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Analyse

Alternative zu Googles Ökosystem: Huawei umgarnt deutsche Entwickler mit 20 Millionen Euro

Huawei arbeitet an eigenen Lösungen, um unabhängiger von Googles Diensten und Ökosystem zu werden. Um Entwickler auf die eigene Plattform zu lotsen, investiert das Unternehmen allein in Deutschland 20 Millionen Euro.

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Das Huawei Mate 30 Pro mit App-Gallery und HMS. (Foto: Huawei)

Huawei ist der zweitgrößte Smartphone-Hersteller der Welt. Das Unternehmen verkaufte allein 2019 240 Millionen Geräte und hat in Deutschland einen Marktanteil von über 18 Prozent (Stand: September 2019). Im Mai 2019 wurde das Unternehmen auf die Entity-Liste der USA gesetzt, durch die US-Hersteller nur mit einer speziellen Genehmigung mit Huawei Handel treiben dürfen.

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Das bedeutete, dass viele Hardware-Partner und Zulieferer wie Qualcomm, Broadcomm und Intel keine Chips und Software mehr an Huawei liefern durften. Schlimmer noch: Huaweis neue Smartphone-Modelle wie das Mate 30 Pro dürfen nicht mehr mit Googles vielen Diensten, Apps und dem Play-Store ausgestattet werden. Kein Google Maps, kein Gmail und auch kein Play-Store und keine (Play-)Dienste. Gerade letztere sind für die Funktionsweise der Android-Plattform relevant, um etwa Push-Nachrichten zu erhalten, ortsbasierte Dienste zu verwenden und vieles mehr.

HMS: Huawei baut Googles Ökosystem nach

Das quelloffene Android (AOSP) ohne jegliche Google Dienste – Google nennt sie GMS (Google Mobile Services) – darf Huawei zwar weiter verwenden. Um den Komfort eines von Google unterstützten Android zu liefern, arbeitet Huawei auf Hochtouren an eigenen Lösungen. Damit eine möglichst attraktive Alternative zum Play-Store auf allen Huawei-Smartphones und -Tablets bereitsteht, werkelt Huawei angestrengt an der Erweiterung seiner auf allen Geräten vorinstallierten App-Gallery. Eigenen Angaben zufolge zählt die App-Gallery 390 Millionen monatlich aktive Nutzer und erzielt 180 Milliarden Downloads im Jahr.

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Um Entwicklern den Einzug in die App-Gallery schmackhaft zu machen, bietet Huawei viel Geld. Allein in Deutschland stehen 20 Millionen Euro bereit, damit App-Anbieter ihre Anwendungen für Huaweis digitalen Laden anpassen. Darüber hinaus sollen Entwickler ihre Apps einfacher monetarisieren können – etwa durch In-App-Käufe, Abonnements oder werbefinanzierte Produkte. Zudem verlangt das Unternehmen im ersten Jahr keine Anteile vom App-Verkauf – alle Einnahmen landen beim Entwickler. In den folgenden Jahren sollen sie sukzessive auf 15 Prozent angehoben werden. Games stellen die Ausnahme dar – hier werden sofort 15 Prozent fällig. Google und Apple verlangen in ihren Store jeweils 30 Prozent Gebühren.

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Huaweis App-Gallery mit Zehntausenden Apps – reicht das?

Bislang gibt Huawei an, 55.000 Apps in der App-Gallery anbieten zu können. Das ist im Vergleich zu den 2,9 Millionen im Play-Store erschreckend wenig. Solange die wichtigsten Anwendungen jedoch vorhanden sind, ist es unerheblich, ob 100 oder eine Million Apps verfügbar sind. Im Durchschnitt haben Menschen etwa 35 Apps auf ihrem Smartphone installiert.

