren schlechter als die vorhergehenden. Fotos, die den Ort zuvor in einer schnörkellosen, dokumentarischen Art und Weise abgebildet haben, wurden durch sonnengetränkte Impressionen ersetzt: Im Vordergrund stehen Models mit North-Face-Rucksäcken herum, während die eigentliche Szenerie zur Schaufenstergestaltung degradiert wurde.

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Dass die Agentur überhaupt so weit mit ihrem Bilderschmuggel bei Wikipedia gekommen war, lässt sich durch eine löchrige Qualitätssicherung erklären. Die freiwillig arbeitenden Moderatoren der Online-Enzyklopädie kämpfen mit einer dünnen Personaldecke, die nicht überall eine sorgfältige Sichtung erlaubt.

The North Face entschuldigte sich auf Twitter für die missglückte Kampagne und versprach, dass seine Agenturen in Zukunft die Regeln von Wikipedia gewissenhafter beachten würden.

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2 Kommentare
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Dein t3n-Team

Maximilian Kraus

Toller Beitrag! :)

Antworten
Florian

Ich bezweifel, dass es „nach hinten losgegangen“ ist. Als Agentur veröffentlicht man so ein Video doch nur – Wenn man noch mehr Aufmerksamkeit generieren möchte. Und dadurch, dass Wikipedia die Accounts sogar verlinkt und die Marke nennt + Berichterstattung durch euch und andere, dürfte sich das für die richtig gelohnt haben.

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