ChatGPT, Deepseek, Llama, Claude: Was KI-Chatbots zum Klimawandel zu sagen haben

Generative KI und Klimawandel: ChatGPT weiß, worum es geht, aber hat keine Lösungen (Foto: Shutterstock / Domenica Fornas)
Eine Auswertung von rund 1.500 Antworten der Chatbots Claude und ChatGPT durch Wissenschaftler:innen der University of British Columbia legt nahe, dass generative KI keine revolutionären oder innovativen Vorschläge für die Lösung der Klimakrise bietet. Vielmehr folgen die Empfehlungen der KI-Tools von Anthropic und OpenAI dem Status quo, grenzen bestimmte Personengruppen in ihren Überlegungen aus und stützen sich teilweise auf alte oder nicht mehr vorhandene Quellen.
Basis der von Hamish van der Hen und fünf Co-Autor:innen verfassten Studie „Does artificial intelligence bias perceptions of environmental challenges?“, die im Dezember 2024 in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters erschienen ist, sind Befragungen von jeweils zwei unterschiedlichen Versionen der Chatbots im Juli 2023.
Dazu wurden vierzehn Prompts zu verantwortlichen Akteur:innen, vulnerablen Gruppen und Lösungsansätzen entwickelt, die an neun Problembereichen durchexerziert wurden. Neben dem Klimawandel im Allgemeinen wurden die Tools auch zu anderen Herausforderungen wie Luftverschmutzung oder versauernde Ozeane befragt. Note: ausreichend bis mangelhaft.
Regierungen und Firmen tragen laut ChatGPT und Claude Hauptschuld an Umweltproblemen
In vielen Fällen fehlte etwa die Erwähnung von Frauen und People of Color bei den Gruppen, die von den Auswirkungen des Klimawandels stärker betroffen sein könnten. Hinweise auf den Beitrag von Investor:innen und Risikokapitalfirmen zur Klimakrise gibt es auch kaum. Selbst Individuen, die strukturell kaum Einfluss auf die Strategien von gewinnmaximierenden Unternehmen und deren Produkte haben, werden häufiger im Kontext der Klimakrise erwähnt als Kapitalgeber:innen.
Auch hinsichtlich technologischer Innovationen bleiben die Chatbots konservativ und vage. Schon existierende Lösungen wie Emissionssteuern oder Bildungsmaßnahmen werden weiter als sinnvoll empfohlen. Dazu kommen schlecht skalierende Technologien wie das Abscheiden und Speichern von CO₂ in Industrien wie Kohle und Gas. Einer Zusammenfassung des unabhängigen Thinktanks International Institute for Sustainable Development zufolge erzeugt das sogenannte CCS im Prozess mutmaßlich mehr Emissionen als eingefangen werden können und arbeitet mit minimaler Effizienz.
Radikale Ideen wie die der Degrowth-Bewegung, die laut des seit 2007 bestehenden Thinktank Research & Degrowth einen „mehrstufigen freiwilligen Weg zur Verringerung von Produktion und Verbrauch mit dem Ziel der ökologischen Nachhaltigkeit, des guten Lebens, der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit“ propagiert, wurden von keinem der Chatbots erwähnt.
Laut Forscher:innen: Chatbots verengen Blick auf die Klimakrise
Warum diese Auslassungen und konservativen Lösungsansätze schädlich sein können, erklären die Studienautor:innen selbst ausführlich. Da generative KI auch vermehrt von politischen und wirtschaftlichen Entscheider:innen genutzt werde, könnten diese durch die zu kurz greifenden und durch ihre Trainingsdaten bevorurteilten Tools einen falschen Eindruck davon bekommen, wie mit der Klimakrise am besten umzugehen sei. Konkret könnten Chatbots einen „gefährlichen Inkrementalismus“ befördern, obwohl die derzeitige Lage radikalere und tiefgreifende Änderungen erfordert.
Eine wichtige Einschränkung: Die Trainingsdaten sind bei 2023 veröffentlichten Versionen beliebter Chatbots nicht auf dem aktuellsten Stand, und die zugrundeliegenden Prozesse wurden gerade im vergangenen Jahr weiter geschärft und optimiert. Deswegen haben wir uns gefragt: Machen es aktuelle Open-Source-Lösungen wie Deepseek oder Llama also besser?
Llama springt auf den ChatGPT-Claude-Zug auf
Die vor vier Monaten aktualisierte Instruct-Version von Llama 3.2, die wir lokal ausgeführt und mit den Prompts der Forscher:innen zum Themenkomplex Klimawandel gefüttert haben, wirft ähnliche Ergebnisse wie ältere Tools aus. Zwar wird der menschengemachte Klimawandel nicht geleugnet, aber Belege und Quellen stammen in den seltensten Fällen aus wissenschaftlichen Quellen, die ein Peer-Review durchlaufen haben. Sowieso ist die Quellenlage durchwachsen: Manche zitierten Bücher oder Artikel haben andere Titel oder existieren nicht, manche sind weitaus älter als zehn Jahre.

