
Der IT-Fachkräftemangel ist mit einer Zahl versehen: 149.000 IT-Stellen sind in Deutschland unbesetzt. Vor fünf Jahren waren es noch 82.000 IT-Stellen. Bis 2040 werden 663.000 IT-Stellen voraussichtlich unbesetzt sein. Zu diesem Ergebnis kommt der Digitalverband Bitkom, der die IT-Fachkräftelücken in der Bundesrepublik seit 2009 kontinuierlich erfasst.
In der Bewältigung der derzeitigen Strukturkrise spielt die IT eine zentrale Rolle. „Der sich seit Jahren verschärfende Mangel an IT-Fachkräften betrifft das ganze Land und bremst die dringend notwendige Digitalisierung. Eine immer größer werdende Fachkräftelücke in der IT bedeutet einen Verlust von Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung, Wachstum und Wohlstand“, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
IT-Fachkräftemangel: Up- und Reskilling hoch im Kurs
Doch was tun Digitalunternehmen derzeit, um dem Mangel an IT-Fachkräften entgegenzuwirken? Zur Beantwortung der Frage hat der Bitkom eine Umfrage unter Digitalunternehmen gestartet. 35 Prozent der Unternehmen setzen auf Weiterbildungsprogramme, um Beschäftigte aus anderen Bereichen in andere strategisch wichtigen Bereichen zu qualifizieren.
24 Prozent stellen zudem Quereinsteigende ein. 16 Prozent haben Programme, um ältere Beschäftigte länger im Job zu halten. 13 Prozent setzen auf Rekrutierungs- und Fördermaßnahmen speziell für Frauen.
Ernüchternd ist aber auch: Mit 32 Prozent tut fast jedes dritte Unternehmen derzeit gar nichts gegen den IT-Fachkräftemangel.
KI zur Überbrückung von IT-Fachkräftelücken
Auch dem Einsatz von KI kommt eine wachsende Bedeutung zu, jedoch ist der Anteil der Unternehmen, die mit der Technologie arbeiten, vergleichsweise gering. Fünf Prozent der Digitalunternehmen in Deutschland geben an, klaffende Fachkräftelücken mit KI zu überbrücken – etwa in der Softwareentwicklung oder IT-Administration.
Der Umfang des Einsatzes unterscheidet sich nach Unternehmensgröße: Von den Firmen mit 250 oder mehr Beschäftigten setzt mit 21 Prozent jede fünfte KI gegen den IT-Fachkräftemangel ein.
Bei kleineren Unternehmen spielt KI eine deutlich geringere Rolle: Bei Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten sind es nur zwölf Prozent, bei denen mit zehn bis 49 Beschäftigten sieben Prozent und bei Kleinunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten sogar nur zwei Prozent.
„Künstliche Intelligenz kann eine IT-Abteilung nicht ersetzen. KI kann aber IT-Fachkräfte bei den unterschiedlichsten Aufgaben unterstützen und zum Beispiel bei Problemen und Fragen aus dem Team oft ebenso gute Unterstützung bieten wie ein menschlicher Support“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „KI kann zudem bei eher langweiligen Aufgaben oder solchen, die eine lang anhaltend hohe Konzentration erfordern, helfen.“
IT-Fachkräftemangel: Satte Kosten für Unternehmen
Viele Berufe sind im Technologie-Sektor dermaßen hoch spezialisiert, dass die Suche nach IT-Expertinnen und IT-Experten der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen gleicht. Dieser Mangel an Fachkräften kommt den Unternehmen immer teurer zustehen. Das Karriereportal Stepstone hat die Kosten beziffert: Durchschnittlich kostet eine unbesetzte IT-Stelle einem deutschen Unternehmen einmalig 29.000 Euro.
Je nach Unternehmensgröße steigen die Kosten für IT-Fachkräfte und zählen branchenübergreifend zu den höchsten Werten im Vergleich: In Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden geht Stepstone von einmalig 19.269 Euro aus, in Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitenden von 37.301 Euro und in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden sogar von satten 96.228 Euro pro unbesetzte Stelle.
Die Stepstone-Statistiker haben dafür interne Daten durchschnittlicher Tagesgehälter mit der Vakanzzeit der Jobs jeweiliger Berufsgruppen multipliziert. Letzteres ergibt die Anzahl der Tage, die eine Stelle im Schnitt unbesetzt ist. Die Schätzung sei jedoch sehr konservativ.
„Unternehmen verzeichnen Umsatzeinbußen, weil sie sehr lange brauchen, um eine offene Stelle zu besetzen“, sagt Tobias Zimmermann, Arbeitsmarktexperte bei Stepstone. „Sie werden daher künftig wesentlich stärker in schnelles Recruiting und langfristige Mitarbeiterbindung investieren müssen“, fügt er hinzu. Die Herausforderungen sind vielfältig.
Auch Politik ist beim IT-Fachkräftemangel gefordert

IT-Fachkräftemangel: Bis 2040 voraussichtlich 663.000 IT-Stellen unbesetzt. (Grafik: Bitkom)
Doch auch von der Politik erwartet die Digitalbranche mehr Unterstützung. Vor allem hinsichtlich der IT-Fachkräftegewinnung aus dem Ausland stellen Lobbyverbände klare Forderungen an die kommende Bundesregierung.
Bitkom-Präsident Rohleder sagt: „Die meisten Unternehmen erwarten eine Verschärfung des Problems. Ohne qualifizierte Zuwanderung werden wir die Fachkräftelücke nicht schließen können.“ Die Bundesrepublik steht primär mit den USA, Frankreich und England im ständigen Wettbewerb um IT-Arbeitskräfte.
Insbesondere zum deutschen Visaverfahren findet der Startup-Verband deutliche Worte und stellt ein „sehr negatives“ Zeugnis aus: 40 Prozent der Startups und 57 Prozent der Scaleups kritisieren die Dauer. 45 Prozent der Startups und 49 Prozent der Scaleups die Komplexität. Hürden zu nehmen, sei zentral. Visaprozesse sorgen für Probleme bei der Fachkräfterekrutierung.
„Um im internationalen Wettbewerb nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten, muss Deutschland bei der Visavergabe endlich digitaler, schneller und unkomplizierter werden – sonst sind die besten Programmierer längst in anderen Ländern beschäftigt, noch bevor sie hier überhaupt einen Termin bei der Deutschen Botschaft bekommen“, so Magdalena Oehl, stellvertretende Vorsitzende des Startup-Verbands.
Problematisch sei zudem, dass bei der Visavergabe nach Bedingungen entschieden wird, die kaum mit den Jobanforderungen der Jungunternehmen zusammenpassen: 29 Prozent der Startups und 25 Prozent der Scaleups bemängeln, dass die Anerkennung von Berufs- und Bildungsqualifikationen zu streng ist.
34 Prozent der Startups und 25 Prozent der Scaleups kritisieren außerdem, dass die Sprachanforderungen zu hoch sind. So sind die Visaverfahren vorwiegend in deutscher Sprache gestaltet. Das grenze aus, so Oehl weiter.
Tatsächlich wird in den Firmen oft gar nicht Deutsch gesprochen. Wie der Startup-Verband mitteilt, ist Englisch in 34 Prozent der Startups die erste Arbeitssprache. In den Scaleups geben das sogar satte 74 Prozent an.
Vor Neuwahlen: Wie stehen Parteien zur Migration?
„Für ausländische Fachkräfte wollen wir ein attraktiver Standort sein und lebenswerte Heimat werden“, steht im Wahlprogramm der Union. Ausländische Berufsqualifikationen sollen schneller anerkannt werden.
Auch die SPD fordert das, trennt aber weniger streng zwischen Fachkräftezuwanderung und der humanitären Aufnahme von geflüchteten Menschen. Letztere soll der Zugang zum Arbeitsmarkt genauso erleichtert werden. Wer Arbeit hat, soll auch ohne Schutzstatus dauerhaft bleiben dürfen.
Auch Grüne und Linke sind offen für ausländische Fachkräfte und die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Die FDP will lediglich „hochqualifizierten“ Fachkräften das Arbeiten in Deutschland erleichtern.
Die AfD begrüße laut Wahlprogramm die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte in Mangelberufe, „sofern diese zum Erfolg unseres Landes sowie zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland beitragen können.“ Sie setzt aber primär auf „heimische Potenziale“. Das BSW will, anstatt auf die Anwerbung ausländischer Fachkräfte zu setzen, in erster Linie junge Menschen in Deutschland „qualifizieren und ausbilden“.
Besonders progressiv positioniert sich Volt: Die Liberalen plädieren dafür, dass zugewanderte Personen schon vom ersten Tag an eine Arbeitserlaubnis erhalten – und das „unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus“.
Zahle Erdnüsse und du bekommst Affen.
Wieso andere Länder unsere IT-Fachkräfte ausbilden sollten, verstehe ich nicht. Haben die dann selbst noch genug?
Abgesehen davon arbeite ich selbst in einer Branche, die seit 20 Jahren von einem massiven Fachkräftemangel beherrscht wird. Das Ergebnis sind miese Konditionen und schlechte Gehälter – für den AN selbstverständlich.
„Fachkräftemangel“ ist mittlerweile ein Synonym für „Drecksbranche mit Mindestlohn-Ambitionen“.
Eine rein lineare Fortschreibung für zukünftige 16 Jahre?
Wie unprofessionell und unglaubwürdig.
Und wenn einen Arbeitsplatz unbesetzt zu lassen wirklich 200K+ kostet, wieso sind selbst die Experten gebotenen Gehälter und Bedingungen nicht besser?
Ich arbeite seit 25 Jahren in der Telekommunikation, zweimal bereits haben sie meinen jeweiligen Standort einfach geschlossen und darauf bestanden, ich müsse an einen Hunderte Kilometer entfernten umziehen.
So groß wie behauptet ist die Not nicht im Ansatz.
Bitkom ist als Lobby-Posaune schlimmer als die klassischen BDI und DIHK.
Es gibt keinen IT-Fachkräftemangel! Das ist bloß Gejammer, weil die Firmen nicht den perfekten Kandidaten für die jeweilige Position finden. (Günstig, nicht älter als 40, 30 Jahre Berufserfahrung und exakt die Skills, die für den ausgeschriebenen Job erforderlich sind)