Anzeige
Anzeige
Feature
Artikel merken

Herausforderer: Wird Polywork das Linkedin der Millennials und Gen Z?

In der Welt der Karrierenetzwerke war es lange ruhig: Linkedin ist der Global Player, der kaum herausgefordert wird. Mit Polywork ist jetzt ein Underdog am Start, der Projekte anstatt Titel und Stationen in den Fokus rückt.

7 Min. Lesezeit
Anzeige
Anzeige
Wird Polywork unter den Millennials und der Gen Z zur Linkedin-Alternative? (Foto: Shutterstock-Gaudilab)

Die Karrieren der Babyboomer und Generation X wirken auf jüngere Menschen bisweilen recht einfach: Nach der Ausbildung fingen Berufseinsteigende in einem Unternehmen an und kletterten dort die Karriereleiter rauf, bis es für sie in die Rente geht. Dass auch diese Geburtenjahrgänge ihre eigenen beruflichen Herausforderungen hatten, wird dabei häufig ausgeblendet. Und doch lässt sich sagen, dass zumindest der Karriereweg oft mehr einem Karrieretunnel gleicht. Ständige Arbeitgeberwechsel und kleine Nebenprojekte waren von den 1950ern bis in die 1980er im Vergleich zu heute eher die Ausnahme. Es kommt deshalb auch nicht von ungefähr, dass unter vielen Chefinnen und Chefs dieser Generationen abfällig von Jobhopping gesprochen wird, wenn Jüngere mehr als nur einmal alle paar Jahre den Arbeitsplatz wechseln. Ganz kurios wirkt es auf manche dieser Jahrgänge, wenn Bewerbende sich noch in einem zweiten Job austoben. Getreu dem Motto: Deine Arbeitskraft gehört uns!

Anzeige
Anzeige

Während der Mythos der arbeitgebernachteiligen Nebenbeschäftigung sich allmählich in Wohlgefallen auflöst, bleibt das schlechte Image des Jobhoppings noch immer robust in den Köpfen vieler Führungskräfte haften. Die Stellenbörse Indeed hat im Rahmen einer Studie herausgefunden, dass Jobhopping in deutschen Firmen überhaupt nicht gerne gesehen wird. So hätten 72 Prozent der Vertreter dieser Unternehmen schon auf Einladungen zu Bewerbungsgesprächen verzichtet, wenn Kandidatinnen und Kandidaten in der Vergangenheit viele kurze Anstellungen hatten. 29 Prozent verschließen sich generell gegen Jobhopper. Die befragten Führungskräfte zählen dazu Berufstätige, bei denen insgesamt vier Jobs mit einer Dauer von bis zu sieben Monaten im Lebenslauf stehen. Ein weiteres Indiz, neben diesen handfesten Zahlen, liefert der immer wieder oft gehörte „gute Ratschlag“, dass ein Lebenslauf nur zwei Seiten lang sein soll. In einigen Karrieren nur schwer einhaltbar.

So geht Social Selling! Lerne in unserem Deep Dive, wie du mit linkedin-sales/">Linkedin als Sales-Tool zum Lead-Magneten wirst!

Anzeige
Anzeige

Polywork: Projekte anstatt Titel und Stationen

Polywork-Nutzerin Tessa stammt aus Singapur und hat mehr als zwei Jobs. (Screenshot: t3n)

Laut Peter Johnston verstärken auch Karrierenetzwerke wie Linkedin diese tradierten Sichtweisen, indem sie die Stationen ihrer Nutzerinnen und Nutzer lediglich im Rahmen linearer Zeitstränge darstellen. Der New Yorker mit britischen Wurzeln glaubt, dass diese Abbildung in sich geschlossener und kohärenter Lebensläufe heute nicht mehr der Arbeitsrealität vieler vor allem junger Menschen entspricht. Zum einen wechseln sie öfter und stehen dadurch systematisch schlechter gegenüber Personen dar, die sich lange an ein Unternehmen binden. Zum anderen spiegelt diese Darstellung nicht wieder, dass sie in mehreren Rollen und Positionen, nicht selten auch in anderen Organisationen, gleichzeitig arbeiten. Johnston hat deshalb ein eigenes Karrierenetzwerk geschaffen, das diese Umstände stärker adressieren soll. Polywork heißt das junge Startup, das bereits im Namen deutlich macht, worum es geht: „Poly“ kommt aus dem Griechischen und steht für „viel“, „mehr“ und „verschieden“.

Anzeige
Anzeige

„Im Kern basiert Polywork auf der Idee, dass Menschen mehr sind als die Etiketten.“

Wer sich auf dem Karrierenetzwerk umschaut, findet spannende Charaktere: Da wäre beispielsweise Tessa, ein britisch-singapurisches Model, das zudem als Content-Creatorin arbeitet. Oder Briaux, ein französischer Produktdesigner, der außerdem als Co-Gründer einer Agentur in Erscheinung tritt. Sie alle haben mindestens einen Job, meist mehr, und wollen deshalb lieber entlang ihrer Interessen, Fähigkeiten und Projekte gefunden werden anstatt ihrer bloßen Jobtitel. Das sei Peter Johnsten nach genau der Sinn des Netzwerks, wie er öffentlich in einem Beitrag auf Medium schreibt: „Im Kern basiert Polywork auf der Idee, dass Menschen mehr sind als die Etiketten, die die Gesellschaft ihnen auferlegt.“ Gemeint sind damit Berufsbezeichnungen oder Schulabschlüsse. Polywork sei weder Lebenslauf noch Visitenkarte, sondern ein Netzwerk, auf dem Nutzende „ihre persönlichen und beruflichen Aktivitäten teilen“ und darauf basierend „Kooperationsanfragen erhalten können“.