App-Gallery: Die Alternative zu Googles Play Store ist auf Huawei-Geräten schon vorinstalliert. (Foto: t3n)

App-Gallery auf dem Mate 20 Pro: Die Alternative zu Googles Play-Store ist auf Huawei-Geräten schon vorinstalliert. (Foto: t3n)

Ein Blick in die Gallery zeigt, dass einige bekannte Anwendungen der Deutschen Bahn, Lufthansa, Microsoft Office Mobile, Pro7, Otto und GMX sowie Tiktok, Amazon und Amazon Prime Video oder auch Tidal vorhanden sind. Andere weit verbreitete Apps wie Slack, Spotify, Microsoft Teams, Netflix, Facebook oder Whatsapp und Facebook sind nicht zu finden. Bei den Anwendungen von Facebook gilt das Gleiche wie bei Google: US-Unternehmen dürfen keinen Handel mit Huawei betreiben – das gilt auch für digitale Güter. Für viele Nutzer dürfte allein das Fehlen der genannten (und weiterer fehlender wie Instagram) Apps ein Grund sein, sich bis auf weiteres anderweitig nach Geräten umzusehen.

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Zusätzlich führt das Unternehmen weitere Anlaufstellen für Inhalte wie Musik und Videos an. Bis Januar 2020 soll die Videoplattform in über 20 Ländern eingeführt sein, die Musikplattform soll bereits in 115 Regionen mit insgesamt mehr als 150 Millionen aktiven Usern pro Monat (MAU) verfügbar sein. Ob letztere Plattformen für viele europäische Nutzer relevant sind, ist fraglich, denn hierzulande werden überwiegend Dienste wie Netflix, Amazon Prime Video und im Musikbereich Spotify, Apple Music oder Deezer genutzt.

Es sollte erwähnt werden, dass das bisher einzige Smartphone ohne Google-Dienste das Huawei Mate 30 Pro ist – alle weiteren von Huawei verkauften Smartphone kommen noch mit Play-Store und dem kompletten Google-Services-Paket. Alle weiteren Geräte, die Huawei ab 2020 vorstellen wird, werden zwangsläufig frei von Google-Diensten sein – allen voran das nächste Topmodell P40 (Pro).

HMS Core: Huaweis Plattform-Gerüst

Während die App-Gallery die Anlaufstelle für Apps ist, bedarf es aus Entwicklersicht noch allerhand Schnittstellen und Dienste, damit Anwendungen wie mit Google-Diensten laufen. Hierfür baut Huawei seinen eigenen Dienste, die schlicht HMS – Huawei Mobile Services getauft wurden.

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Huawei HMS Core Kits. Foto: t3n)

Huawei HMS Core Kits. (Foto: t3n)

Unter HMS Core versammelt Huawei seine insgesamt 24 Developer-Kits, mit denen Entwickler ihre Apps geräteübergreifend optimieren können sollen. Die HMS-Core-Werkzeuge sind in drei Kategorien unterteilt: Neben den Tools zur Entwicklung Entwicklung gehören auch Werkzeuge zu den Bereichen Wachstum und Monetarisierung dazu. Neben den Core-Kits stellt Huawei nach eigenen Angaben 55 Dienste und 997 API zur Verfügung. Statt auf Google Maps setzt Huawei bei seinen Location- und Map-Kits in Europa auf Tomtom, wie uns der Konzern im Dezember erklärte.

Weitere Features, die Entwickler und Nutzer überzeugen sollen, sind die sogenannten Quick-Apps. Das sind Anwendungen, ähnlich wie sie unter Android als Instant Apps existieren, die direkt ohne Download und Installation in vollem Funktionsumfang eingesetzt werden können. Der Nutzer soll so kostbaren Speicherplatz auf seinem Smartphone sparen. Entwickler auf der anderen Seite würden mittels der aufs Smartphone gestreamten Anwendungen „zwei komplette Konvertierungsschritte“ ersparen, so Huawei.

Huawei Strategie 2020. (Grafik: Huawei)

Huawei Strategie 2020. (Grafik: Huawei)

Darüber hinaus will Huawei mit der Ability-Gallery mehrere Geräte nach dem„1+8+N-Ansatz“ miteinander vernetzen. Dabei soll das Smartphone zum Mittelpunkt des persönlichen Geräte-Ökosystems werden. Laut Huawei lässt sich ein Smartphone mit bis zu acht weiteren Geräten wie PCs, Tablets, Huaweis Smart TV, vernetzten Lautsprechern und auch smarten Brillen, Smartwatches, Hearables (wie etwa die Freebuds 3) und Telematik-Lösungen verbinden.

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Huaweis HMS besteht aus folgenden Komponenten:

  • Huawei App-Gallery
  • Huawei Browser
  • Huawei Mobile-Cloud
  • Huawei Themes
  • Huawei Music
  • Huawei Video
  • Huawei Reader
  • Huawei Assistant …

Mit dem bereitgestellten Rüstzeug und einem Compiler sollen Entwickler ihre Apps binnen drei Tagen pro Kit für das HMS angepasst haben. Diese Berechnung sieht Appsfactory-Chef Alexander Trommen laut Handelsblatt als optimistisch an.

App-Umzug auf Huaweis HMS-Plattform könnte Zeit- und Kostenfresser werden

Seinen Schätzungen zufolge benötigt man für eine komplexe App, die drei Google-Dienste nutzt, um die „15 bis 30 Manntage“, wodurch sich nur der Arbeitsaufwand auf 10.000 bis 20.000 Euro beziffere. Jedoch ende es nicht bei der einmaligen Anpassung – jedes erneute Update erfordere wiederum auch wieder Zeit für die Anpassung, wodurch weitere Kosten anfielen.

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Dass es nicht sonderlich einfach ist, eine weitere Plattform neben Googles Play-Store aufzubauen, zeigt sich an den Bemühungen Samsungs, die seit Jahren ihren Galaxy-Store parallel zum Play-Store betreiben. Samsung selbst nennt keine Nutzerzahlen, allerdings lässt sich Samsungs App-Laden schwer mit Huaweis Ansatz beschreiben, da auf Geräten des südkoreanischen Branchenprimus der Play-Store als Hauptanlaufstelle genutzt werden kann. Der Galaxy-Store ist mehr als Zusatz zu verstehen, wie bislang auch Huawei seine App-Gallery verstand.

Vergleichbar ist Huaweis entstehende Plattform eher mit der von Blackberry oder Microsofts Windows Mobile, die beide jedoch scheiterten. Diese Schicksale müssen nicht zwingend auch Huawei treffen, denn der Konzern hat die Mittel, Fans und – nicht zu verachten – entsprechende Marktanteile, um ein eigenes Ökosystem aufzubauen.

Schafft es Huawei 2020 trotz US-Sanktionen?

Eine gewisse Skepsis bleibt dennoch: Auch wenn Huawei viele große App-Entwickler auf seine Plattform lotsen kann, dürfte es unmöglich sein, die großen Anbieter aus den USA wie Facebook mit Whatsapp und Instagram sowie Google mit Google Maps, Gmail und weiteren in den eigenen Store zu holen. Schließlich unterbinden die US-Sanktionen genau das. Ohne die populären Anwendungen könnte Huaweis Plattform zum Scheitern verurteilt sein, denn Nutzer wollen auf ihre Lieblings-Apps nicht verzichten.

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Ein Weg aus der Misere wäre die Entwicklung eines europäischen Ökosystems, bei dem Huawei nicht als Betreiber, sondern als Kunde auftritt. Ein solche Szenario zeichnete Huawei-Chairman Eric Xu im September: Ein europäisches Ökosystem könnte unter anderem auch für US-Anwendungen wie Whatsapp, Gmail und weitere offen sein, wodurch Huawei sie wieder auf seinen Geräten einsetzen könne. Xu erklärte im September weiter, dass man mit europäischen Firmen spreche, die er nicht benennen dürfe. Weitere Informationen über den Stand der Verhandlungen hatte Huawei seitdem nicht mehr gegeben. Eines dürfte derzeit sicher sein: 2020 wird für Huawei ein wichtiges Jahr, in dem es um alles geht.

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Dein t3n-Team

Steffen Dirksen

Es wird ja alles darauf gesetzt, dass Huawei sein neues Betriebssystem aufbaut. Um die Diskrepanz des Android App-Stores zu umgehen stellt sich mir die Frage, ob es möglich ist/wird FDroid zu installieren. Sollte das funtionieren?

Grüße
Steffen

Antworten
Dieter Petereit

F-Droid ist eine App. Die kannst du auf jedem Smartphone installieren. Bietet aber nur Open-Source-Apps und ist schon von daher keine Alternative. Das Problem sind ohnehin weniger die Apps als die Services.

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