5 Meter hoch und aus Holz: Neuartiger Fahrradweg soll in Stuttgart gebaut werden

Der Verkehrsminister von Baden-Württemberg, Winfried Hermann, hat eine ein Kilometer lange Teststrecke einer Fahrradstraße aus Holz angekündigt. In der Region Stuttgart soll das System entstehen, das in über fünf Metern Höhe über der Straße schwebt. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich begeistert. Expert:innen haben Einwände.
Radschnellweg mit Belagheizung und Solarzellen
Die zweispurige Fahrradstraße verlegt den Verkehr auf zwei Rädern auf eine weitere Ebene. In rund fünf Metern Höhe laufen die Fahrspuren, die mit einem rutschfesten und beheizbaren Belag ausgestattet sind. Die Geländer besitzen Photovoltaik-Module, die neben der Heizung auch die Beleuchtung speisen. Zusätzlich bietet das Unternehmen Urb-X ein integriertes Verkehrsleitsystem an. Weitere Technologie soll die Sicherheit erhöhen und die Wartungskosten niedrig halten. Der patentierte Baukasten bietet verschiedene Elemente für Brücken, Kurven, Kreuzungen und Kreisverkehre an. Auf Wunsch spendet ein begrüntes Dach im Sommer Schatten.

Der Holz-Highway für Bikes ist auch mit begrünbarem Dach erhältlich. (Grafik: Urb-X)
Kretschmann: „Genau so etwas brauchen wir.“
Hermann und Kretschmann trafen den Hersteller auf einer Schweiz-Reise, um junge Unternehmen zu besuchen. Kretschmann zeigte sich schnell angetan: „Genau sowas brauchen wir“, sagte er dem SWR. „Wir haben riesige Stauprobleme zum Beispiel in Stuttgart. Da kommen wir nur weg, wenn wir solche innovativen Ideen umsetzen“, so der Grüne Ministerpräsident. Herrmann spezifizierte, man wolle mindestens einen Kilometer bauen und „zeigen, was da geht“. „Das macht man nicht für 100 Meter, weil das ja ein steiler Anstieg ist“, ergänzte er. Er erzählte zudem, Expert:innen befürchteten, das Holz gammele und die Konstruktion müsse nach 30 Jahren abgerissen werden. Noch in diesem Jahr will er den ersten Fahrrad-Highway aus Holz im Stuttgarter Raum einweihen.

Die Fahrradwege in fünf Metern Höhe besitzen Solar-Paneele und einen rutschfesten sowie beheizbaren Belag. (Screenshot: Urb-X/ t3n.de)
Fahrradstraße mit Baukastensystem
Der Baukasten besteht aus Holzleichtbauelementen auf einer Tragekonstruktion aus Stahl. Die 4,50 Meter hohen T-Träger stehen auf Stahlrohren mit einem Durchmesser von 40 Zentimetern – nehmen also wenig Platz auf der Straße oder dem Parkstreifen weg. Darüber kommt ein Tragelement, das die Technik zur Beheizung des Belages, die Wechselrichter für die Solarpaneele sowie die Beleuchtung enthält. Oben drauf kommt das zweispurige Fahrbahnelement – optional mit sensorunterstützten Leuchtmasten. Zusätzlich sind „intelligente“ Leitsignale verfügbar, die den Verkehrsfluss steuern. Die Technik dahinter erkennt Auffahrten, Zwischenfälle und Fußgänger. Darüber können zudem die Spursysteme bei Bedarf etwa von 2+2 auf 3+1 umgestellt werden.
Fahrradweg aus Holz: Günstiger Bau, niedrige Co2-Last
Urb-X gibt für die Modullösung Kilometer-Kosten von etwa zwei Millionen Euro plus Stützen an. Die Stützen kosten je nach Topografie 300.000 bis 500.000 Euro pro Kilometer. Dazu kommen die Auffahrten. Zum Vergleich: Ein Kilometer Straße kostet zwischen 6 und 20 Millionen Euro, in Einzelfällen sogar bis zu 100 Millionen Euro. Urb-X schreibt, der Bau spare 3.000 Tonnen CO2 pro Kilometer in Relation zum Bau in Stahl und Beton. 100 Tonnen CO2 sollen durch die Stromproduktion der Trasse eingespart werden. Sie soll zudem jährlich rund 100.000 Euro an sonstigen Kosten sparen.

Unter den Radtrassen finden Straßenbahnen und Autos Platz. (Grafik: Urb-X)
Vorteile bei Wartung, Reparatur und für Parker
Das Unternehmen zählt zudem Kostenersparnisse im Bereich Winterdienst und Wartung auf. Auch Reparaturen sind vergleichsweise günstig, da die Module selektiv ausgetauscht werden können. Nicht zuletzt stehen der reduzierte Landverbrauch und mögliche Dual-Use-Vorteile – etwa durch nachgerüstete Ladestationen – auf der Habenseite. Zusätzlich lassen sich neben der Verkehrsentflechtung weitere Vorteile erkennen: Die Autoparkplätze im Videobeispiel sind geschützt vor Regen und Vogelschiss, zudem lassen sich so leicht Ladestationen an öffentlichen Parkplätzen nachrüsten.
Kein Vergleich zu aberwitzig hohen Zahlen für Autostraßen, etwa bei der Berliner A 100.
Noch günstiger ist es aber, unten die Autos mal etwas zusammenrücken zu lassen. Selbst im engen Stuttgart ist es einfach ein Verteilungsproblem – da hat man die Stadt-Eingänge mit überdimensionierten Bundesstraßen vergeudet.