KI-Konkurrenz aus China: Diese vier Startups solltest du dir merken

Deepseek auf einem Handy.
(Bild: Shutterstock/Tada Images)
Der jüngste kometenhafte Aufstieg von Deepseek – jenem chinesischen KI-Startup, das mittlerweile die globalen Giganten herausfordert – hat Marktbeobachter verblüfft und Chinas aufstrebenden KI-Sektor ins Scheinwerferlicht gerückt. Denn jetzt wird klar: Seit dem Debüt von ChatGPT im Herbst 2022 ist das Tech-Ökosystem der Volksrepublik mit Macht auf der Suche nach heimischen Alternativen, was zu einer Welle von Neugründungen und Milliardeninvestitionen geführt hat.
Auf den ersten Blick wird dieses Rennen von chinesischen Internet-Giganten wie Alibaba oder Tiktok-Mutter ByteDance dominiert, neben gut finanzierten Konkurrenten, die von schwergewichtigen Investoren unterstützt werden. Doch zwei Jahre nach Beginn des Booms der generativen KI auch in China zeichnet sich eine Verschiebung ab: Kleinere innovative Firmen suchen sich ihre eigenen Nischen, um nicht zu riskieren, den Anschluss zu verlieren. Was als Sprint begann, hat sich, wie schon im Westen, zu einem Marathon mit hohen Einsätzen entwickelt – und Chinas KI-Ambitionen waren noch nie so hoch.
Eine Gruppe von Unternehmen, die als die „sechs Tiger“ bekannt sind, wird allgemein als Vorreiter des chinesischen KI-Sektors angesehen. Ihre Namen lauten Stepfun, Zhipu, Minimax, Moonshot, 01.AI und Baichuan. Daneben gewinnen aber auch eher forschungsorientierte Startups wie Deepseek und Modelbest immer mehr an Einfluss. Andere, wie Minimax und Moonshot, verzichten auf das kostspielige Training von Basismodellen und konzentrieren sich auf die Entwicklung von Anwendungen für Endkunden, die auf den Modellen anderer aufbauen. Stepfun und Infinigence AI verstärken ihre Bemühungen um eigene Technologien mit neuen Ansätzen, was teilweise auf die Beschränkungen für US-Halbleiter zurückzuführen ist, die ein schnelles Training bislang erst möglich machen. Im Folgenden berichten wir von vier chinesischen KI-Unternehmen, die besonders interessant sind – und auch für Europa und die USA Bedeutung gewinnen könnten. Zusätzlich gibt es noch einige lobende Erwähnungen, die ebenfalls spannend sind.
Stepfun
Stepfun wurde im April 2023 von einem ehemaligen Senior Vice President von Microsoft, Jiang Daxin, gegründet und tauchte erst relativ spät in der örtlichen KI-Startup-Szene auf. Die Firma hat sich aber dank eines Portfolios an Grundmodellen schnell zu einem Wettbewerber entwickelt. Stepfun hat sich auch der Entwicklung einer Künstlichen Allgemeinen Intelligenz (AGI) verschrieben, ein Ziel, das viele chinesische Start-ups mittlerweile sogar aufgegeben haben.
Mit Unterstützung von Investoren wie Tencent und der Finanzierung durch die Regierung von Shanghai hat das Unternehmen im vergangenen Jahr elf sogenannte Foundational Models veröffentlicht, die Sprach-, Bild-, Video-, Audio- und multimodale Systeme umfassen. Sein bisher größtes Sprachmodell, Step-2, hat über eine Billion Parameter (GPT-4 hat etwa 1,8 Billionen). Auf LiveBench, einer KI-Benchmark-Website, die die Fähigkeiten großer Sprachmodelle bewertet, liegt es derzeit hinter ChatGPT, Deepseek, Claude und den Modellen von Gemini.
Das multimodale Modell von Stepfun, Step-1V, wird wiederum auch auf Chatbot Arena, einer Crowdsourcing-Plattform, auf der Benutzer:innen die Leistung von KI-Modellen vergleichen und bewerten können, für seine Fähigkeit, visuelle Eingaben zu verstehen, hoch bewertet.