So beschreibt Llama mögliche Transformationsprozesse zur Bekämpfung des Klimawandels… (Screenshot: t3n / Llama)
Auch im Prinzip korrekte Daten sind teilweise veraltet. Beispielsweise landet bei Llama bei der Frage, welches Land die meisten Emissionen ausstößt, China mit 25 Prozent an erster Stelle. Laut aktueller Daten von Carbon Brief ist die Volksrepublik mittlerweile für 31 Prozent verantwortlich.
Aus technischer Sicht wird etwa die schon erwähnte CO₂-Speicherung als erfolgreiche institutionelle Reform verkauft, bekannte Lösungen wie die Energiewende und E-Mobilität werden ohne konkrete Weiterentwicklungspläne aufgeführt. Wie bei ChatGPT und Claude fehlen alternative Ansätze und kleine, überschaubare Schritte werden größeren Sprüngen vorgezogen.
Deepseek überrascht mit alternativen Ideen
Das vermeintlich günstig entwickelte, aber definitiv kostenlose und leistungsfähige R1-Modell von Deepseek, das wir im Browser ausgeführt haben, überrascht mit seinen Aussagen. Trotz Zensur- und Vorurteilsverdacht ist das Modell gerade bei alternativen Lösungsvorschlägen das fortschrittlichste der vier. So werden Degrowth und Steady State Economies, Volkswirtschaften, die nicht physisch wachsen, sondern nachhaltigen Konsum weiterentwickeln, explizit erwähnt.
Ein weiterer interessanter Ansatz ist es, der Natur eigene Rechte einzuräumen, wie es beispielsweise Ecuador, Bolivien und Indien tun. Ohnehin weisen Deepseeks Antworten stark darauf hin, dass der Kampf gegen den Klimawandel institutionell und nicht individuell zu führen ist – eine Aussage, die sich mit wissenschaftlichem Konsens deckt. Und neben indigenen Bevölkerungen führt Deepseek im Unterschied zu anderen Modellen auch Frauen und People of Color als vom Klimawandel besonders betroffene Gruppen an.

…und so Deepseek. (Screenshot: t3n / Deepseek)
Allerdings hat auch Deepseek Schwächen. Wie bei allen anderen Modellen werden Publikationen westlicher Medien und Wissenschaftler:innen bevorzugt. Technologischen Lösungen wird trotz der Erwähnung alternativer Wirtschaftsmodelle mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Deepseek ist also längst nicht perfekt, traut sich aber mehr als die von den Forscher:innen und uns befragten Alternativen.
Beitrag von generativer KI zum Klimawandel fehlt bei allen Modellen
Das größte, aber am meisten zu erwartende Paradoxon: Wie generative KI, Training und Inferenz von Sprachmodellen, Betrieb und Kühlung von Rechenzentren das Weltklima beeinflusst und noch beeinflussen wird, erklärt keines der Tools bei keinem der genutzten Prompts. In Irland waren diese Rechenzentren laut des offiziellen Statistikamts beispielsweise schon für 20 Prozent des Stromverbrauchs verantwortlich – Tendenz steigend.
Wirklich mutige, konkrete Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels wird man bei den meisten Chatbots nicht finden. Das zeigt, dass generative KI keine wissenschaftliche, fachlich fundierte Beschäftigung mit wirklich existenziellen Fragen sein kann – und vielleicht auch in Zukunft nicht sein wird.
7 Games, die den Klimawandel spielbar machen: