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Analyse

Ist eine Krankschreibung per Whatsapp wirklich legal?

Ein neuer Service, sich per Whatsapp krankschreiben zu lassen, sorgt aktuell für kontroverse Diskussionen. Derzeit hat der Dienst einige Tücken.

Von Enno Park
5 Min.
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Krankenschein per Whatsapp – ist das legal? (Foto: dpa)

AU-Schein.de funktioniert sehr einfach: Man wähle auf der entsprechenden Website zwischen einer Handvoll angezeigter Symptome, bezahle eine Gebühr von neun Euro mit Paypal, Kreditkarte oder Überweisung und sende die Zusammenfassung per Whatsapp an einen Arzt. Wer das morgens tut, soll „in der Regel“ am Abend eine Kopie einer offiziellen Krankschreibung erhalten – ebenfalls per Whatsapp. Das Original folgt wenige Tage später per Briefpost.

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Soweit die Theorie. In der Praxis hat es dann doch nicht ganz so reibungslos geklappt. Ermutigt vom Spruch „Arbeitest du dich noch krank oder AU-scheinst du schon?“ im Werbevideo und bewaffnet mit ein paar echten Erkältungssymptomen versuchte ich, mich für ein Wochenende krankschreiben zu lassen. Die Website präsentiert mir ein paar gängige Symptome wie „Nase verstopft“ oder „Schüttelfrost“ und fragt in einem zweiten Schritt, ob ich schwanger bin oder Fieber habe, um mich im Falle einer ernsthafteren Erkrankungen zu meinem Hausarzt zu schicken, statt mir die Krankschreibung einfach auszustellen. Außerdem kann ich wählen, ob ich einen, zwei oder fünf Tage krankgeschrieben werden will und bezahle anschließend.

An dieser Stelle zeigt sich, dass der Dienst zumindest vom UX-Design her mit heißer Nadel gestrickt ist. Hätte ich das Formular auf meinem Telefon ausgefüllt, würde sich direkt Whatsapp mit einer vorformulierten Nachricht öffnen, die ich nur noch versenden muss. Wer das auf einem PC oder Laptop versucht, muss hier nachhelfen und auf dem Smartphone manuell die Daten in Whatsapp eintippen und an den angegebenen Kontakt senden.

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Testkrankschreibung bleibt unbeantwortet

Eine erste, automatische Antwort kommt sofort, in der mir für meine Bestellung und mein Vertrauen gedankt und mir kurz erklärt wird, wie es jetzt weitergeht. Außerdem wird mir mitgeteilt, dass die ARD noch dringend Patienten für ein TV-Interview suche und ich mich gerne melden könne, wenn ich dabei sein wolle. Eigentlich hätte ich als nächstes nach einem Foto meiner Versichertenkarte gefragt werden müssen. Eventuell hätte ein Arzt mir per Whatsapp weitere Fragen gestellt und anschließend persönlich eine Krankschreibung auf Papier unterzeichnet – jedenfalls wenn er der Ansicht ist, dass meine angegebene Symptomatik dies erlaubt.

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Doch leider ist all dies in meinem Fall nicht passiert. Stattdessen herrscht nach der automatischen Bestätigungsnachricht erst einmal Funkstille. Im Ernstfall hätte das sehr ärgerlich sein könnten. Wäre ich darauf angewiesen, einem Arbeitgeber fristgerecht eine Krankschreibung vorzulegen, wäre ich jetzt wohl in die Bredouille geraten. Nach Feierabend bleibt nur die Notaufnahme oder der Versuch, einen Arzt am folgenden Tag zu bitten, mich rückwirkend krankzuschreiben.

Meine Testkrankschreibung bleibt mehrere Tage lang unbeantwortet, bis ich telefonisch nachhake und auf Anhieb den Rechtsanwalt und AU-Schein.de-Gründer Can Ansay an die Strippe bekomme. Er bittet freundlich um Entschuldigung dafür, dass meine Bestellung wohl „durchgerutscht“ sei, erstattet mir binnen Minuten meine Zahlung und schickt mir eine ungültige, nicht unterschriebene Muster-Krankschreibung, damit ich mir ansehen kann, was ich bekommen hätte.

