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Kernfusion: Wir erklären die Hoffnung zukünftiger Energiegewinnung

Die Kernfusion ist nach dem am Dienstag verkündeten Durchbruch der US-amerikanischen Forschenden vom Livermore-Labor in aller Munde. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

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Durch Magnetfelder erreichen die Forscher höhere Temperaturen. (Bild: Shutterstock / Marko Aliaksandr)

Einem Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es am 5. Dezember nicht bloß gelungen, im National Ignition Facility des Lawrence Livermore National Laboratory im US-Bundesstaat Kalifornien eine Kernfusion zu triggern. Das gab es schon mehrfach.

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Neu war vielmehr, dass diese Fusion einen sogenannten Netto-Energiegewinn hervorgebracht hat. Das heißt, sie lieferte mehr als 50 Prozent mehr Energie an Output, als ihr über die 192 Lasereinheiten der Anlage von der Größe eines Sportstadions zugeführt worden war.

Kommerzielle Nutzung der Kernfusion nah wie nie

Das ist ein Meilenstein auf dem Weg zum kommerziellen Fusionsreaktor, denn logischerweise kann eine Energiequelle erst dann als Energiequelle bezeichnet werden, wenn sie tatsächlich mehr Energie liefert als sie selbst verbraucht – alles andere ist nur eine Nullnummer, wissenschaftlich korrekt als endotherme Fusionsreaktion bezeichnet.

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Schon seit fast 100 Jahren wird an der Kernfusion geforscht. Jetzt nähert sich die Technologie ihrem nutzbringenden Einsatz durch das Gelingen einer exothermen Fusionsreaktion mit Energieüberschuss. Grund genug, dass wir uns mit den wichtigsten Fragen zum Thema einmal befassen.

Was ist Kernfusion?

Während bei der bisherigen Nutzung von Kernenergie Atome gespalten werden, um Energie zu erzeugen, bezeichnet die Kernfusion den exakt umgekehrten Vorgang. Dabei werden zwei Atomkerne zu einem einzigen Kern verschmolzen.

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Diese Art der Energieerzeugung repräsentiert die Art und Weise, wie unsere Sonne und wohl alle anderen leuchtenden Sterne funktionieren. Um einen Eindruck von der Kraft der Kernfusion zu erhalten, lohnt sich daher ein Blick auf unsere Sonne.

Unsere Sonne hat keine Ähnlichkeit mit einem Planeten. Vielmehr handelt es sich bei ihr um eine Plasmakugel, die vornehmlich aus Wasserstoff besteht. Im Inneren der Sonne verschmelzen Wasserstoffkerne im Rahmen eines gigantischen Fusionsfeuers zu Helium.

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Dabei wird eine solche Masse an Energie freigesetzt, dass wir sie noch auf der Erde als Wärme und Licht wahrnehmen und nutzen können. Kein Wunder, dass Forschende diese Prozesse gern auf der Erde unter kontrollierten Bedingungen nachbauen würden.

Das ist auch grundsätzlich nicht unrealistisch, denn die erforderlichen „Brennstoffe“ haben wir auf der Erde im Überfluss zur Verfügung. Zumindest eine der beiden Wasserstoffsorten, die am leichtesten miteinander zu verschmelzen sind – nämlich das Deuterium -, können wir aus dem Meerwasser ziehen.

Die zweite Komponente, das radioaktive Gas Tritium, kommt zwar in der Natur nicht vor, es kann aber aus dem reichlich vorhandenen Lithium im Rahmen eines Vorprozesses zur eigentlichen Fusionsreaktion gebildet werden.

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Wie funktioniert die Kernfusion in der Sonne?

Um einen Eindruck von den Problemen zu bekommen, die wir auf der Erde lösen müssen, um eine sonnenähnliche oder überhaupt eine nennenswerte Fusionsreaktion auf der Erde zu erhalten, schauen wir kurz auf die Vorgänge in unserer Sonne.

