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Warum das, was wir gerade machen, eben kein Homeoffice ist

Alle reden derzeit vom Homeoffice. Dabei hat das provisorische Arbeiten im Kinderzimmer mit Ängsten um Gesundheit und Job mit dem ursprünglichen Modell des mobilen Arbeitens nichts zu tun. Was wir derzeit machen, ist etwas vollkommen anderes…

Von Alexandra Vollmer
4 Min. Lesezeit
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Wer pandemiebedingt zu Hause arbeitet, macht eben kein Homeoffice. (Foto: Yuganov Konstantin/Shutterstock)

„Ich sitze im Auto in meiner Garage, hier ist es wenigstens leise“, so ein Teilnehmer einer Telefonkonferenz, die Olaf Kapinski, IT-Führungskräfte Coach und Betreiber des „Leben Führen Podcast“, kürzlich mit seinen Kunden führte. Ein anderer entschuldigt sich für die Geräuschkulisse. Er arbeite im Zimmer seiner Tochter. „Was wir derzeit erleben, hat mit einem leistungsdienlichen Arbeitsumfeld nichts zu tun“, so Kapinski. Die Menschen seien von heute auf morgen dazu verdonnert worden, zu Hause statt an ihren gewohnten Arbeitsplätzen tätig zu werden. Doch die Tatsache, dass man jetzt zu Hause arbeite, bedeute nicht, dass man sich auch im Homeoffice befinde. „Wer im Kinderzimmer arbeitet, nebenbei den Fünfjährigen beschäftigen muss und mit einer grottigen Internetverbindung zu kämpfen hat, kann mir nicht erzählen, produktiv zu sein“, so der Coach. Doch genau diese Produktivität mache Homeoffice aus. Man suche sich bewusst das heimische Umfeld, um beispielsweise intensiv an einem Projekt zu arbeiten. Wenn er sich den aktuellen Zustand ansieht, spricht Kapinski lieber vom „Pandemie-Office“. „Das Pan-Office, in dem viele von uns derzeit festsitzen, ist ein absoluter Notnagel“, so Kapinski.

Hab’ ich morgen noch einen Job?

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Wer jetzt Pandemie-bedingt zu Hause arbeitet, sei einer enormen psychischen und physischen Belastung ausgesetzt. Die ganze Familie ist rund um die Uhr beisammen. Nicht nur, dass keiner fliehen kann und Konflikte vorprogrammiert sind. Auch die schlichte Menge an Menschen verteilt auf einen Raum verursache Stress. Hinzu kämen wirtschaftliche Ängste. „Die Ungewissheit, ob krisenbedingt Aufträge ausbleiben oder gar die komplette Firma in Gefahr gerät, ist eine hohe mentale Belastung“, so Kapinski. Das schlägt nicht nur auf die Stimmung. Unter diesen Umständen könne auch niemand befreit leisten.

Das war so nicht geplant

„Niemand von uns hatte die Situation auf dem Zettel“, ist Kapinski überzeugt. Dass Unternehmen ihre Mitarbeiter reihenweise nach Hause schicken, sei alles andere als geplant gewesen. Normales Homeoffice könne man steuern. So mache es bei einem Projekt beispielsweise Sinn, dass man sich für drei Tage aus dem Büro ausplane und die Arbeit im Homeoffice erledige. „In einem solchen Fall passt das Homeoffice in die Arbeit, in die Unternehmensprozesse – und es passt auch zu Hause“, so der Coach. In der aktuellen Situation passe jedoch gar nichts. „Die Leute versuchen, unter erschwerten Bedingungen noch irgendwie ihren Job zu machen“, meint Kapinski.

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Internet nur für den Hausgebrauch

Wer Homeoffice macht, ist vorbereitet. Ein VPN-Tunnel gewährleistet den Zugang zu Firmendaten. Der Arbeitsplatz ist amtlich, das Netz funktioniert verlässlich und die Prozesse stehen. Jetzt seien viele Arbeitnehmer an einem Punkt, an dem sie nach Hause geschickt werden, die Prozesse jedoch nicht darauf ausgelegt seien. „Zu diesem Zeitpunkt war nichts vorbereitet“, beschreibt Kapinski die Situation. Die technische Ausstattung sei mancherorts nicht vorhanden und müsse jetzt Schritt für Schritt nachgerüstet werden. Die Internetanschlüsse, die die meisten Mitarbeiter zu Hause hätten, wären oft für den Alltag ausgelegt und dafür sicher ausreichend. Doch jetzt stünden Videokonferenzen auf der Agenda. Oder ein Webinar müsse gestreamt werden. Das könne die Kapazität in den Haushalten schnell übersteigen. „Zumal nebenher noch der 12-Jährige die Lieblingsserie auf Netflix zieht“, so Kapinski.

