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In der Krise spielt Gender keine Rolle – mahnt dieser Investor

Frauen in Führung sind unterrepräsentiert, Gründungen oft Männersache. Was lässt sich dagegen tun? Der Investor Rahmyn Kress hat konkrete Vorschläge – macht aber auch eine ungewöhnliche Äußerung.

Von Vicky Isabelle Bargel
7 Min. Lesezeit
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Rahmyn Kress, HenkelX Ventures. (Foto: Privat)

Im Facebook Space am Potsdamer Platz in Berlin tummeln sich auf engstem Raum 150 Frauen und nur eine Handvoll Männer. Es wird geredet, gelacht, gegessen. Der Raum scheint winzig für die vielen Menschen. Dass das Geschlechterverhältnis hier so ungleich ist, hat seinen Grund: Die Anwesenden sind auf der Eröffnung von Europas größtem Ideen-Hackathon für weibliche Talente – dem Xathon, organisiert von HenkelX Ventures. Während es im Hintergrund plätschert und im Vordergrund munter geplaudert wird, kommt man nicht umhin, die Szene zu bewerten. Was für ein cooles Format. Was für tolle Frauen. Doch gleichzeitig drängt sich die Frage auf, warum es im Jahr 2019 so etwas wie einen Ideen-Hackathon für Frauen braucht. Müssen Frauen immer noch gezielt gefördert werden?

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Wer sich verschiedene Statistiken anschaut, merkt schnell: Die Antwort lautet „Ja“. Denn eine Parität der Geschlechter in Führungspositionen und unter Gründerinnen und Gründern gibt es noch lange nicht. Der Deutsche Startup-Monitor 2019 vermeldet 15,7 Prozent weibliche Gründerinnen (immerhin 0,6 Prozentpunkte mehr im Vergleich zum Vorjahr), der diesjährige Allbright-Report spricht von einem Frauenanteil von 9,3 Prozent in den Vorständen der deutschen börsennotierten Unternehmen. Das ist immer noch erschreckend gering, ganz offensichtlich. Doch in der Debatte um die Karrierechancen von Frauen spricht man viel zu schnell nur vom Istzustand. Man bemängelt, kritisiert.

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Doch welche Lösungen gibt es?

Am Eröffnungstag des Xathon finden noch keine Workshops statt. Dafür sind die Förderinnen und Förderer da, um das Konzept zu erläutern. Welcher Rahmen würde sich besser eignen, sich auf die Suche nach Lösungen zu begeben? Nach Lösungen für den Mangel an Diversität im deutschen Wirtschaftsapparat. Was kann man denn tun, um mehr Frauen in hochrangige Führungspositionen zu bekommen? Wie können mehr Frauen zu Gründerinnen werden?  Welche Maßnahmen ergeben wirklich Sinn? Diese Fragen sind nach wie vor nicht leicht zu beantworten, sonst hätten wir die Ungleichheiten vermutlich gar nicht. Von Quoten sind die meisten Unternehmen – aber auch viele Frauen – schließlich nicht zu überzeugen. 

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Um die Komplexität etwas zu entwirren, die der Diversität in Unternehmen immer noch im Weg steht, bietet sich in der Mittagspause neben Donut und Kaffee auch ein Gespräch mit Rahmyn Kress und Lea Vajnorsky an. Kress hat HenkelX Ventures gegründet, Vajnorsky den Xathon mit ihm zusammen initiiert. Beide sind auf vielfältige Weise für ihr Engagement auf diesem Gebiet bekannt. Lea Vajnorsky hat zum Beispiel das Netzwerk Wo/men Inc. gegründet und zählt zu den Forbes 30 unter 30 in Deutschland. Rahmyn Kress erzählt mir, dass er Europas erster Male Champion of Change ist und es sich damit zur Aufgabe gemacht hat, erfolgreiche Frauen zu unterstützen, sich neben sie zu stellen, mit der ausdrücklichen Betonung auf „neben“. Zu dieser Verantwortung, die sich Kress selber auferlegt hat, sagt er aber auch: „Ich habe zwar die Ambition, unsere Wirtschaft diverser zu machen und Frauen eine Bühne zu bieten, ich bin aber kein Experte auf dem Gebiet. Die richtigen Werkzeuge dafür musste ich erst lernen.“ Das wichtigste für Rahmyn Kress bei seinem Engagement: „Frauen brauchen keine Hilfe. Sie sind ja nicht schlechter in irgendwas. Wir wollen uns einfach nur stark dafür machen, dass Gleichberechtigung zur Normalität wird, alle die gleichen Möglichkeiten bekommen. Frauen, Männer, alle.“ Lea Vajnorsky ergänzt: „Wir stehen heute hier, weil das Thema superwichtig ist, wir hoffen aber, dass Gender in Zukunft gar keinen Unterschied mehr macht und wir so etwas wie den Xathon gar nicht mehr brauchen.“

Lea Vajnorsky und Rahmyn Kress mit Staatsministerin Dorothee Bär in der Mitte. (Foto: Carolin Weinkopf)

Lea Vajnorsky und Rahmyn Kress mit Staatsministerin Dorothee Bär in der Mitte. (Foto: Carolin Weinkopf)

Was stattdessen eine Rolle spielen soll? „Wir suchen für jede Position einfach die Richtige oder den Richtigen“, sagt Rahmyn Kress. „Bei HenkelX haben wir dadurch ganz ungeplant einen Frauenanteil von 70 Prozent.“ „Wir wollen, dass es etwas ganz Natürliches bekommt, dass Frauen und Männer auf einem Level zusammenarbeiten und die gleichen Positionen besetzen“, sagt Vajnorsky. Festgeschriebene Quoten halten beide dabei für wenig sinnvoll. Stattdessen erläutern sie viele kleine Stellschrauben, an denen Unternehmen drehen können, an denen die Gesellschaft drehen muss und Stellschrauben, für die die Politik verantwortlich ist.

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„Das sind Jungs-Jobs und das sind Mädchen-Jobs“

„Das A und O ist die richtige Erziehung der heranwachsenden Gesellschaft. Wenn Kindern von klein auf erzählt wird: Das sind Jungs-Jobs und das sind Mädchen-Jobs, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir weniger Frauen in der Techbranche oder in Führungspositionen haben. Darum sind weibliche Role-Models auch so wichtig, die einfach vorleben, dass es geht“, erklärt die Wo/men Inc.-Gründerin einen wichtigen Aspekt. „Das nötige Selbstvertrauen für Unternehmertum fehlt vielen Frauen.“ Dass Frauen mehr zugetraut wird, da könnten wir gemeinsam als Gesellschaft schon einen großen Beitrag leisten. Rahmyn Kress ergänzt mit einer Anekdote von einer Wirtschaftsuni, an der die beiden mal gemeinsam einen Vortrag gehalten haben. Er sagt, er habe vor einem Studiengang in Entrepreneurship gestanden, der Jahrgang bestand allerdings zu rund 95 Prozent nur aus Männern. „Wir müssen schon viel früher anfangen, Frauen und Mädchen für diese Laufbahn zu begeistern“, appelliert Kress in einer Mischung aus Unverständnis und Entsetzen. Denn: Wenn es keinen weiblichen Nachwuchs gibt, sei es auch kein Wunder, dass Unternehmen Probleme hätten, Frauen in Führungspositionen zu besetzen.

Langfristiger denken sei also wichtig. „Unser Engagement heute trägt erst in fünf oder zehn Jahren Früchte“, so Kress und holt an dieser Stelle noch ein bisschen weiter aus. Er nennt einen Aspekt, der im Kontext von Diversity tatsächlich sehr selten Beachtung findet. Im Grunde hat er auch nichts mit Frauenförderung sondern mit Wirtschaftsförderung im Allgemeinen zu tun. Rahmyn Kress spricht davon, dass wir nicht nur den Zugang von Frauen und marginalisierten Gruppen in die freie Wirtschaft erleichtern müssten. Vor allem, so sagt er, müssten wir die europäische Wirtschaft überhaupt einmal zukunftssicher gestalten. Das löst zunächst Unverständnis bei einigen Frauen aus, Stirnrunzeln. Doch Kress führt dieses Argument aus. Er sagt: „Die meisten Unternehmen werden noch nach alten Kriterien bewertet. Wie sich die Wirtschaft durch die Digitalisierung gewandelt hat und weiter wandeln wird, findet zum Teil noch keine Beachtung. Das wird sich früher oder später rächen. Als Folge werden Unternehmen fallen, Angestellte entlassen und die Kaufkraft der Menschen sinken. Wenn wir tief in die Rezession schlittern, interessieren sich die wenigsten Leute dafür, dass Equality zur Prämisse wird.“ Der Rahmen, so Kress, für Entrepreneurship, Intrapreneurship und Investments müsse einfach stimmen.

Es leuchtet ein, dass wir für eine faire Wirtschaft einen nachhaltigen Wirtschaftsapparat brauchen, dieser Einwand bleibt allerdings ein wenig abstrakt. Kann man noch konkreter werden? Bestimmt haben die Teilnehmerinnen des Ideen-Hackathon eine Vorstellung davon, was sie sich wünschen. Vielleicht können sie erzählen, warum sie an einem Event teilnehmen, das Frauen fördern soll, warum sie glauben, dass sie das nötig haben. Mia Doskas ist Digital Communications Managerin bei Henkel, man könnte also meinen, karrieretechnisch braucht sie gar keine Unterstützung. Trotzdem hat sie ein klares Ziel: „Ich habe immer viele Ideen“, sagt sie. „Ich will aber lernen, was ich daraus machen kann. Wie baue ich mir aus meinen Ideen eine konkrete Storyline? Wie schreibe ich einen Businessplan? Und wo treffe ich im Netzwerk auf die richtigen Leute?“. Fragen, die allerdings viele Menschen mit Gründer-Ambitionen beschäftigen. Nicht nur Frauen. Doch das Thema Investment ist für Frauen ein entscheidender Faktor, der auch Mia Doskas beschäftigt. Gründerinnen haben es eben immer noch schwerer, an Kapital zu kommen“, weiß Doskas. „Wie findet man dann potenzielle Investoren?“. Beim Xathon den direkten Kontakt zu Investoren zu haben und zu lernen, wie man diese innerhalb von drei Minuten überzeugt, habe der Digital Communications Managerin daher sehr geholfen.

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(Foto: Carolin Weinkopf)

(Foto: Carolin Weinkopf)

Einen Streitpunkt gibt es

Vorbilder, Netzwerke, Chancen – das sind Maßnahmen, auf die sich alle einigen können, wenn man über Frauenförderung spricht. Einen Streitpunkt gibt es trotzdem. Wie sprechen wir über die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere? Ist es wichtig, bei Karrierefrauen auch über das Privatleben zu sprechen? Da gehen die Meinungen weit auseinander. Lea Vajnorsky findet es für die Vorbildfunktion von Role-Models wichtig, auch zu sagen: Sieh mal, ich kriege meinen Job auch mit drei Kindern hin und kann in beidem gleichermaßen erfolgreich sein. Andere Stimmen finden es völlig daneben, dass Frauen über ihre Kinder sprechen müssen. „Danach werden Männer doch auch nicht gefragt“, heißt es dann. Rahmyn Kress, einer der wenigen Männer, mit denen ich so offen über Unterstützung für Frauen gesprochen habe, findet es auch problematisch, dass Frauen immer auf ihre Familie angesprochen werden. Er hat dafür aber eine ganz pragmatische Lösung parat: „Wir sollten einfach auch mehr Männer auf ihre Kinder ansprechen. Bei uns ist es normal, dass ein Papa sagt: Ich gehe jetzt nach Hause und passe auf meine Kinder auf. So simpel ist das.“

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