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Klima-Prognose: Erster „eisfreier“ Tag in der Arktis könnte schon im Spätsommer 2027 sein

Der Klimawandel und die Erderwärmung schreiten nirgendwo so stark voran wie in der Arktis. Bereits in zwei Jahren könnte der Ozean erstmals „eisfrei“ sein. Wobei der Begriff in der Wissenschaft nicht gänzlich ohne Eis bedeutet.

Von Hanns-J. Neubert
4 Min.
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Teile von Grönland sind auch Teil der Arktis. (Foto: Delpixel/Shutterstock)

Die Zeichen, dass der Zeitpunkt immer näher rückt, an dem der arktische Ozean eisfrei werden könnte, verdichten sich. Die neueste Abschätzung geht davon aus, dass Satellitenbilder schon 2027 einen ersten eisfreien Tag im nördlichen Polarmeer zeigen könnten – wenn es extrem schlecht läuft.

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Aber eisfrei heißt nicht völlig ohne Eis. Wenn das Meereis gerade noch die Fläche Ägyptens bedeckt, eine Million Quadratkilometer, gilt für Wissenschaftler:innen das Nordpolarmeer als eisfrei. Warum dieser Schwellenwert? Irgendwo in Küstennähe, in geschützten Buchten oder zwischen Inseln wird sich auch bei steigender Klimaerwärmung immer noch etwas Eis halten. Diese vereinzelten Ansammlungen werden dadurch berücksichtigt. Darüber hinaus ist diese Definition auch praktisch für die Klima- und Polarforschung, um Vergleiche und Vorhersagen über verschiedene Studien und Zeiträume hinweg konsistent durchführen zu können.

Klimawandel besonders in der Arktis

Nirgendwo erwärmt sich die Erde so schnell wie in der Arktis, nämlich dreimal schneller als der Planet als Ganzes.

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Das hat Folgen, die sich aufschaukeln: Die vom Eis befreite, dunkle Meeresoberfläche saugt mehr Wärme auf, weil die sogenannte Albedo, die Rückstrahlung der Sonnenwärme, des Eises fehlt. Das treibt die Erderwärmung weiter nach oben.

Mit dem schwindenden Eis verändern sich nicht nur die Lebensräume im hohen Norden drastisch. Auch das Wetter der gesamten nördlichen Hemisphäre dürfte in Richtung häufigere und stärkere Extreme mutieren. Denn eine wärmere Arktis schwächt den für die nördliche Halbkugel wetterbestimmenden Jetstream und ändert Meeresströmungen. Obendrein weckt eine eisfreie Arktis auch geopolitische Begehrlichkeiten mit entsprechenden Konflikten, weil es einfacher zu werden scheint, die dort vermuteten Bodenschätze auszubeuten.

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Kaum ein Meter Eisdicke in der Arktis

Céline Heuzé, Klimatologin an der Universität Göteborg, Schweden, konnte im vergangenen Sommer während einer Arktisexpedition im Nordpolarmeer messen, wie dünn das Eis dort inzwischen geworden ist. Während sie vor 20 Jahren rund um den Nordpol noch eine Eisdicke von zwei Metern oder mehr vorfand, waren es im Sommer 2024 im Durchschnitt kaum ein Meter. Im September, wenn die Eisfläche üblicherweise ihre geringste Ausdehnung hat, lagen im vergangenen Jahr nur 4,29 Millionen Quadratkilometer des Polarmeeres unter Eis – rund drei Millionen weniger als noch um 1980 herum.

Heuzé und ihre Kollegin Alexandra Jahn von der Universität von Colorado Boulder, USA, wollten jetzt wissen, wann wohl der erste eisfreie Tag im arktischen Ozean auftreten würde. „Der erste eisfreie Tag in der Arktis wird die Dinge nicht dramatisch verändern“, sagte Jahn. „Aber er würde zeigen, wie wir die natürliche Umwelt im arktischen Ozean durch Treibhausgasemissionen grundlegend verändert haben.“

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Klimawandel: Entscheidend ist die 1,5-Grad-Grenze

In einer Studie analysierten die beiden Wissenschaftlerinnen die Ergebnisse von über 300 Klimasimulationen. Die meisten der Modelle sagten voraus, dass der erste eisfreie Tag innerhalb von neun bis 20 Jahren nach 2023 eintreten könnte. Entscheidend ist dabei die 1,5-Grad-Grenze. Eisfreie Tage treten in allen Simulationen nämlich nur dann auf, wenn die globale Durchschnittstemperatur in mindestens fünf Jahren hintereinander über 1,5 Grad liegt.

Aber neun der Simulationen prognostizierten das Auftreten eines eisfreien Tages noch vor 2033, wobei der früheste eisfreie Tag im arktischen Ozean sogar bereits 2027 eintreten könnte.

„Wir haben so viele Simulationen wie möglich durchgeführt“

Das dürfte zuletzt vor mindestens 80.000 Jahren der Fall gewesen sein, als die ersten modernen Menschen begannen, aus Afrika auszuwandern und sich über Asien und Europa zu verbreiten.

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„Wir haben so viele Simulationen wie möglich durchgeführt und gezeigt, dass nach einer Erwärmung der Erde um 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit das Risiko eines eisfreien Tages im arktischen Ozean nicht mehr Null ist. Es nimmt drastisch zu, wenn sich das Klima weiter erwärmt“, erläuterte Jahn.

Dass es in zwei Jahren irgendwann Ende August, Anfang September einen eisfreien Tag in der Arktis geben könnte, ist ein Extremszenario – aber eben nicht unmöglich.

Mehrere Extreme müssten in der Arktis zusammenkommen

So ein Ereignis könnte durchaus auftreten, wenn mehrere Extremwetter-Ereignisse zufällig zusammentreffen. Sollte das Meereis beispielsweise durch einen vorangegangenen milden Herbst bereits dünner als üblich sein, kann eine zusätzliche winterliche Hitzewelle verhindern, dass das Meereis wächst. Eine Hitzewelle im arktischen Winter bedeutet Temperaturen von um die -20 Grad Celsius, zu wenig für massives Eiswachstum. Das Meereis wäre dann im folgenden Sommer so dünn und brüchig, dass ein starker Sturm die Meereisfläche aufbrechen könnte. Vereinzelte Eisschollen aber schmelzen schneller als eine geschlossene Eisdecke.

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„Diese Einzelereignisse haben sich in der Arktis bereits mehrfach ereignet, nur nicht in der richtigen Reihenfolge innerhalb derselben Jahreszeiten“, sagt Heuzé. „Das Risiko für die richtige Reihenfolge nimmt mit dem Klimawandel zu, wie unsere Ergebnisse zeigen.“

Ist eine eisfreie Arktis ein Kipppunkt im Klimawandel?

Ein eisfrei genanntes Nordmeer ist übrigens kein Kipppunkt. Denn die Eisfläche kann sich wieder erholen, wenn die Menschheit die Treibhausgasemissionen reduziert und damit die Erdtemperatur wieder senkt.

So macht denn Heuzé auch Mut, wie viele Klimaforscher:innen auch: „Es ist noch nicht zu spät, das arktische Meereis zu retten – wir müssen nur endlich unsere Treibhausgasemissionen reduzieren.“ Das „nur“ darf man sich dabei gern in Anführungsstrichen denken.

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