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Eigene App als Whatsapp-Ersatz geplant

Laut Ansay habe es in der Startphase technische Schwierigkeiten gegeben, die aber jetzt behoben seien. Seit dem Start des Dienstes im Dezember seien rund 1.000 Bestellungen eingegangen und etwa 950 Krankschreibungen ausgestellt worden. In den restlichen Fällen sei die Zahlung erstattet worden. Probleme mit der Anerkennung ihrer Krankschreibung hätten die Patienten keine bekommen, sagt Ansay – jedenfalls hätten sich bisher weder Patienten noch Arbeitgeber mit entsprechenden Problemen bei der Hotline gemeldet.

In der Diskussion um AU-Schein.de wurde vielfach kritisiert, dass Whatsapp bisher die einzige Möglichkeit ist, eine Krankschreibung zu bekommen. Zwar ist die Kommunikation dort Ende-zu-Ende-verschlüsselt, aber datenschutzbewusste Patienten dürften sich trotzdem daran stören, dass in den Meta-Daten nun die Kommunikation mit einem krankschreibenden Arzt protokolliert ist. Nutzer, die Whatsapp grundsätzlich nicht auf ihrem Telefon haben wollen, weil sie etwa ihre personenbezogenen Daten, Kontakte und Meta-Daten nicht mit dem Facebook-Konzern teilen wollen, können den Dienst bis auf Weiteres nicht benutzen. Allerdings arbeite das Team an einer eigenen App, die „in zwei bis drei Wochen fertig“ sein soll, so Ansay. Außerdem hätten seine Entwickler vorgeschlagen, auch andere Messenger zu bedienen. Allerdings wolle man erst klären, bei welchen Messengern sich der Entwicklungsaufwand lohne.

In der Diskussion um den Dienst stört es viele Menschen, dass man sich „einfach so“ krankschreiben lassen könne. Befürchtet wird, dass ein solcher Dienst missbraucht werden könnte, um preisgünstig bis zu zwei Wochen „zusätzlichen Urlaub“ im Jahr rauszuschlagen. Dass dies aber Betrug ist, darauf weist auch Ansay hin. Außerdem besteht die Gefahr, dass Patienten trotz ernsthafter Erkrankungen den Arztbesuch meiden könnten. Das will das Startup mit der Spezialisierung auf einfache Erkältungskrankheiten umgehen. Um Missbrauch einzudämmen, ist außerdem eine Krankschreibung pro Patient höchstens zwei Mal im Jahr für jeweils bis zu fünf Tage möglich.

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Juristische Hürden

Die Sorge vor Missbrauch ist tatsächlicher eher unbegründet. Schließlich sind Krankschreibungen bei Erkältungskrankheiten in der Praxis oftmals reine Formsache – besonders, wenn zur Erkältungssaison zahlreiche Patienten die Praxen verstopfen und dabei womöglich unnötigerweise noch sich oder andere anstecken. Tatsächlich ist das ein Problem, das auch eine Studie der Uni Magdeburg beklagt. In Deutschland verursachen Krankschreibungen bei trivialen Erkrankungen einen Großteil der Arztbesuche. Gesundheitssystem und Arztpraxen ließen sich sinnvoll entlasten, wenn Patienten sich zumindest für die ersten Tage einfach selbst krankschreiben könnten, wie das beispielsweise in Norwegen der Fall ist. Das deutsche Recht sieht derlei aber nicht vor. Laut §5 Entgeltfortzahlungsgesetz muss eine Krankschreibung spätestens nach drei Tagen vorgelegt werden. Der Arbeitsvertrag kann auch kürzere Fristen vorsehen.

Worauf genau es bei einer Krankschreibung ankommt, legt der Bundesausschuss der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen fest. In §4 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie bestimmt dieser Ausschuss, dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen darf. Diese ist zwar prinzipiell nach Lockerung des Fernbehandlungsverbotes auch ohne physischen Arztbesuch möglich, allerdings ist fraglich, ob das einfache Anklicken von Symptomen auf einer Website hierzu ausreicht.

