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Holpriger Start ins Online-Zeitalter für Schulen in der Coronakrise

Etwa 32.500 Schulen in Deutschland sind zur Zeit geschlossen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Das Internet soll nun dabei helfen, den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten. Dafür ist Deutschland nur bedingt gerüstet. Es gibt aber auch positive Vorbilder.

4 Min. Lesezeit
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(Foto: Rawpixel.com / Shutterstock)

Der Klassenraum der 8B an der Freiherr-vom-Stein-Schule in Fulda ist seit Tagen verwaist. Der normale Lehrbetrieb wurde eingestellt – so wie an den rund 32.500 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland auch. Doch der Unterricht an dem Fuldaer Gymnasium geht online weiter. Im Mathe-Unterricht verweist Lehrer Uwe Rafler die Schüler nun auf seinen virtuellen Kollegen Daniel Jung, um „Punktbestimmungen bei linearen Funktionen“ erläutern zu lassen. Jung ist auf Youtube mit seinem Mathe-Kanal ein Star. 630.000 Abonnenten schauen hier regelmäßig vorbei.

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Der Direktor der Freiherr-vom-Stein-Schule, Ulf Brüdigam, kann zwar nicht auf eine große Online-Plattform aus einem Guss zurückgreifen. Doch die Kombination aus einer Cloud-Lösung der Stadt Fulda, einem Moodle-Server des Landes und den öffentlich zugänglichen Inhalten sorgt dafür, dass die Schülerinnen und Schüler nicht auf das Lernen verzichten müssen. „Wir bieten das auch als mobile App für das Handy an, denn quasi alle Schülerinnen und Schüler verfügen über ein Smartphone.“ Beim Ansturm der ersten Tage waren die Download-Zeiten zwar länger als sonst, doch immerhin gingen die Anlaufstellen nicht in die Knie.

In Bayern dagegen wurde der Fernunterricht zeitweise komplett lahmgelegt. Nach Schließung der Schulen ächzte die landesweite Online-Plattform Mebis bereits unter der starken Nachfrage. Als dann noch Cyberkriminelle die Plattform angriffen, stand das System etliche Stunden lang still. Bayern gehört aber immerhin zu den Ländern, die überhaupt eine halbwegs funktionierende Online-Plattform haben. Allerdings ist Mebis nicht für einen flächendeckenden Ersatz von geschlossenen Schulen ausgelegt. Und Experten verweisen darauf, dass das System technisch inzwischen in die Jahre gekommen sei.

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Baden-Württemberg hinkt hinterher

Viel schlechter dran sind die Schulen in Baden-Württemberg. Hier wurden schätzungsweise 20 Millionen Euro in den Aufbau der Lernplattform Ella versenkt. Wegen technischer Mängel wurde das System nicht in Betrieb genommen. Die Schulen im Südwesten müssen sich nun mit einer improvisierten Lernplattform herumschlagen, die in diesen Tagen auch nur schwer erreichbar ist.

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Am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam sieht man in dem teilweise desolaten Zustand eine Chance. „Generell sind solche Krisenzeiten oft auch Zeiten, wo notgedrungen Innovationen vorankommen“, sagt Institutsdirektor Christoph Meinel. Das HPI, das der gemeinnützigen Stiftung des SAP-Mitbegründers Hasso Plattner gehört, hat mit der „Schul-Cloud“ eine moderne Lernplattform entwickelt, die auch für den eigenen Lern- und Lehrbetrieb („openHPI“) verwendet wird.

Die Schul-Cloud des HPI war ursprünglich dafür entwickelt worden, den Unterricht mit interaktiven Medien und Lernmethoden zu bereichern. Die Cloud ermöglicht den Kindern, Hausaufgaben digital zu empfangen und einzureichen. Nun hat das HPI das Konzept aber erweitert, um einen Fernunterricht zu ermöglichen. „Das ist kein Eins-zu-Eins-Ersatz für den herkömmlichen Unterricht, aber inhaltlich kann man eine Menge machen.“ Die Kommunikation könne dabei in beide Richtungen laufen. Dabei würden auch die geltenden Datenschutzregeln eingehalten.

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Schul-Cloud bereits in Pilotprojekten genutzt

Thüringen, Brandenburg und Niedersachsen nutzen die Schul-Cloud bereits in Pilotprojekten, auch am renommierten Gymnasium Carolinum in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern). Dort kommuniziert Schulleiter Henry Tesch mit seinen Schülerinnen und Schülern auch über Instagram. Auf längere Sicht werde es nicht ausreichen, den Schülern über eine Lernplattform Aufgaben zu senden. Deshalb geht das Carolinum nun einen Schritt weiter. Am Donnerstag wurde für die 12. Jahrgangsstufe die erste Online-Stunde im Fach Geschichte abgehalten – in Form eines Online-Webinars, bei dem sich rund 60 Teilnehmer auch wie im analogen Klassenzimmer melden konnten. „Da haben auch Lehrer zugeschaut. Das ist auch intern eine Ermutigungsstrategie gewesen“, sagte Tesch.

Aus Sicht von HPI-Chef Meinel ist es nun aber zunächst einmal die größte Herausforderung, auch die Schulen schnell anzuschließen, die noch nie mit der Cloud gearbeitet haben. „Meist fehlen da digitale Konzepte und das Grundwissen, wie digitale Lernsysteme im Unterricht sinnvoll genutzt werden können.“

Alemannenschule als Vorbild

Ein Vorbild könnte die Alemannenschule in der 7.000-Einwohner-Gemeinde Wutöschingen im Landkreis Waldshut (Baden-Württemberg) sein, die im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde. Die Gemeinschaftsschule koppelte sich schon vor Jahren vom Wirrwarr der landeseigenen Ressourcen ab und setzt seit 2011 im Kampf um das eigene Überleben auf die selbst entwickelte „Digitale Lernplattform“ (Diler), die wiederum auf der offenen Software Joomla aufsetzt. Diler wird inzwischen auch anderen Schulen angeboten. Eine abgespeckte Community Edition ohne Video-Chat-Funktion und technische Dienstleistung ist frei. Eine Partner Edition kostet einmalig 1.000 Euro sowie acht Euro pro Schüler und Jahr, um die Weiterentwicklung des Systems zu finanzieren.

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„Wir in Wutöschingen haben E-Learning äußerst konsequent und nachhaltig eingeführt“, sagt Lehrer Dieter Umlauf, der an der Schule die Oberstufe leitet. „Während in anderen Schulen Ausnahmezustand herrscht, geht bei uns der Betrieb recht reibungsfrei weiter.“ An seiner Schule verfügen alle Schülerinnen und Schüler über ein iPad. „Wir kommunizieren im geschützten Raum über Diler. Hier nutzen wir Talkie zur Live-Kommunikation in Wort, Schrift und Bild, tauschen Materialien aus, und der Unterricht geht weiter.“

Zum Online-Konzept der Schule, die auf herkömmliche Klassenzimmer verzichtet, gehört aber nicht nur die reine Konnektivität. Es werden auch neue Konzepte wie das Challenge-Based-Learning praktiziert, gegen die sich manche konservative Lehrer noch mit Händen und Füßen zur Wehr setzen. Bei diesem Konzept werden Ziele formuliert, aber keine Lösungswege vorgegeben. „Die Schüler sind also gefordert, sich selbst einzubringen und können so am ehesten ihre Fähigkeiten bei der Lösung eines Problems einbringen“, sagt Umlauf. Und dieses Konzept funktioniert auch in Zeiten der Coronavirus-Krise.

In Halle in Sachsen-Anhalt setzt man auf eine Kooperation mit dem Unternehmen Sofatutor, einem der führenden Anbieter im Online-Nachhilfemarkt. Über die Plattform von Sofatutor haben die Schüler Zugriff auf Lernvideos von der 1. bis zur 12. Klasse, interaktive Übungen, Arbeitsblätter sowie einen Chat, über den die Schüler Unterstützung erhalten. In der Kultusministerkonferenz der Bundesländer wurde dem Vernehmen nach schon darüber diskutiert, ob man das System nicht im größeren Stil einführen soll. dpa

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