Die verbrennt regelrecht. Pro Sekunde verschwinden vier Millionen Tonnen an Sonnenmasse. Sie werden direkt in Energie umgewandelt, was sich bei 15 Millionen Grad Celsius und bei einem Druck von 200 Milliarden Atmosphären vollzieht. Das klingt nach einem rasanten Verbrennungstempo, ist aber in galaktischen Dimensionen relativ langsam.

So wurde seit der Entstehung der Sonne vor rund 4,6 Milliarden Jahren erst ein Zehntausendstel ihrer Masse verbrannt. Es ist also noch eine ganze Menge Energie für künftige Milliarden von Jahren übrig.

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Das dürfte Menschen allerdings nur noch rund eine Milliarde Jahre interessieren. Denn ein neues Computermodell legt die Vermutung nahe, dass die sich stetig ausbreitende Sonne bis dahin so heiß geworden sein wird, dass alles Wasser von der Erdoberfläche verdampfen muss.

Wie funktioniert die Kernfusion auf der Erde?

Der Druck, unter dem sich die Fusionsreaktoren in der Sonne vollziehen, ist auf der Erde nicht zu reproduzieren. Deshalb arbeitet die Fusionsforschung an einer Lösung, die mit 100 Millionen Grad aber nur wenigen Bar Druck arbeiten soll.

Gezielt werden die Wasserstoffe Deuterium und Tritium eingesetzt, von denen bekannt ist, dass sie sich am leichtesten verschmelzen lassen. Die Fusionsreaktionen müssen dabei dauerhaft ablaufen und immer wieder neu getriggert werden. Kettenreaktionen gibt es bei Fusionen, anders als bei Kernspaltung, nicht.

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Deshalb kommt ein sehr dünnes ionisiertes Gas als Plasma zum Einsatz, weil es sich besonders leicht auf Temperatur bringen lässt. Dennoch sind große Mengen an Energie erforderlich, um das Gas auf die Betriebstemperatur zu erhitzen, die für den Start der Fusionsreaktionen benötigt wird.

Das ergibt natürlich nur Sinn, wenn die Reaktionen selbst dann im Output deutlich mehr Energie erzeugen. Nach aktuellem Kenntnisstand könnte mit einem Gramm des Fusionsbrennstoffs soviel Energie erzeugt werden wie mit der Verbrennung von elf Tonnen Kohle. Das ist offensichtlich ein sehr ergiebiges Konzept.

Wie weit ist das Konzept des kommerziellen Fusionskraftwerks?

Aktuell wird in Südfrankreich der internationale Experimentalreaktor Iter aufgebaut. Darin soll nachgewiesen werden, dass ein energielieferndes Plasma möglich ist. Gelingt das, soll eine „Demo“ genannte Anlage entstehen, die bereits teilkommerziell ausgerichtet wäre.

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Aktuell gehen Experten davon aus, dass die ersten echten kommerziellen Fusionsreaktoren ab der Mitte des Jahrhunderts ans Netz gehen könnten. Nach wie vor sind jedoch viele physikalische Grundanforderungen noch nicht zur Zufriedenheit umgesetzt.

Dabei geht es in der Mehrzahl der Probleme um die zu erwartende Wärme und ihre Auswirkungen. Klar scheint, dass die Ergiebigkeit des Fusionsreaktors mit zunehmender Hitze im Reaktor und in dessen Umfeld zunimmt. Es müssen also Materialien her, die das im Dauerbetrieb auch aushalten können.

Was erzeugt der Kernfusionsreaktor konkret?

Ähnlich wie bei der Kernspaltung sind auch Fusionsreaktoren dazu ausgelegt, Wasser oder Gas zu erhitzen und mit dem dabei entstehenden Druck Turbinen anzutreiben, die dann ihrerseits Strom erzeugen.

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Ist die Kernfusion radioaktiv, entstehen Abfälle?

Ja und ja. In Abhängigkeit von der Aktivierbarkeit der Materialien, die im Fusionsreaktor verwendet werden, entsteht mehr oder weniger radioaktiver Abfall. Ein Schwerpunkt der Forschung liegt daher auf der Entwicklung niedrig-aktivierbarer Materialien.