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Das ist kein Beweis!

„Unter diesen Umständen greifen sämtliche Tipps, wie man optimal Homeoffice macht, ins Leere“, ist Kapinski überzeugt. Wie man am besten eine Kamera anbringt, um perfekt für den nächsten Videochat gerüstet zu sein, sei in den Pan-Offices überhaupt kein Thema. „Die Leute arbeiten am Esstisch oder im Schlafzimmer“, so Kapinski. „Ein suboptimaler Videochat ist ihr geringstes Problem.“ Auch diejenigen, die schon vor der Krise regelmäßig im Homeoffice gearbeitet haben, könnten diesen Zustand jetzt aufgrund der komplett anderen Rahmenbedingungen nicht mehr abrufen. Warum es so wichtig ist, zu realisieren, dass das, was wir gerade machen, eben kein Homeoffice ist? „Weil sonst möglicherweise in drei Monaten Äpfel mit Birnen verglichen werden“, so Kapinski. „Ich befürchte, dass Unternehmen den derzeitigen Zustand als beispielgebend für die grundsätzliche Eignung des Homeoffice-Modells heranziehen.“ Aussagen, wie: „Jetzt testen wir mal, was Homeoffice leisten kann“, zeigen, dass seine Sorge berechtigt ist. Niemand könne doch ernsthaft den jetzigen Fluchtzustand mit einem geplanten Engagement im Homeoffice gleichsetzen. Kapinski will, dass auch in drei Monaten noch ein Mitarbeiter zu seinem Chef gehen und Homeoffice beantragen kann. „Ohne, dass dieser abwinkt – mit den Worten, das habe doch im April schon nicht funktioniert.“

Hinweis in eigener Sache: In diesem Guide erklären wir, wie die Heimarbeit am besten funktioniert und worauf es für alle Beteiligten zu achten gilt. Wir geben dir Tools an die Hand, die Videokonferenzen möglich machen, und erklären, wie Arbeitsschritte für alle nachvollziehend dokumentiert werden können. Wir geben Workflows-Tipps und verraten die wichtigsten Verhaltensregeln? Hier entlang: Kostenloser Homeoffice-Guide: Produktiv daheim arbeiten!
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Mo

Mag sein, dass das auf die meisten derzeit zuhause arbeitenden zutrifft, die auch Kinder haben, ist jedoch für meinen Geschmack zu sehr pauschalisiert. Ich bin in meinem Büro zuhause besser ausgestattet als direkt am Arbeitsort, was Peripheriegeräte angeht (eine vollständige IDE in FullHD vs. QHD; mechanische Tastatur und ergonomische Maus; ohrumschließendes Headset). Hinzu kommt: hier ist die Internetverbindung um Welten besser, vielleicht auch, weil ich diese nicht mit 1000 Kolleginnen und Kollegen teilen muss. Natürlich nützt das der VPN-Verbindung nicht allzu viel, weil diese hier den Flaschenhals darstellt, und so kommt es doch vor, dass sich das ein oder andere Programm gerne mal eine oder mehrere Sekunden Denkpause gönnt. Aber zuhause klingelt nicht ständig das Telefon (was vermutlich auch daran liegt, dass gerade viele von zuhause arbeiten). So kann ich umfangreiche Aufgaben, bei denen ich nicht unbedingt auf andere angewiesen bin und die einfach abgearbeitet werden müssen, ungestört und am Ende schneller und effizienter abarbeiten, weil weniger Unterbrechungen.
Vielleicht ist es aber auch etwas anderes, weil mein Arbeitgeber die Arbeit zuhause generell nicht ablehnt und einige Kolleginnen und Kollegen (mich ausgenommen) dies bereits vor der Pandemie in Anspruch genommen haben. Für mich ist das Arbeiten zuhause aber definitiv eine gute Erfahrung, ich bin nicht weniger produktiv und hoffe, auch nach der Pandemie ein bis zwei Tage die Woche von zuhause aus arbeiten zu können.

Antworten
Olaf Kapinaki

Hi Mo

Wenn bei Dir Homeoffice ‚eh regulärer Arbeitsbestandteil ist, ist die jetzige Situation wahrscheinlich ähnlich. Für die meisten kommt aber selbst in so einem Setup jetzt ungeplant Kinder- und Ehegattenbetreuung zu, vielleicht auch eine gehörige Portion Arbeitsplatzverlustangst (was für ein Wort).

Überraschend viele haben aber eben das HO nicht vorbereitet. Da wird hoppla-die-hopp irgendwas gemacht, alles ist chaotisch und am Ende sagt dann irgendein Naseweis „Sehr ihr, Homeoffice funktioniert ja nicht“.

Darum geht es mir: Die wenigsten machen jetzt reguläres Homeoffice.
OLAF :)

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