Kostenlose Retouren im Onlinehandel abschaffen? Keine gute Idee!
Es ist eine dieser Meldungen, bei denen man weiß, dass das laute Nachdenken über etwas zu einem Nachdenken in der Branche führen soll. Kostenlose Rücksendungen, so war vergangene Woche überall zu lesen, seien nicht mehr zeitgemäß und angesichts der aktuellen Logistik- und Energiekosten auch nicht mehr rentabel für den Handel. Die Erkenntnis kam vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel BEVH – und somit von einer Instanz, die das Ohr an der Branche des deutschen Onlinehandels hat.
Dort murren und jammern einige größere und kleinere Händler seit vielen Jahren über die Kundinnen und Kunden, die im Handel so viel bestellen, dann nur anschauen, bestenfalls noch die Originalverpackung öffnen und das Ganze wieder zurückschicken. Nun mag man durchaus mit den Händlern konform gehen, wenn es um das leichtfertige Bestellen teurer Produkte geht, die dann mit entsprechenden Gebrauchsspuren zurückkommen und in vielen Fällen nicht mehr ohne Abschlag weiterverkauft werden können.
Retouren gehören zum Geschäftsmodell wie die Heizung in der Filiale
Doch insbesondere im Modehandel gehört es einfach dazu, dass man Waren anprobiert oder halt nur dieselben Produkte in unterschiedlichen Farben nachkauft, deren Passform man schon kennt. Die Retourenbehandlung gehört nun mal einfach zum Onlinehandel dazu – und sie nicht mehr kostenlos zu gestalten, verschiebt das Problem nur rechnerisch, weil es dadurch möglich wird, geringfügig günstigere Warenpreise zu nehmen und Dinge wie Versandkosten und Retourenversand extra zu erheben.
Das wäre ungefähr so, als würde der Präsenzhandel sich über die Mieten und die steigenden Heizkosten beschweren und dem Kunden oder der Kundin, die nur Sachen anprobieren und dann doch nichts kaufen, an der Kasse eine Wärmestubengebühr in Rechnung stellen.
Nachhaltigkeit als gutes Argument
Natürlich ist all das auch das übliche Säbelrasseln von wegen „Kunden, wisst Ihr eigentlich, wie viel das kostet?“ – doch es ist halt in manchen Branchen einfach beim besten Willen und der Bereitschaft zur Nachhaltigkeit mit den heutigen Informationen nicht treffsicher machbar, die passende Größe und Passform auf Anhieb zu finden.
Davon abgesehen gibt es genau zwei Dinge, die dazu beitragen können, dass Kund:innen gerade im Bereich Bekleidung und Schuhe treffsicherer bei der Größen- und Variantenauswahl agieren: indem die Ware besser als heute beschrieben und eine Größenempfehlung implementiert wird, die auch funktioniert. Denn „fällt größer aus, eine Nummer kleiner bestellen“ oder „fällt eng aus“ kann helfen – noch besser funktioniert aber die erfahrungsbasierte Markenzuordnung, wie sie Zalando in Zukunft noch intensiver anbieten will.
Doch der Onlinehandel hat in den letzten Monaten und Jahren ein Argument mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit bekommen, das die Kund:innen durchaus interessiert. Hierüber zu argumentieren und, wie dies einige tun, dem Kunden beim Retourenprozess online einen Gutschein anzubieten, wenn er nicht retourniert, ist durchaus ein Anreiz in die richtige Richtung. Doch so lange Onlinehändler aus einer Fünf-Produkte-Bestellung teilweise drei oder vier Pakete machen, wird es schwierig, mit den Kosten der Logistik und Verpackung zu argumentieren.
Großzügigkeit im Handel kommt an
Ansonsten gibt es da aber auch noch ein psychologisches Element: Händler, die in ihrem Shop großzügig agieren und beispielsweise 100 Tage Rücksendefrist anbieten, fahren damit relativ gut, so berichten Branchenexpert:innen, weil viele Kund:innen das dann entweder vergessen oder aber, auch wenn es nicht passt, in den Schrank packen, um es noch eine Freundin probieren zu lassen, bevor sie es dann zurückschicken wollen (was sie freilich ebenfalls nicht tun). Und Kunden, die wissen, dass sie unkompliziert und kostenlos zurückschicken können, bestellen deutlich mehr und machen somit auch mit den nicht retournierten Waren mehr Umsatz.
Also wenn Händler über das bereits übliche Maß (Stichwort Bestellungen unterhalb von 40 Euro Warenwert) Retouren kostenpflichtig machen wollen, ist das der falsche Weg und wird sich in geringeren Umsätzen niederschlagen. Denn wenn ich als Kunde oder Kundin die Wahl habe zwischen Großzügigkeit und Kleinlichkeit – wofür werde ich mich wohl entscheiden?
Wobei ich sagen muss, dass das Model von BestSecret eigentlich echt gut ist. Dort wird eine „Rücksendequote“ berechnet. Wenn deine Rücksendequote unter einem bestimmten Pronzentsatz bleibt, sind Versandkosten gratis. Bei einer zu hohen Rücksendequote muss man zahlen. MMn ein sehr gutes Model.
Gegenfrage: Wieso sollte ich das Restourenverhalten anderer mitfinanzieren, wenn ich selbst überlege und vorher prüfe, was bestellt wird. Unter meinen letzten 50 Bestellungen war eine Retoure (für Dritten bestellt, falsche Größe genannt bekommen). Habe bei dem Händler sogar für die Retoure bezahlt (war ein kleinerer Händler, irgendwo zwischen Amazon und Zalando).
Wieso sollte ich denn dafür mitzahlen, wenn sich der/die Bestellende nach monatelangem täglichen Konsum von Torte oder Bier einbildet, noch in eine Größe M zu passen (obwohl er pragmatisch gesehen in der L angekommen ist). Nein, stattdessen wird verzweifelt die M bestellt und dann gejammert, dass „der Schnitt ja viel zu eng ausfällt“ und das ganze zurück geschickt. Und ich darf dann das komplette mitfinanzieren (angefangen von Retourekosten, Retourenhandling und Preisabschläge (Marketplace..)).
Ist doch (ja, gedanklich weiter Sprung, anderes Thema) wie bei Billigfliegern: Wieso soll ich dafür mitbezahlen, dass jemand den halben Hausstand als Aufgabegepäck mitnimmt (mit realistischen Mehrkosten im Handling), während ich mich auf mein Handgepäck einschränke. Da geht es ja auch, dass alles über dem Basispaket (Person + Handgepäck irgendwie von A nach B) extra bezahlt werden muss.
Wenn ich den gleichen Artikel in zwei verschiedenen Farben bestelle und im Bund ein Unterschied von 7cm ist und auch die Hosenbeine bei den Hosen sich um 5cm unterscheiden – habe ich dann in den 2 Minuten zwischen dem Anprobieren der Hose meine Maße geändert ?
Ich verstehe das Murren und Knurren nicht. Ich darf mich doch nicht darüber wundern, wenn ich einen kostenlosen (Rück-)Versand anbiete, dass dieser auch rege genutzt wird. Wenn er nicht rentabel ist, dann darf ich ihn auch nicht anbieten. Ich sehe auch keine Möglichkeit, dieses Verhalten, insbesondere bei Kleidung, langfristig zu ändern. Kleidung ist ein analoges Gut … da kann ich meinen Körper und seine Maße noch so gut kennen. Jedes Kleidungsstück passt anders; auch wenn die richtige Größe gewählt wurde. Aber letztlich wird es der Markt, wie so oft, schon regeln.
Der Artikel ist sicher richtig, aber am Ende nicht ganz korrekt.
