Mit der WWDC richtet sich Apple eigentlich an Entwickler:innen. Das steckt schon im Namen, schließlich steht das Akronym für World Wide Developers Conference. Wer Apps für iPhone, iPad, Mac und Co. anbietet, kann sich im Rahmen der Veranstaltung über Neuerungen für die anstehenden Betriebssysteme informieren. Einige dürften die Veranstaltung allerdings regelmäßig mit bangem Blick verfolgen. Schließlich besteht immer die Chance, dass Apple eine App „sherlockt“.
Der Begriff „Sherlocking“ stammt aus dem Jahr 2002. Das Unternehmen erweiterte damals die Sherlock genannte Suchfunktion für Mac-Computer um Features, die zuvor das beliebte Drittanbieterprogramm Watson lieferte. Watson wurde damit ein Stück weit obsolet. Dieses Schicksal könnte 22 Jahre später nun diverse App-Anbieter:innen treffen.
Apple bringt eine eigene Passwortmanager-App
Ganz vorn dabei ist eine der neuen Apps in iOS 18, macOS Sequoia und iPadOS 18. Sie heißt schlicht „Passwörter“ und tut genau das, was ihr vermutet: Ihr könnt darin eure Zugänge für diverse Accounts speichern, sichere Kennwörter erstellen lassen und Zwei-Faktor-Authentifizierungen einrichten. Alles wird bei Bedarf über die iCloud mit euren Geräten synchronisiert. Vor Neugierigen wird der Zugang via Touch- oder Face-ID geschützt. Eigentlich ist das keine Neuheit: Passwörter lassen sich längst speichern. Die Funktion ist allerdings noch in den Einstellungen versteckt.
Mit der neuen App wird es künftiger weniger umständlich, sich auch bei Drittanbieter-Browsern anzumelden. Über die iCloud-App soll sie sogar auf Windows-Rechnern funktionieren. Nur eine Android-Version hat Apple nicht angekündigt. Apple-Nutzer:innen, die bislang auf kostenpflichtige Angebote wie Onepassword oder Lastpass gesetzt haben, dürften nun aber ins Grübeln kommen, ob die kostenlose Variante von Apple nicht ausreicht.
Neuer Taschenrechner fürs iPad
Deutlich härter dürfte es die Entwickler:innen von Taschenrechner-Apps treffen. Auf dem iPhone gehört Apples eigene Variante zum Standard. Fürs iPad gibt es die Lösung bislang noch nicht. Das ändert Apple mit iPadOS 18. Das Unternehmen reicht hier nicht nur den Taschenrechner nach, sondern wertet die App gleich mit Support für den Apple Pencil auf. Ein Blick in den App-Store zeigt: Das könnte Auswirkungen auf das Geschäft einiger Entwickler:innen haben. Sowohl in den Charts der Gratis- als auch in denen für Bezahl-Apps haben es Taschenrechner in die Top 10 gebracht.
Anrufe aufnehmen direkt in iOS möglich
Eine weitere Kategorie, die Apple praktisch obsolet macht, sind die sogenannten Call-Recorder, also Apps, mit denen man Anrufe aufzeichnen kann. Künftig ist die Funktion direkt in iOS 18 integriert. Wird sie aktiviert, gibt es einen eindeutigen Indikator, dass das iPhone das Gespräch aufzeichnet.
Apple Maps statt Wander-Apps
Mit neuen Funktionen für Apple Maps könnten künftig auch Wander-Apps das nachsehen haben. Zumindest für Nationalparks in den USA will der Hersteller ab Herbst 2024 „Tausende von Wanderungen“ anbieten. Nutzer:innen können sie nach Länge und Höhenprofil filtern und das Kartenmaterial offline auf dem iPhone speichern. Außerdem könnt ihr auch eigene Wanderrouten erstellen.
Die möglichen Folgen für Entwickler:innen
Laut einer Analyse von Appfigures (via Techcrunch) könnten Apples Neuheiten dafür sorgen, dass Entwickler:innen Umsätze von etwa 393 Millionen US-Dollar verloren gehen könnten. So viel setzen Apps in dem vom Marktforschungsinstitut beobachteten Segmenten um. Demnach laufen besonders Wander-Apps Gefahr, Kund:innen und damit bares Geld zu verlieren. 307 Millionen Dollar sollen Anwendung aus der Kategorie allein in den vergangenen zwölf Monaten eingefahren haben. Auch Grammatikhelfer stehen laut der Studie vor Problemen. Ihnen könnte die Schreibhilfe in der KI-Umgebung von Apple Intelligence zum Verhängnis werden. Hier geht es um Umsätze von 35,7 Millionen Dollar. Rechenhilfen (23,4 Millionen Dollar) und Passwortmanager (20,3 Millionen Dollar) seien ebenfalls gefährdet.
Allerdings bedeutet die Einführung von systemweiten Lösungen nicht automatisch, dass Nutzer:innen aufhören, Drittanbieterangebote in Anspruch zu nehmen. App-Entwickler:innen sehen die Entwicklung zumindest zum Teil auch entspannt. Gegenüber The Verge erklärte Lastpass-CEO Karim Toubba etwa: „Wenn die Leute erst einmal einen echten Nutzen aus der Anwendung ziehen, ist sie tatsächlich sehr langlebig.“ Eine Gefahr durch die neue Passwort-App sieht er nicht. Anders als seine eigene App gibt es den Dienst schließlich nicht für alle Systeme. Ähnlich äußerte sich auch Donald Hasson, der Chief Product Officer der weniger bekannten App Dashlane: „Die große Mehrheit unserer Nutzer nutzt Dashlane auf mehreren Plattformen. Optionen zu haben, vor allem wenn es darum geht, wo und wie man seine Anmeldedaten speichert, ist entscheidend.“ Und wie oben beschrieben: Alle Betriebssysteme deckt Apple mit der App nicht ab.