Immer mehr Geld fließt in ETF – wird das zum Problem? - t3n

ETFs sind bei Anleger:innen beliebt, immer mehr Geld fließt in die passiven Investments. Doch die wachsende Marktmacht ruft auch Kritiker auf den Plan. Immer mehr Menschen in Deutschland legen Geld in Exchange Traded Funds (ETFs) an. Laut Daten des deutschen Fondsverband BVI sind im ersten Halbjahr mehr als 80 Prozent der Nettomittelzuflüsse in Publikumsfonds in Aktien-ETF geflossen. Anleger:innen steckten weitere 9,5 Milliarden Euro in die passiven Investmentvehikel, während aus klassischen, aktiv gemanagten Aktienfonds 2,7 Milliarden Euro abgezogen wurden. Aus Mischfonds werden Gelder abgezogen Damit setzt sich die Flucht aus Mischfonds fort. die schon im vergangenen Jahr zu beobachten war: Bereits 2023 wurden netto 15 Milliarden Euro aus Fonds abgezogen, die von Fondsmanagern verwaltet werden, aber deutlich teurer sind als ETFs. Die Gesamtkostenquote für ETFs liegt typischerweise zwischen 0,05 Prozent und 0,5 Prozent pro Jahr, während für Mischfonds in der Regel zwischen 1 Prozent und 2,5 Prozent pro Jahr fällig werden. ETFs setzen dagegen ihren Siegeszug der vergangenen Jahre fort: So ist weltweite ETF-Anlagevermögen in den vergangenen zehn Jahren von 2,3 Billionen US-Dollar Ende 2013 auf ein aktuelles Rekordhoch von 13,61 Billionen US-Dollar angewachsen, das im Juli 2024 erreicht wurde. Auch die Anzahl der verfügbaren ETFs auf deutschen Börsen ist stark gestiegen, neben den klassischen Indexfonds wie dem MSCI World gibt es auch viele Themen-Fonds und seit Neuestem auch immer mehr aktiv gemanagte ETF, wie die Fonds von Investmentlegende Cathie Woods. Sie sind immer noch günstiger als klassische aktive Fonds, aber meist teurer als passive ETFs. [crosslinks ids="1609848,1572932,1578924"] Besonders bei Jüngeren sind ETFs beliebt: Während in Deutschland rund 35 Prozent der Aktiensparer:innen unter 40 Jahren mit ETFs sparen, sind es bei den Älteren nur 17 Prozent. Das liegt zum einen an den niedrigen Kosten, aber vielleicht auch daran, dass viele Influencer sich mit dieser Anlageform beschäftigen. Zudem bieten vielen Online-Brokern wie Trade Republic, Scalable Capital oder Flatex Degiro einen sehr einfachen Zugang zur Börse. Bald könnte es sogar noch mehr Menschen geben, die mit einem ETF für die Rente vorsorgen: Die Bundesregierung denkt gerade laut darüber nach, ETF-Sparpläne ähnliche wie Riester-Verträge zu bezuschussen und steuerlich besser zu stellen. Gefahr der Blasenbildung Manchen wird die wachsende Marktmacht der ETFs allerdings auch unheimlich. Die Befürchtung: Durch das Umschichten in ETFs könnte es zu einer Konzentration der Investments auf große Unternehmen kommen, während kleinere Aktien, die nicht in den gängigen Indizes enthalten sind, immer weniger Kapital erhalten. Zudem könnten sich Auf- und Abwärtsbewegungen an den Börsen verstärken. Gerade die beliebten passiven Index-ETFs, die einen bestimmten Marktindex wie beispielsweise den Deutschen Aktienindex DAX abbilden, könnten zu Marktverzerrungen kommen, so die Kritik. Denn durch ETFs fließt Geld in alle im Index enthaltenen Aktien, unabhängig davon, ob die Fundamentaldaten der Aktien das hergeben. So könnte es zur Überbewertung von Aktien kommen, obwohl die Unternehmen eigentlich gar nicht so gut dastehen. Weil der Großteil der ETFs passiv investiert, konzentrieren sie sich zudem oft auf die größten Unternehmen eines Indexes und können so deren Marktkapitalisierung künstlich aufpumpen. Beispielsweise investiert der bei Anleger:innen beliebte MSCI World stark in US-Unternehmen und steckt einen großen Anteil der Gelder in Techfirmen wie Apple, Microsoft und Amazon. ETFs – ein Systemrisiko? Eine weitere Furcht: Gerade weil ETFs auch bei Anleger:innen beliebt sind, die sich nicht intensiv mit dem Aktienmarkt auseinandersetzen, könnten diese vor allem dem Herdentrieb folgend und damit immer die Richtung, in die der Markt geht, verstärken – sowohl im Guten wie im Schlechten. Im Fall eines Börsencrashs könnten ETF-Anlegerinnen etwa leicht die Nerven verlieren und schnell verkaufen wollen. ETF-Anbieter müssten dann die Aktien aus den Fonds verkaufen, was die Kurse an der Börse weiter nach unten treiben und so zu Preisverzerrungen führen würde. Bei einem solchen Ausverkauf fürchten manche Experten sogar, die Marktschwankungen könnten auch andere Teile des Finanzsystems destabilisieren. Empirische Beweise für diese These gibt es bisher aber kaum. So kam es zwar 2015 schon einmal zu einem ETF-Flash-Crash. In einer Untersuchung kam der Internationale Währungsfonds (IWF) allerdings später zu dem Schluss, dass ETF solche Crashs auch nicht stärker als aktiv gemanagte Fonds beschleunigen. ETFs dominieren den Markt nicht Was ebenfalls gegen solche Befürchtungen spricht: Bislang ist der Anteil der ETFs im gesamten Aktienmarkt noch nicht so hoch, dass sie erhebliche Preisverzerrungen oder Turbulenzen auslösen könnten. Laut Daten des ETF-Sponsors iShares lag ihr Anteil am Aktienhandel in den Jahren 2022 und 2023 durchschnittlich bei rund 5 Prozent in den USA und 2 Prozent in Europa. Außerdem nutzen nicht nur Privatanleger:innen ETFs, auch professionelle aktive Fondsmanager setzen laut Daten des Global ETF Survey auf sie, etwa für die strategische (langfristige) Anlage, um bestimmte Investmentideen zu verwirklichen oder zur taktischen (kurzfristigen) Positionierung. Alle Inhalte dienen ausschließlich der Information. Sie stellen keine Wertpapieranalyse im Sinne des § 34b WpHG, Empfehlung, Anlageberatung oder Aufforderung zum Handeln dar und ersetzen keine fachkundige, individuelle Anlageberatung.