Erstens interessieren sich Händler nicht für Umsatz, sondern für Gewinn. Also bei weniger Retourekosten kann trotz Umsatzrückgang mehr Gewinn hängen bleiben.
Zweitens ist es für Vielbesteller transparenter, was kostet die Ware und was die Logistik. Auf diese Weise kommt der Effekt hinzu, wenn ich schon drei Euro für Porto zahle, dann soll sich das Paket auch lohnen und so bestellt man gleich ein paar andere Teile mit.
Der Vergleich mit der Heizung und dem Ladengeschäft mag auf den ersten Blick stimmen, aber es sind zwei komplett unterschiedliche Konzepte, die sich so nicht vergleichen lassen. Ärgerlich wird es doch, wenn der Kunde beide Vorteile für sich kombiniert, also die gute Beratung im Geschäft (wenn man sie denn findet) und die flexiblen und manchmal günstigeren Preise im Internet. Hier kann man die Schuld den Internetriesen geben, aber der Einzelhandel hat bis heute kaum bis gar nicht herausgestellt, warum er Relevanz für den Kunden hat.
Da merkt man leider, dass der Schreiber nie selbst mal in Händler Schuhen steckte. Sehr einseitige Sichtweise ..
– auf vielen Plattformen wird man als Verkäufer gezwungen, kostenlose Retouren anzubieten, freiwillig ist das schon lange nicht mehr. Dass du bei Otto und Co kostenlose Retouren genießen kannst liegt nicht daran, dass sie verstanden haben, das Retouren Teil des Geschäfts sind. Es liegt daran, dass diese Plattformen die Retourenkosten zu 100% auf ihren Sellern abwälzen, um sich den USP zu sichern
– es gibt durchaus noch andere Waren als Kleidung, in denen Retouren eine Rolle spielen. Viele Kunden bestellen sich z.B. Einrichtungsgegenstände in allen möglichen Farben, nur um zu schauen, was im Bad am besten aussieht. Hängen sich Wanddeko in unterschiedlichen Größen auf, nur um zu sehen was an der Wand besser passt. Bestellen ganze Produktfamilien um dann eins davon zu behalten. Die Liste ist endlos .. Ich möchte mal sehen, welcher Offline-Store das zuließe. Das online Kunden- und Retourenverhalten in Dtl. ist einfach unter aller S** – und es wurde und wird immer schlimmer.
– es werden Tonnen an Produkten einfach vernichtet, weil die Retouren so vom Kunden zerschunden wurden, dass sie nicht mal als B-Ware durchgehen. Der deutsche Kunde ist einfach viel zu verwöhnt durch die Kundenzentrierung großer Marktplätze, die ihrerseits alle Kosten auf den Verkäufern abladen. Und am Ende lassen sie sich auch noch die Vernichtung bezahlen. Das kann so nicht weitergehen ..
– die 1,95€ sind nichts im Vergleich dazu, was Retouren wirklich kosten. Es ist nur endlich mal eine Maßnahme, den deutschen Kunden wieder zur Vernunft zu bringen, sodass er sich mal wieder etwas verantwortungsvoller und solidarischer verhält.
Und es geht ja auch schlichtweg um das “weniger“: die Leute müssen einfach verstehen lernen, dass es nicht mehr okay ist, immer und überall alles haben zu können. Und es geht auch darum, einfach weniger Kleidung zu produzieren. Überangebote abschaffen! Bewusst konsumieren! Das schafft man nicht, wenn man quasi folgenlos alles Mögliche bestellen kann. Die Retoure ist am Ende ja eben nicht kostenlos, sondern bereits als Teil der Wertschöpfung und Umsätze eingepreist. Wie zuvor gesagt wurde: und ich zahle das für den Hersteller und andere Konsumenten mit, ob ich will oder nicht. Und das geht einfach nicht mehr. Daher: Retouren nicht nur kostenpflichtig, sondern auch teuer machen! Und sei es per Gesetz.