Auch Philipp Glöckler ist auf Polywork. Augenscheinlich zählt er als deutscher Nutzer zu einer noch eher kleinen Community, die hierzulande auf dem Netzwerk aktiv ist. Er selbst beschreibt sich auf seinem Profil unter anderem als Podcaster, Mentor, Networker, Speaker und Founder. „Ich mache gerne Sachen, die ich für sinnvoll erachte“, erklärt er dieses breite Portfolio im t3n-Gespräch und fügt hinzu: „Jobtitel sind etwas für Menschen, die in Großkonzernen eine Karriere machen möchten.“ Der Mann ist in der deutschen Tech-Szene kein unbekannter Kopf. Als Co-Host des Doppelgänger-Podcasts spricht er zusammen mit seinem namentlich sehr ähnlich klingenden Kompagnon Philipp Klöckner über Branchentrends. Das wird auch auf seinem Polywork-Profil sichtbar: eine Folge behandelt Private-Equity-ETFs, eine andere Startup-KPIs und wiederum andere Episoden thematisieren frische Neuigkeiten rundum Jungunternehmen wie Zooplus, Airbnb, Beyond Meat – und eben auch Polywork.

Anzeige
Anzeige

In dieser Rolle ist es für ihn wichtig als früher Anwender – oder „Early Adopter“ wie es in der Szene heißt – neu aufkommende Trends zu durchleuchten. „Polywork konzentriert sich auf die Zusammenarbeit und möchte genauer wissen, was Leute gerne machen würden und in der Lage sind zu leisten“, erklärt Philipp Glöckler im t3n-Gespräch. „Linkedin hat sich in den letzten Jahren nicht weiterentwickelt und ist aktuell eher zeitfressend.“ Dort würden Menschen lediglich ihren Lebenslauf zeigen. „Aber was hat eine Product-Managerin in dem aktuellen Tech-Unternehmen wirklich gemacht?“, fragt er. Die Antwort liefere das Netzwerk meist nicht, wenn, müsse er nachhaken. Glöckler wirkt überzeugt von Polywork. Er teilt sein Profil auch mit Freunden und Bekannten auf anderen Netzwerken wie Twitter und Linkedin. Auf letzterem Dienst schreibt er: „Ich verlasse Linkedin für ein paar Tage. Ihr könnt mich auf Polywork finden.” Menschen wie er, sind wichtig für die Betreiber. Sie kreieren Buzz.

Der Underdog Polywork macht vieles richtig

Was alle machen: Multiverse heißt der Newsfeed auf Polywork. (Screenshot: t3n)

Aktuell können Interessierte sich anmelden und somit auf eine Warteliste setzen lassen. Eine weitere Möglichkeit ist, von anderen Nutzerinnen und Nutzern mit Hilfe eines Invite-Codes auf die Überholspur gelotst zu werden (Anm. Red: „t3n-vip“ ist eure Eintrittskarte). Wer ihn bekommt, kann sofort loslegen. Das Vorgehen ist nicht unüblich, es ist sogar Kalkül. Auch andere Plattformen wie zuletzt Clubhouse haben so gearbeitet: Das Ziel ist zum einen, einen übermäßig hohen Ansturm zu vermeiden, der die technische Infrastruktur in die Knie zwingt. Zum anderen wird durch die künstliche Verknappung aber auch das Momentum der Plattform, also die Dauer der Bewegung, in die Länge gezogen und somit Exklusivität suggeriert. Neue und gut vernetzte Anwenderinnen und Anwender mit einer Stimme in ihren jeweiligen Szenen, so wie Glöckler einer ist, rücken schneller vor als Otto-Normalos. Die wiederrum sind angezogen von dem neuen großen Ding, auf dem sich die Promis tummeln. Ein kluger Schachzug.

„Die Aufgabe bleibt, sich weiter von Linkedin abzugrenzen.“

In den USA, wo Polywork seinen Hauptsitz hat, übernehmen diese Aufgabe inzwischen aber auch schon große Medien wie Forbes und The New Yorker. Berichten sie über den Arbeitsmarkttrend der schnellen Wechsel und vielen kleinen Nebenprojekte unter den Millennials und der Generation Z, kommen sie ohne den Hinweis auf das neue Karrierenetzwerk nicht mehr aus. Namhafte Investorinnen und Investoren springen derzeit auf die neue Aufmerksamkeitswelle auf und pumpen erste Millionen in die Geschäftsidee. Der berühmte Wagniskapitalgeber Andreessen Horowitz, auch A16z genannt, hat erst Anfang des Monats bekanntgeben, insgesamt 13 Millionen US-Dollar in das junge Unternehmen zu investieren. Die gesamte Investitionssumme beträgt derzeit 16,5 Millionen US-Dollar. Dieses Series-A-Funding ist wichtig für Polywork, genauso wie die Medienberichte in den USA. Die Aufgabe bleibt, sich weiter von Linkedin abzugrenzen.

Anzeige
Anzeige

Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Bislang können Nutzende ihre Profile und Projekte mit Schlagwörtern versehen, hinter denen Inhalte mit den gleichen Schlagwörtern verlinkt sind. Sie schreiben nicht, wer sie sind, sondern woran sie gerade arbeiten. Andere Menschen, die ähnliche Dinge tun, finden sich so im Newsfeed, der hier „Multiverse“ heißt, und vernetzen sich. Oberflächlich betrachtet ist Polywork somit eine Mischung aus Twitter mit Hashtags im Look and Feel eines bunteren Linkedins und einer About.me-Page. Der soziale Austausch steht im Vordergrund, doch auch hier können Nutzende ihre beruflichen Stationen im Profil aneinanderreihen – was sie auch tun. Für den große Mitbewerber Linkedin wäre es leicht, das bisherige Alleinstellungsmerkmal zu kopieren und den Fokus einfach umzudrehen: Newsfeed und Hashtags gibt es schon. Polywork könnte das gleiche Schicksal treffen, wie Clubhouse. Der Hype ist vorbei: Plattformen wie Twitter und Telegram haben den Dienst nachgebaut.

Was derzeit stark für Polywork spricht, ist jedoch die Tatsache, dass der Newsfeed auf Linkedin schon länger von immer mehr Nutzerinnen und Nutzer als Empörungsmaschine genutzt wird: Anstatt in Postings über berufliche Projekte zu informieren oder sich über Branchentrends auszutauschen, regen sich die Menschen zunehmend über das politische Geschehen in Deutschland und der Welt auf: das Coronavirus, der nahe Osten, das Klima – alles wichtige Themen, nur eben keine Inhalte eines Karrierenetzwerks. Unlängst ist die Rede von der „Facebookisierung“. Gemeint ist damit, dass Personen mit emotionalisierenden Themen auf Like-Fang gehen, somit Resonanz erzeugen und berufliche Inhalte im Newsfeed dadurch ins Hintertreffen geraten. Viele Menschen, die den beruflichen Austausch suchen, schreckt das inzwischen ab. Auf Polywork ist die Stimmung hingegen konstruktiv und auf den Job gerichtet. Hier gibt es keine Likes oder andere Belohnungssysteme, die Empörungswellen auslösen.

Polywork: Jünger, dynamischer, fokussierter

Polywork rückt Projekte anstatt Titel und Stationen in den Fokus. (Foto: Shutterstock-Gaudilab)

Philipp Glöckler kann von sich aus behaupten, dass die Zeit auf Polywork sich schon jetzt für ihn ausgezahlt hat: Er habe Anfragen von anderen Podcast-Hosts bekommen, die ihn als Gast in deren Shows interviewen möchten. Er habe aber auch schon andere Leute auf Basis derer Aktivitäten kontaktiert, die sie mit anderen Menschen geteilt haben. „Das wäre auf Linkedin wohl eher nicht passiert“, sagt er im t3n-Gespräch. Polywork spricht eine junge, dynamische und professionelle Community an, ist dabei unaufgeregt und setzt den Fokus darauf, was Nutzerinnen und Nutzer leisten anstatt darauf, wer sie sind. „Die Abschlüsse von ein paar renommierten Universitäten und wenige Jobtitel werden auch in Zukunft einen Wert haben. Sie bilden aber nur ein Bruchteil des Arbeitsmarktes ab und haben nichts mit Chancengleichheit zu tun“, meint Phillip Glöckler abschließend. „Gute Leute sollten es in Zukunft einfacher haben, gute Jobs zu bekommen.“ Allein dabei unterstütze Polywork schon besser als Linkedin.

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
2 Kommentare
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Tom Brenner

Wie kann man denn einen Artikel über Millennials schreiben, aber dann nicht mal nachschauen, wie man es schreibt! Und so schwer ist das doch nicht:
Millennium kommt von mille = tausend, und annus = Jahr. Es bedeutet: Jahrtausend. Vergleiche: Anno Domini = im Jahre des Herrn.
annus = Jahr bitte nicht verwechseln mit anus = After (vgl. anal).
Also:
Millennials sind Personen der Jahrtausendwende (geboren oder aufgewachsen um das Jahr 2000).
Millenials sind tausendfache Arschlöcher. Die gibt’s auch, sind aber hier nicht gemeint.
Zur Strafe 100 Mal schreiben: millennium. Mehr Blamage geht nicht.

Antworten
Andreas Weck

Danke für den Hinweis. Hab ich tatsächlich falsch geschrieben und ist nicht aufgefallen. Hab ich korrigiert.

Gruß

Andreas

Antworten

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige