Homeoffice ade? Otto und Deutsche Bank wählen Präsenzpflicht – mit wichtigem Unterschied
Wer die Stichworte „Otto“ und „Homeoffice“ bei Google eingibt, bekommt Stand 13. November, 12:00 Uhr, folgende Ergebnisse ausgespuckt: Eine Schlagzeilen-Box, darunter ein Artikel von Heise Online. Otto will, dass die Beschäftigten wieder mehr ins Büro kommen und plant deswegen eine Anwesenheitspflicht von 50 Prozent ab Januar 2025, heißt es da.
An dritter Stelle spuckt die Google-Suche dann einen Text von Otto selbst aus. Die Überschrift? „Anwesenheitspflicht? Gönn dir endlich Homeoffice“. Ganz ehrlich: Wer die Suchmaschinenoptimierung für diesen Blogartikel übernommen hat, hat ganze Arbeit geleistet. Nur der Inhalt, der ist irgendwie nicht besonders gut gealtert.
Präsenztage bei der Deutschen Bank: Eine Frage des Alltags
Im Text werden Vor- und Nachteile von Arbeit im Homeoffice aufgelistet. So richtig neutral liest sich das Ganze allerdings nicht. Schon die Überschrift macht klar: Otto will sich als flexibler und offener Arbeitgeber positionieren. Es fallen Sätze wie „wenn es zu dir als Typ passt, verzichte bloß nicht auf Homeoffice“ und „es geht um ruhiges, fokussiertes Arbeiten“.
Nun könnte man meinen: „Na ja, dann ist dieser eine Artikel eben schlecht gealtert“ und im gleichen Atemzug einwerfen „Otto ist ja nicht das einzige Unternehmen, das die Mitarbeitenden ins Büro zurückruft. Was ist denn mit der Deutschen Bank?“.
Und ja, da ist was dran: Auch die Deutsche Bank hat bekannt gegeben, dass die Belegschaft, gerade die Führungskräfte, wieder mehr ins Büro kommen soll. Das sorgt, ähnlich wie bei Otto, für Unmut in der Belegschaft – schließlich greift das Unternehmen drastisch in die Alltagsgestaltung der Beschäftigten ein. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Unternehmen.
Bei der Deutschen Bank werden die bisherigen Präsenztage von zwei auf drei pro Woche erhöht, für Führungskräften sogar auf vier. Eine gemäßigt-konservative Homeoffice-Policy, die im Nachgang der Corona-Pandemie entstanden ist, wird also wieder konservativer.
Präsenztage bei Otto: Da hängt mehr dran
Bei Otto gab es, anders als bei der Deutschen Bank, schon vor der Corona-Pandemie explizit beworbene Möglichkeiten zur Remote-Arbeit. Der Versandhändler legt in seinem Employer Branding seit Jahren Wert auf Themen wie New Work, Work-Life-Balance und flexible Arbeit, zuletzt konnten die Beschäftigten eigenständig und damit besonders flexibel entscheiden, ob, wann und wie viel sie aus dem Büro arbeiten.
Eine Anwesenheitspflicht von 50 Prozent bedeutet da nicht nur einen großen alltäglichen Einschnitt. Sie lässt auf einer höheren Ebene das Bild vom Arbeitgeber bröckeln, der darauf vertraut, dass seine Mitarbeitenden eigenständig die bestmöglichen Entscheidungen fällen.
Ottos Umschwenken zur Präsenzpflicht zeigt zudem: Selbst Arbeitgeber, die sich für offene und flexible Arbeitskonzepte aussprechen, scheinen mittlerweile Schwierigkeiten mit hohen Homeoffice-Quoten zu haben und dämmen die Möglichkeiten ihrer Mitarbeitenden ein. Die Präsenz im Büro soll, so heißt es von Otto, wieder für mehr „sozialen Kitt und eine emotionale Identifikation mit dem Unternehmen“ sorgen.
Bleibt die Frage, ob der Versandhändler das mit einer Präsenzpflicht, die derzeit für viel Kritik in der Belegschaft sorgt, wirklich schaffen kann? Klar ist, dass es für Otto in der Testphase ab Januar 2025 nicht nur darum gehen wird, herauszufinden, wie gut die Anwesenheitspflicht wirklich auf Praxis-Ebene funktioniert. Für das Hamburger Unternehmen wird der Probelauf auch zur Challenge, das eigene Selbstverständnis als Arbeitgeber und die Vorstellung von moderner Arbeit neu zu definieren – und damit dann vor allem die eigenen Beschäftigten zu überzeugen.