Hiermit konfrontiert, vertrat Can Ansay im Telefonat die Ansicht, dass diese Richtlinie nur für Kassenärzte gelte, das Attest in diesem Falle aber privatärztlich ausgestellt werde. Dieses Vorgehen kann aber für die krankschreibenden Ärzte ein Risiko darstellen. Im Falle eines Rechtsstreits müssen sie belegen, dass sie den Patienten untersucht und Krankheitssymptome festgestellt haben. Vielleicht liegt es daran, dass laut Vice eine Ärztin nach kurzer Zeit wieder abgesprungen ist und sich mittlerweile von dem Dienst distanziert. Ob AU-Schein.de in Deutschland wirklich legal ist, könnte also bald die Gerichte beschäftigen. Und die Landesärztekammern, deren Richtlinien in einigen Bundesländern so formuliert sind, dass sie eine solche Form der „Fernbehandlung“ zu gestatten scheinen. Derzeit sucht das Unternehmen auf der eigenen Website weiterhin nach selbstständigen Ärzten (m/w) „für AU-Scheine per Whatsapp“.

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8 Irrtümer rund um die Krankschreibung
8 Irrtümer rund um die Krankschreibung. (Grafik: Wirtschaftsforum)

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Übrigens, Mitarbeiter schleppen sich oft krank zur Arbeit – aus Angst, schlecht dazustehen. Was für ein Irrsinn, meint Kommentatorin Alexandra Vollmer. Lies auch: Wenn du krank bist, leg dich ins Bett – oder kündige!

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3 Kommentare
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Dein t3n-Team

Dieter Rittinger

Auch wenn man dazu noch eine Menge mehr sagen könnte bzw. müsste – hier mal nur die Aufzählung der Fakten:

1. Sozialdaten sind uneingeschränkt unter den höchsten Schutzstandard zu stellen, da der Schaden bei Missbrauch ungleich höher ausfällt als bei Bankdaten und lebenslange Ausirkungen haben kann.
2. Mangels entsprechender safe harbour -Abkommen sind amerikanische Unternehmen und Server nach meinem derzeitigen Kenntnisstand keine für deutsche bzw. europäische Sozialdaten geeigneten Strukturen.
3. Die üblichen Smartphones sind nach meinem Wissen nicht für die Verwendung für Sozialdaten konzipiert. So könnte nahezu jede App Bildschirminhalte per snapshot unbemerkt an wen auch immer weiterleiten. Was übrigens durch Trojaner und Co. auch für den PC zu Hause gelten kann.
4. Bei Klaranzeige für den Anwender hilft keine Datenverschlüsselung! Und wer noch nicht mitbekommen hat, dass teilweise nur ein einziger Schlüssel ohne permanente Änderung während der Session verwendet wird, sollte vielleicht besser mit seinem Mobilgerät nur telefonieren.
5. Gerade der Arbeitsunfähigkeitsbeleg stellt entsprechend der technischen Richtlinien hohe Anforderungen und darf nur unter besonderen Bedingungen übertragen werden. Details dazu finden sich auch im Jahresbericht des Bundesversicherungsamtes, welches dazu und dem Thema App extra einen Abschnitt gewidmet hat.

Antworten
JJ

Find ich ansich gut ,es gibt genug kranke die lieber im Bett bleiben als sich mit Fieber zum Arzt aufraffen zu müssen und noch
Stunden in der Praxis warten zu müssen bis sie dann mal dran kommen .

Aber wie bei allem wird bei Politik und Arbeitgebern bald wieder Panik geschoben das daß ja viel zu leicht wäre und und und …. letztdenlich wird auch das verboten . Denn das Volk soll arbeiten und noch vor der Rente tot umfallen .

Antworten
Dieter Rittinger

Grundsätzlich bin ich wie alle Menschen bequem und an digitaler Erleichterungen stark interessiert. Nur nicht um jeden Preis. Zum Glück gibt es ja Lösungen die Service und Datensicherheit für jeden nutzbar verbinden.

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