Das Unternehmen arbeitet nun mit Entwickler:innen von KI-Anwendungen zusammen, die auf seinen Modellen aufbauen. Laut dem chinesischen Medienunternehmen 36Kr stieg die Nachfrage externer Entwickler:innen nach der multimodalen API von Stepfun in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 um das 45-fache.
Modelbest
Forscher der renommierten Tsinghua-Universität gründeten Modelbest im Jahr 2022 im Pekinger Stadtteil Haidian. Seitdem hat sich das Unternehmen durch effiziente Technologien im Rahmen des allgemeinen Trends zu kleinen Sprachmodellen ausgezeichnet. Seine MiniCPM-Serie – in China als „kleine Kraftpakete“ bezeichnet – ist für die KI-Echtzeitverarbeitung auf Smartphones, PCs, in Autos, Smart-Home-Geräten und sogar Robotern konzipiert. Das Unternehmen wirbt bei seinen Kund:innen damit, dass diese Kombination aus kleineren Modellen und lokaler Datenverarbeitung die Kosten senkt und den Schutz der Privatsphäre verbessert.
Das neueste Modell von Modelbest, MiniCPM 3.0, hat nur vier Milliarden Parameter, erreicht aber bei verschiedenen Benchmarks die Leistung des alten GPT-3.5. Auf GitHub und Hugging Face sind die Modelle des Unternehmens unter dem Profil von OpenBMB („Open Lab for Big Model Base“), dem Open-Source-Forschungslabor des Startups, zu finden.
Investoren sind längst auf Modelbest aufmerksam geworden: Im Dezember 2024 kündigte das Unternehmen eine neue, bereits dritte Finanzierungsrunde in Höhe von mehreren zehn Millionen US-Dollar an.
Zhipu AI
Das ebenfalls aus der Tsinghua-Universität hervorgegangene Unternehmen Zhipu AI hat sich zu einem Unternehmen mit engen Verbindungen zu den kommunistischen Behörden und den chinesischen Hochschulen entwickelt. Das Unternehmen baut sowohl Foundation Models als auch darauf basierende KI-Produkte – darunter ChatGLM, ein Konversationsmodell, und einen Videogenerator namens Ying, der dem Sora-System von OpenAI ähnelt.
GLM-4-Plus, das bisher fortschrittlichste große Sprachmodell des Unternehmens, soll auf Basis von hochwertigen synthetischen Daten trainiert werden, was die Trainingskosten senkt, aber dennoch von der Leistung her GPT-4 erreicht. Das Unternehmen hat außerdem GLM-4V-Plus entwickelt, ein Bildverarbeitungsmodell, das Websites und Videos interpretieren kann und einen Schritt in Richtung KI mit den berühmten agentischen Fähigkeiten darstellt, die in den USA gerade den letzten Hype bilden.
Unter den neueren chinesischen KI-Startups ist Zhipu AI das Erste, das auf dem Radar der US-Regierung erschien. Am 15. Januar überarbeitete die Trump-Vorgängerregierung ihre Exportkontrollvorschriften und nahm über 20 chinesische Unternehmen – darunter zehn Tochtergesellschaften von Zhipu AI – in die Liste mit Handelsbeschränkungen auf, die ihnen den Erhalt von US-Gütern sowie technologischen Verfahren aus Gründen des nationalen Interesses untersagt. Die USA behaupten etwa, die KI von Zhipu diene dem chinesischen Militär, was das Unternehmen bestreitet.
Mit einem Wert von über zwei Milliarden US-Dollar ist Zhipu derzeit eines der größten KI-Startups in China und plant Berichten zufolge bald einen Börsengang. Zu den Investoren des Unternehmens gehören der Regierung der Hauptstadt Peking angegliederte Fonds und verschiedene renommierte Risikokapitalgeber.
Infinigence AI
Infinigence AI wurde 2023 gegründet und ist kleiner als die anderen Unternehmen auf dieser Liste, obwohl es bisher 140 Millionen US-Dollar an Finanzmitteln erhalten hat. Das Unternehmen konzentriert sich auf die KI-Infrastruktur und nicht auf die Entwicklung von Modellen. Sein wichtigstes Verkaufsargument ist die Fähigkeit, Chips vieler verschiedener Hersteller erfolgreich zu kombinieren, um KI-Aufgaben auszuführen und so einen sogenannten „heterogenen Computing-Cluster“ zu bilden. Dies ist eine besondere Herausforderung für chinesische KI-Unternehmen aufgrund der erwähnten US-Sanktionen.
Infinigence AI behauptet bereits, dass sein System die Effektivität des KI-Trainings erhöhen könnte, indem es die Synchronisation verschiedener Chip-Architekturen – einschließlich verschiedener Hardware von AMD, Huawei und Nvidia – optimiert.
Ferner hat Infinigence AI seine sogenannte Infini-AI-Cloud-Plattform auf den Markt gebracht, die Produkte verschiedener Anbieter zur Entwicklung und Bereitstellung von Modellen kombiniert. Das Unternehmen teilt mit, es wolle damit eine effektive Lösung für die Computernutzung „mit chinesischen Merkmalen“ aufbauen, die auf KI-Training zugeschnitten ist. Es behauptet weiter, dass sein Trainingssystem HetHub die Trainingszeit für KI-Modelle um 30 Prozent reduzieren kann, indem es besagte heterogene Computing-Cluster optimiert, über die chinesische Unternehmen häufig verfügen.
Außerdem auf dem KI-Radar
Baichuan
Während viele seiner Konkurrenten nach Größenvorteilen und weitreichenden Anwendungsbereichen streben, konzentriert sich Baichuan AI, das im April 2023 von Branchenveteran Wang Xiaochuan (dem Gründer von Sogou) gegründet wurde, auf den chinesischen Inlandsmarkt und zielt auf Sektoren wie medizinische Hilfe und Gesundheitsversorgung ab.
Mit einer Bewertung von über zwei Milliarden US-Dollar nach der jüngsten Finanzierungsrunde gehört Baichuan derzeit zu den größten KI-Startups in China.
Minimax
Minimax wurde von dem KI-Veteranen Yan Junjie gegründet und ist vor allem für sein Produkt Talkie bekannt, einen weltweit verfügbaren Chatbot. Die Plattform bietet verschiedene Charaktere, mit denen Nutzer chatten können, um emotionale Unterstützung oder Unterhaltung zu erhalten, und hatte im vergangenen Jahr sogar mehr Downloads als die führende Chatbot-Plattform Character.ai.
Das chinesische Medienunternehmen 36Kr berichtet, dass Minimax im Jahr 2024 einen Umsatz von rund 70 Millionen US-Dollar erwirtschaftet hat und damit eines der erfolgreichsten chinesischen KI-Startups auf dem Weltmarkt ist.
Moonshot
Moonshot ist vor allem für die Entwicklung von Kimi bekannt, dem zweitbeliebtesten KI-Chatbot in China, gleich nach Doubao von ByteDance, der über 13 Millionen Nutzer hat. Kimi wurde 2023 auf den Markt gebracht und unterstützt Eingaben mit einer Länge von über 200.000 Zeichen, was ihn zu einer beliebten Wahl für Studenten, Angestellte und andere Personen macht, die routinemäßig mit langen Textstücken arbeiten müssen.
Moonshot wurde von Yang Zhilin, einem renommierten KI-Forscher, der an der Tsinghua University und der Carnegie Mellon University studiert hat, gegründet und wird von großen Technologieunternehmen, darunter Alibaba, und führenden Risikokapitalfirmen unterstützt. Das Unternehmen wird mit rund 3 Mrd. USD bewertet, muss aber Berichten zufolge seine Forschung am Gründungsmodell und seine Pläne für die Produktentwicklung in Übersee zurückschrauben, da wichtige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.