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Kolumne
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Führt die KI-Explosion in den Roboter-Kommunismus?

Viel wird über die technischen Auswirkungen des Booms künstlicher Intelligenz (KI) diskutiert. Doch die KI-Explosion wird auch gesellschaftlich dramatische Folgen haben. Die Neuland-Kolumne.

Von Stephan Dörner
5 Min. Lesezeit
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(Grafik: Shutterstock/Zenzen)

Die beiden wichtigsten Branchentreffen von KI-Experten haben Oxford-Forscher dazu genutzt, die vortragenden Forscher auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz danach zu fragen, bis wann ihrer Meinung nach Maschinen Menschen in welchen Jobs verdrängt haben.

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Die Antworten gingen weit auseinander – und waren vor allem vom kulturellen Hintergrund der Experten abhängig: Gingen KI-Forscher aus Nordamerika davon aus, dass Computer erst in 70 Jahren alles besser können als Menschen, ist es nach Überzeugung asiatischer Forscher bereits in 30 Jahren soweit. In einem aber sind sich beide einig: Der Zeitpunkt, an dem künstliche Intelligenz so gut wie alles besser kann als der Mensch – vom Schreiben eines Bestseller-Buchs bis zur medizinischen Operation – wird kommen.

In der von KI-Experten prophezeiten Welt hat menschliche Arbeit keinen Wert mehr

Solche Prognosen über technische Entwicklungen weit in der Zukunft sind natürlich problematisch – und liegen möglicherweise völlig daneben. Wer sich mit der Geschichte der Zukunftsforschung beschäftigt, bemerkt schnell, dass sich die Zukunft selten etwas von den Zukunftsforschern hat vorschreiben lassen, die die Welt durch die jeweils von ihrer Zeit geprägten Brille gesehen haben. Doch die Explosion der Fähigkeiten künstlicher Intelligenz ist unbestreitbar – und derzeit spricht vieles dafür, dass sich der Fortschritt der selbstlernenden Algorithmen eher noch beschleunigt als abflaut.

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Was also bedeutet es für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, wenn die KI-Experten recht haben und früher oder später jede aktuelle menschliche Tätigkeit besser von einer Maschine erledigt werden kann als von einem beliebigen Menschen? Nach allen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten würde damit der in Geld bemessene Wert jeder menschlichen Arbeit auf nahe null oder null fallen.

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Allerdings trifft es nicht alle Berufe gleichzeitig. Geringqualifizierte in der westlichen Welt bemerken die Auswirkungen der Robotertechnik und Automatisierung auf den Arbeitsmarkt schon seit Anfang der 1970er Jahre: Dort hat sich eine stabile Sockelarbeitslosigkeit gebildet, der Lohndruck ist hoch und Gewinne der Unternehmen haben sich völlig von der Lohnentwicklung abgekoppelt, die in nicht wenigen Branchen stagniert oder sogar negativ ist.

Als nächstes könnten die Jobs der Mittelschicht Opfer der KI werden

So lange diese Entwicklung weitergeht, wird der Arbeitsmarkt zunächst von unten durch Maschinen aufgerollt: Nach den Geringqualifizierten könnte es also als nächstes die Jobs der Mittelschicht treffen, bei denen sich durch intelligente Software der Lohndruck erhöht. Wenn es die Mitte der Gesellschaft trifft, dürfte das auch den Druck zu Reformen des wirtschaftlichen Systems erhöhen.

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Spätestens aber wenn der Wert der menschlichen Arbeit insgesamt durch den technologischen Fortschritt tatsächlich auf null reduziert würde, müsste es zu einem Systembruch kommen. Das System der Marktwirtschaft mit über Angebot und Nachfrage ermittelten Preisen hat für ein historisch einmalig hohes Niveau der Wertschöpfung, Innovationen und eine Wohlstandsexplosion gesorgt, von der alle profitiert haben. In einer Welt aber, in der der Wert menschlicher Arbeitskraft auf null sinkt, fehlt in einer reinen Marktwirtschaft ein Mechanismus zur Verteilung des Wohlstands, da dieser nicht mehr über Arbeit erreicht werden kann.

Es ist schwer vorherzusagen, wie dieser Systembruch aussehen könnte – dafür gibt es heute zu viele Unbekannten über die Welt von morgen, in der KI möglicherweise tatsächlich so weit entwickelt ist, dass sie menschliche Arbeit insgesamt verdrängt. Möglicherweise könnte die massive weitere Verschiebung der Wertschöpfung weg von Menschen hin zu Maschinen sozialistischen Konzepten neuen Auftrieb geben. In London hat sich bereits die Gruppe Fully Automated Luxury Communism (Falc) gegründet, die eine Welt des Luxus-Kommunismus predigt, in der Automatisierung für Wohlstand sorgt.

Axel-Springer-Vize Christoph Keese, der sich intensiv mit dem Silicon Valley beschäftigt hat, sagte einmal im Interview mit der orthodox-sozialistischen Tageszeitung Junge Welt: „Es könnte tatsächlich sein, dass die sozialistische Planwirtschaft an der damals noch nicht vorhandenen Technologie gescheitert ist und dass eine neue Planwirtschaft unter digitalen Vorzeichen möglich wäre. Die Cloud und das Internet sind die besten Instrumente dafür.“

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Keese argumentiert damit ganz marxistischer Tradition: Schon Karl Marx, Mitbegründer der kommunistischen Bewegung, ging davon aus, dass die Entwicklung der Produktivkräfte – so die marxistische Terminologie – ein gewisses Niveau erreicht haben muss, um den Sozialismus zu ermöglichen. Deshalb ging er auch davon aus, dass die sozialistische Revolution eher in hochentwickelten Ländern wie Großbritannien und Deutschland bevorsteht als in einem damals wirtschaftlich rückständigen Land wie Russland.

Aufmerksamkeit als neue Währung?

Vielleicht ist sogar die Verteilung materiellen Wohlstands in einer Welt der KI auf menschlichem Niveau ohnehin zweitrangig geworden, weil dieser im Überfluss vorhanden ist. Als Ökonomie der Aufmerksamkeit wird ein Konzept bezeichnet, bei dem Wirtschaftsforscher davon ausgehen, dass in Zukunft menschliche Aufmerksamkeit statt materieller Ressourcen das knappe Gut ist, um das Menschen konkurrieren. Die möglicherweise größere und existentiellere gesellschaftliche Herausforderung liegt daher vielleicht in der Suche nach der Antwort auf die Frage, welche Funktion und welchen Sinn der Mensch überhaupt noch für sich sieht in einer Welt, in der Maschinen alles besser können.

Die Geschichte der menschlichen Zivilisation lässt sich nämlich auch als eine Geschichte von Kränkungen des menschlichen Egos lesen: Erst entreißt Galileo Galilei dem Menschen die Illusion, mit der Erde im Mittelpunkt des Universums zu stehen. Dann macht Charles Darwin deutlich, dass der Mensch auch nichts anderes als ein hochentwickeltes Tier ist. Die KI könnte den Menschen als nächstes auch noch den Titel als „Krone der Schöpfung“ streitig machen, sobald sie in der Lage ist, generelle Problemstellungen besser zu lösen als Menschen statt wie bisher nur spezielle Aufgaben.

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Auch die sozialen Verhältnisse unter den Menschen stünden vor großen Herausforderungen: Wird es noch Stars geben, wenn Computer die besseren Popsongs kreieren? Für was bewundern wir andere Menschen und für was bekommen wir soziale Anerkennung? Das Verlangen danach ist immerhin fest in Menschen verankert.

Manch einem mag eine Welt der Gleichheit unter den Menschen, weil Maschinen ohnehin alles besser können, als eine Art Utopie erscheinen. Die Geschichte der Menschheit deutet aber darauf hin, dass Menschen immer bestrebt sein werden sich zu differenzieren. Wird Aussehen noch wichtiger? Beliebtheit? Wird Handgemachtes eine Renaissance erleben? Wie können sich Menschen voneinander absetzen, wenn Maschinen alles besser können?

Vielleicht müssen wir uns diese Fragen niemals stellen, weil es immer Aufgaben geben wird, die Menschen besser erledigen als Maschinen. Vielleicht bekommen auch soziale Aufgaben endlich die Wertschätzung, die sie verdienen, weil keine Maschine menschliche Zuneigung ersetzen kann.

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Die Verheißungen der KI erinnern an das Internet von 1995

Wie so häufig bei technologischen Entwicklungen spricht vieles dafür, dass die weitere Entwicklung der KI zunächst viele enttäuschen wird – sie dann jedoch gewaltig an Fahrt aufnimmt. So verhält es sich mit fast jedem technologischen Hype. KI ist technologisch vielleicht in etwa dort, wo das Internet 1995 war: Die Verheißungen sind groß, doch die Technik steckt noch in den Kinderschuhen.

Die fundamentalsten Auswirkungen des Internets erleben wir erst, seit es durch Smartphones immer und überall verfügbar ist – und dadurch beispielsweise mit Apps wie Uber nach Handel und Medien weitere Branchen komplett umkrempelt. Eine Zukunft, in der Maschinen in der Lage sind, Menschen tatsächlich in so gut wie allen Bereichen abzulösen, mag daher noch für lange Zeit sehr fern scheinen – der Punkt, an dem es dann soweit ist, kann dann aber schnell und unverhofft kommen. Von daher lohnt es sich frühzeitig in die Debatte einzusteigen, was die KI-Revolution für unsere Gesellschaft bedeuten könnte.

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4 Kommentare
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In dem Moment, wo der Mensch sich selbst auf das Maschinelle beschränkt hat, wird er von den Maschinen überholt und dann spielt es auch gar keine Rolle mehr und ist kein Verlust, denn wir haben es in diesem Fall nur mit zwei verschiedenen Maschinenarten zu tun.
Vielleicht aber entdecken einige Menschen, dass sie sich aus der Matrix ihres Verstandes, der nämlich die Maschine im Menschen ist und diese so dann nach außen entstehen läßt, also aus diesem engen 3D-Gefängnis, welches leibgebunden ist, befreien können.
Wenn nicht, unterscheiden sich auch tatsächlich die Bestseller nicht mehr, außer: das Maschinen so etwas wahrscheinlich nicht kaufen ;-)

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lrrm

Selten so einen lustigen Artikel gelesen. Da glauben doch glatt irgendwelche Menschen sie könnten das Intelligenzproblem lösen. Drollig.

Um im Bilde von Phänomen biologischen Lebens zu bleiben: die KIs sind nichts als Treiber der Ökonomie, denn das ist ihr Ökosystem. Sie sind so intelligent wie Proteine und werden es vermutlich in den nächsten 100 Jahren kaum auf das Niveau einer Kieselalge bringen. Heißt nicht, dass die Kieselalge unwichtig wäre. Im Gegenteil.

Antworten
Ms. Peabody

Zitat:
„KI ist technologisch vielleicht in etwa dort, wo das Internet 1995 war: Die Verheißungen sind groß, doch die Technik steckt noch in den Kinderschuhen.“

>> Also ich finde, das Internet steckt immer noch in den Kinderschuhen!!
Es gibt so viele Webseiten, die von hässlichen Werbebannern komplett zugemüllt sind…

Und die Kommunikation, wie sie über das Internet geführt wird ist auch noch absolut rudimentär.
Was dadurch noch schwieriger wird, dass über zig Kanäle Content rausgehauen wird.

Noch ein Zitat:
„Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.“

Antworten
Bernhard

Was die ganzen Prognosen zum Thema AI leider ausblenden ist: beim Stand der „Intelligenz“ hat sich seit den 1970er Jahren faktisch nichts getan. Schneller rechnen und mehr Daten verarbeiten: definitiv. Machine Learning: beeindruckend wenn es darum geht Muster zu finden und komplexeres Verhalten zu simulieren. Klüger? Definitiv nein. Intelligenz? Eher in 100 Jahren nicht. Selbst Bakterien bringen schon komlexeres Verhalten zu Stande als heutige „AI“ Software. Und nichts in der aktuell Entwicklung deutet darauf hin das sich dies in den nächsten 10 Jahren ändern wird.

Ich glaube auch das viele Berufe einfach überflüssig werden. Zum Beispiel Lastwagenfahrer. Oder Aufzugsführer (Oh, Moment: die sind ja schon weg). Solange die Software aber nicht an die wirklich gutbezahlten Jobs wie Anwälte, Steuerberater und Immobilienmakler ran kommt sehe ich erstmal wenig Chancen für einen gesellschaftlichen Wandel.

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