Wenn wir von der realistischen Erwartung ausgehen, dass ein Fusionskraftwerk etwa 30 Jahre lang Energie produzieren kann, errechnet sich ein radioaktiver Abfall in einer Größenordnung von zwischen 60.000 und 160.000 Tonnen.

Anders als bei Material aus der Kernspaltung muss dieses aber nicht auf Hunderttausende Jahre endgelagert werden. Vielmehr reichen deutlich kürzere Lagerzeiten aus.

Je nach Reaktor und verwendetem Material können schon nach etwa 50 Jahren 30 bis 40 Prozent des Fusionsabfalls als unbedenklich freigegeben werden. Nach weiteren 50 Jahren steht auch der Rest zur Verfügung und könnte etwa per Recycling zur erneuten Verwendung in Fusionsreaktoren gebracht werden.

Nach dieser sogenannten Abklingzeit ist die verbleibende Radioaktivität vergleichbar mit dem Gefährdungspotenzial der gesamten Kohleasche aus einem Kohlekraftwerk. Die enthält immerhin ebenfalls stets natürliche radioaktive Stoffe.

Kann die Kernfusion Katastrophen wie in Fukushima auslösen?

Nein. Natürlich können Unfälle nie vollends ausgeschlossen werden, die Kernfusion ist dabei aber eine wesentlich sicherere Technologie als die Kernspaltung. Während letztere unkontrollierbare Kettenreaktionen auslösen kann, die letztlich den Schutzbunker des Reaktors zerstören und Radioaktivität in die Umwelt ausleiten würden, ist das bei Fusionsreaktoren konstruktionsbedingt auszuschließen.

In der Brennkammer befindet sich im konkreten Zeitpunkt immer nur soviel Material, wie gerade verbrannt wird – anders beim Kernreaktor, in dem die kompletten Brennstäbe sitzen. Beim Fusionsreaktor bedeutet das etwa die Anwesenheit von einem Gramm Brennstoff in einer Kammer von rund 1.000 Kubikmetern.

Kommt es dennoch zu einer Exposition, also einer Strahlenbelastung, so liegt die bei rund einem Prozent der Belastung, der wir ohnehin tagtäglich ausgesetzt sind. Selbst bei einem größtmöglichen Unfall käme es nicht zur Erreichung von Schwellenwerten, die etwa eine Evakuierung nach sich ziehen müssten.

Sind Fusionskraftwerke umweltfreundlich?

Wind und Sonne sind natürlich umweltfreundlicher als die Kernfusion. Umweltfreundlich wird der Fusionsreaktor aber dennoch, wenn wir uns die Alternativen ansehen.

Kernreaktoren belasten die Erde auf viele Jahre mit hochgiftigen Abfällen. Kohlekraftwerke verpesten die Atemluft, ebenso wie Gas- und Ölkraftwerke. Fossile Energieträger sind überdies endlich.

Wind und Sonne sind nicht rund um die Uhr und auf der ganzen Welt verfügbar. Sie sind also Energieträger, die die sogenannte Grundlast nicht tragen können.

Die Frage der Grundlast veranlasst die meisten aufstrebenden Ökonomien unseres Globus dazu, mit steigender Tendenz auf Kohle zu setzen. Die Internationale Energieagentur erwartet in den kommenden 20 Jahren eine Zunahme der fossilen Energieerzeugung und das, obwohl die Welt bereits aktuell über 90 Prozent ihres Energieverbrauchs aus fossilen Quellen deckt.

Fusionsreaktoren arbeiten in der Energieerzeugung indes ebenso wie Kernreaktoren und sind dementsprechend grundlastfähig. Schreitet die Forschung weiter so rasant voran wie derzeit, könnten Fusionsreaktoren die übernächste Generation der Fossilkraftwerke ablösen.

Im Jahr 2100 könnte unter optimalen Bedingungen zwischen 20 und 30 Prozent des europäischen Energiebedarfs per Fusion hergestellt werden. Zudem können Fusionsreaktoren prinzipbedingt Wasserstoff erzeugen. Der könnte wiederum im Logistiksektor zum Einsatz kommen.

Also lautet die Antwort am Ende: Ja, Fusionskraftwerke sind umweltfreundlich.

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