Amazon Fresh: Kommt der Food-E-Commerce endlich in Fahrt?
Spezialanbieter für Tee, Gewürze oder Schokolade sind mit ihren Onlineshops in Deutschland schon recht erfolgreich. Die Supermarkt-Vollsortimenter fallen dagegen online kaum ins Gewicht. Das könnte sich mit dem Markteintritt von Amazon jetzt ändern.
Seit Wochen wurde spekuliert – nun hat AmazonFresh am 4. Mai mit der Auslieferung von Frischware und anderen Lebensmitteln begonnen. Geliefert werden von Montag bis Samstag Standard-Lebensmittel, Feinkost und Frische-Produkte wie Eier, Fleisch oder Gemüse. Die Kunden können aus 85.000 Produkten wählen. Zusätzlich seien gut 100 Produkte von kleinen lokalen Geschäften erhältlich. Wer bis 12 Uhr bestellt, bekommt ab 16 Uhr die Ware geliefert. Er kann ein Liefer-Zeitfenster von zwei Stunden angeben und muss sich dann bereit halten, die Ware in Empfang zu nehmen. Geliefert wird per DHL, nicht mit einem eigenen Lieferdienst. Die Post-Tochter hat mit Allyouneedfresh bereits Erfahrungen im Versand von Lebensmitteln gesammelt.
Lieferkosten für Online-Lebensmittel sind zu hoch
Damit ihr euch eure Lebensmittel liefern lassen könnt, müsst ihr allerdings AmazonFresh-Mitglied sein und in Berlin und Potsdam wohnen. Ihr zahlt also eine Amazon-Prime-Mitgliedschaft (69 Euro im Jahr) plus 9,99 Euro pro Monat zusätzlich für die AmazonFresh-Mitgliedschaft. Und wer nicht für über 40 Euro bestellt, muss auch noch zusätzlich Lieferkosten zahlen. Günstig wird der Lebensmitteleinkauf dadurch nicht.
Bringmeister (Edeka) und Rewe, die etablierten Supermärkte in Deutschland, werben derzeit fleißig um Kunden und bieten satte Rabatte von 15 bis 30 Prozent bei der ersten Lieferung. Eine Mitgliedschaft, um überhaupt bestellen zu dfürfen, braucht der Kunde hier nicht. Kaufland hat in Berlin ein eigenes Logistikzentrum aufgebaut, Hamburg soll folgen. Online-Bestellungen sind noch nicht möglich.
Food-E-Commerce macht in Deutschland nur 1,3 Prozent aus
Noch ist Food-Commerce in Deutschland mit 1,3 Prozent unbedeutend. Anders läuft es in Großbritannien und Frankreich: Nach Angaben der Beratungsfirma Kantar Worldpanel macht der Onlinehandel mit Lebensmitteln in Frankreich 5,4 Prozent vom gesamten Lebensmittelhandel aus. In Großbritannien sind es rund 7 Prozent. Doch auch in diesen beiden Ländern wird vor allem noch getestet.
CDiscount, der Lieferdienst des französischen Supermarktes Casino, fährt derzeit einen Testballon in dem Pariser Villenvorort Neuilly und einzelnen Stadtvierteln von Lyon, Marseille und Bordeaux. Ooshop, das zur französischen Supermarktkette Carrefour gehört, liefert in Frankreich ebenfalls nur in die Städte, nicht aufs Land. Ooshop hat drei Lager rund um Paris errichtet. Zudem ist der FE-Commerce-Anbieter in Lyon und Grenoble stationiert sowie in Annecy, Chambery, Nizza und Marseille. Anders als Amazon in Deutschland setzt Carrefour mit Ooshop auf eigene Kühlfahrzeuge. Ooshop kommt bereits auf 500.000 Bestellungen pro Jahr. Das Angebot umfasst 9000 Artikel, wovon 2000 auf die kühlpflichtigen Sortimente Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse sowie Molkereiprodukte entfallen sowie 600 auf Tiefkühlprodukte, wie das Logistikportal DVZ berichtet.
Im letzten Quartal 2016 hätten mehr als 4,5 Millionen französischen Haushalt (16 Prozent) Güter des täglichen Bedarfs über das Internet bestellt, verkündet Kantar weiter. Interessantes Detail am Rande: Die Franzosen bevorzugten auch im Lebensmittelhandel Click-und-Collect und holen die vorbestellte Ware in der Filiale ab. Vielleicht sind auch in Frankreich die hohen Lieferkosten für frische Ware abschreckend. Denn Ooshop verlangt beispielsweise bis 50 Euro Bestellwert 8 Euro Lieferkosten, bis 100 Euro Bestellwert immer noch 5 Euro und erst ab einem Warenwert ab 150 Euro ist die Lieferung kostenfrei.
Marks & Spencer will Food-E-Commerce im Herbst testen
Die Handelskette Marks & Spencer wiederum, die in Großbritannien 959 Läden betreibt – davon 615 reine Lebensmittelshops – plant für Herbst 2017 einen ersten Test mit der FE-Commerce-Lebensmittellieferung, wie die BBC berichtet. Marks & Spencer hat rund 7.000 Produkte im Sortiment. Zum Vergleich: Tesco wartet mit etwa 40.000 verschiedenen Artikeln auf. Dafür wirbt Marks & Spencer mit „Dine in Style“ und bemüht sich um ein bisschen Luxus im Lebensmittelmarkt. Baked Beans sind also weniger die Ware, die der Kunde dort ordert. Derzeit ist bei Marks & Spencer schon Click-und-Collect möglich.
AmazonFresh UK ist im Juni 2016 in London gestartet und liefert bis 23 Uhr in Chinatown, Hackney und Tower Hamlets – und konkurriert mit Tesco und Waitrose. Die Lieferkosten der Konkurrenz sind deutlich günstiger als bei AmazonFresh: Kunden des Loyalty-Programms von Tesco zahlen 30 Pfund (etwa 35 Euro) im Jahr für den Lieferdienst. Waitrose bietet Lieferungen nur ab Bestellungen von 60 Pfund (etwa 71 Euro) an – dann jedoch kostenlos.
Ich bestelle so etwas gelegentlich online. Allerdings eher selten, da die Preise sich eher nach dem teuersten lokalen Supermarkt und nicht gerade an Märkten im Mittelpreisbereich richten.
Als Vorteil sehe ich die Verfügbarkeit regionaler Produkte global in Deutschland. Ich kann mir z.B. per Allyouneed Saft von bayrischen Keltereien kaufen, der sonst nur um den Bereich des Warenlagers in Bayern verkauft werden würde (und hole mir damit ein Stück Heimat wieder nach Hause – zumindest für den Mund).
Ich sehe das Potenzial für den Markt ist da, und gerade Amazon prescht mit innovativen Ideen und deren Finanzierungskraft vor – hat damit also wieder einmal die Macht das Monopol zu bilden.
Mir als Käufer wäre es ziemlich egal woher, solange der Preis mit lokalen Märkten mithalten kann oder der Shop durch besondere und ursprünglich regionale Produkte (als überregionaler Vertriebs-„Helfer“ eines dann doch eher kleineren Marktes) hervorsticht.