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MIT Technology Review News

Künftige Klimaanlagen als Batterie nutzen? Wie neue Kühlungstechnologien Energie speichern sollen

Neue Kühlungstechnologien können mehr als nur kalte Luft in den Raum blasen. Verbesserte Technik macht’s möglich.

Von MIT Technology Review Online
5 Min.
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Klimaanlage – hier eine alte, aber zumindest smarte. (Screenshot: Tado) 

Wenn die Temperaturen an heißen Tagen steigen, schalten viele Menschen ihre Ventilatoren oder – falls vorhanden –Klimaanlagen ein. Solche Kühlsysteme können eine große Belastung für die Stromnetze darstellen. Das hat Forscher:innen und Startups jetzt dazu inspiriert, Geräte zu entwickeln, die Energie nicht nur verbrauchen, sondern auch speichern können. 20 Prozent des weltweiten Strombedarfs in Gebäuden entfallen auf die Kühlung – ein Anteil, der mit der Erwärmung des Planeten und der dadurch hervorgerufenen zunehmenden Nutzung solcher Systeme noch steigen dürfte. Das lässt sich bereits absehen: In Spitzenzeiten können Klimaanlagen heute in einigen Teilen der Welt mehr als die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs ausmachen.

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Neue Kühltechnologien mit Energiespeicherung könnten helfen, indem sie sich automatisch aufladen, wenn Strom aus erneuerbaren Energiequellen kostengünstig zur Verfügung steht und die Nachfrage gering ist. Später können sie dann selbst bei einem überlasteten Netz kühlen. „Wir sagen: Nimm das Problem und mache daraus eine Lösung“, sagt Yaron Ben Nun, Gründer und Chief Technology Officer der Firma Nostromo Energy.

Eine Art riesiger Eiswürfelbehälter

Eines der Systeme, das das Unternehmen IceBrick nennt, ist im Grunde eine Art riesiger Eiswürfelbehälter. Es kühlt eine Lösung aus Wasser und Glykol, mit der einzelne mit Wasser gefüllte Kapseln eingefroren werden. Ein IceBrick kann aus Tausenden dieser Behälter bestehen, von denen jeder etwa eine halbe Gallone, das heißt nicht ganz zwei Liter, Wasser fasst. Die Isolierung hält die Kapseln gefroren, bis es an der Zeit ist, sie zur Kühlung eines ganzen Gebäudes zu verwenden. Dann wird das Eis verwendet, um die Temperatur des Wasser-Glykol-Gemischs zu senken, das wiederum das Wasser kühlt, das im Kühlsystem des Gebäudes zirkuliert. Das System ist so konzipiert, dass es als Zusatz zu den bestehenden Anlagen funktioniert, sagt Ben Nun.

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Nostromo Energy installierte sein erstes System in den USA schon im Jahr 2023 im bekannten Beverly Hilton Hotel in Los Angeles. Es hat eine Kapazität von 1,4 Megawattstunden und versorgt damit auch das benachbarte Hotel Waldorf Astoria. Die Anlage enthält 40.000 Kapseln, was etwa 68 Tonnen Eis entspricht – also eine ganze Menge. Das System wird in der Regel zehn bis zwölf Stunden lang aufgeladen, beginnend in der Nacht und endend um die Mittagszeit. Damit ist IceBrick bereit, seine Kühlleistung zwischen dem späten Nachmittag und dem Abend abzugeben, wenn die Nachfrage im Netz besonders hoch ist und die eingespeiste Solarenergie mit dem Sonnenuntergang abnimmt.

Teilweise höherer Strombedarf

Durch den Einsatz des IceBrick erhöht sich der Gesamtstrombedarf für die Kühlung, da ein Teil der Energie durch Ineffizienz während des Zyklus verloren geht. Das Ziel ist jedoch, den Energiebedarf während der Spitzenzeiten zu senken, was die Kosten für Gebäudeeigentümer denoch reduziert, sagt Ben Nun. Das Unternehmen ist dabei, sich eine Finanzierung in Höhe von etwa 300 Millionen US-Dollar zu sichern, die zum Teil aus dem Darlehensprogramme des US-Energieministeriums stammt, um 200 dieser Systeme in Kalifornien vollständig zu finanzieren.

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Während Gebäudeeigentümer unmittelbar von diesen individuellen Energiespeicherlösungen profitieren können, liegt das eigentliche Potenzial zur Unterstützung des Netzes darin, die Systeme miteinander zu verknüpfen, so Ben Nun. Wenn das Stromnetz extrem belastet ist, sind die Versorgungsunternehmen manchmal gezwungen, den Strom in bestimmten Gebieten abzuschalten, sodass die Menschen dort ohne Elektrizität dastehen, wenn sie sie am dringendsten benötigen. Technologien, die sich an die Bedürfnisse des Netzes anpassen können, könnten dazu beitragen, solchen erzwungenen Stromausfälle zu vermeiden.

Diese Art von Ansatz ist nicht grundsätzlich neu – viele kommerzielle Gebäude in heißeren Gegenden verwenden große Tanks, die gekühltes Wasser oder eine andere Kühlflüssigkeit enthalten, mit der die Temperatur in einem Gebäude im Handumdrehen gesenkt werden kann. Aber die Technologie von Nostromo kann mehr Energie mit viel weniger Material speichern, weil sie den Prozess des Einfrierens und Schmelzens nutzt, anstatt nur eine Flüssigkeit abzukühlen, sagt Ben Nun.

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Feuchtigkeit aufsaugen

Das Startup Blue Frontier wiederum hat sich in diesem Bereich durch die Entwicklung von Kühlsystemen mit Trockenmitteln einen Namen gemacht. Diese Materialien können Feuchtigkeit aufsaugen – wie die kleinen Päckchen mit Siliziumdioxidperlen, die oft mit neuen Schuhen, Taschen oder Elektronik geliefert werden. Doch anstelle dieser Kügelchen verwendet das Unternehmen eine konzentrierte Salzlösung. Die Kühlsysteme von Blue Frontier leiten einen Luftstrom über eine dünne Schicht des Trockenmittels, das die Feuchtigkeit aus der Luft zieht. Diese trockene Luft wird dann in einem Verdunstungskühlungsprozess genutzt – ähnlich wie Schweiß die Haut kühlt. Trockenmittel-Kühlsysteme können effizienter sein als herkömmliche Dampfkompressions-Klimageräte, die heute auf dem Markt sind, sagt Daniel Betts, Gründer und CEO von Blue Frontier. Aber das System profitiert zusätzlich auch von der Möglichkeit, sich zu bestimmten Zeiten aufzuladen und zu anderen Zeiten Kühlung zu liefern.

Der Schlüssel zum Energiespeicheraspekt der Trockenmittelkühlung ist das erneute Aufladen: Wie Schwämme können Trockenmittel nur eine begrenzte Menge an Wasser aufnehmen, bevor sie ausgewrungen werden müssen. Blue Frontier tut dies, indem es einen Teil des Wassers in der Salzlösung verdampfen lässt, üblicherweise mit einer Wärmepumpe, um die Konzentration zu erhöhen. Das Aufladesystem kann dabei ständig laufen oder in Schüben, die auf Zeiten abgestimmt werden können, in denen Strom billig ist oder mehr erneuerbare Energie zur Verfügung steht.

Stromnetz entlasten

Der Vorteil dieser Energiespeichertechnologien besteht darin, dass die Menschen ihre Kühlsysteme nicht herunterfahren oder ausschalten müssen, um das Stromnetz zu entlasten, sagt Betts. Blue Frontier testet derzeit mehrere Systeme mit Kunden und hofft, bald größere Mengen herstellen zu können. Die ersten Anlagen werden in gewerblichen Gebäuden installiert, doch Betts ist daran interessiert, die Technologie auch in Privathäusern und anderen Einrichtungen einzusetzen.

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Eine Herausforderung für die Unternehmen, die an diesen neuen Technologien arbeiten, besteht darin, einen Weg zu finden, große Energiemengen effektiv zu speichern, ohne zu hohe Kosten zu verursachen. Das glaubt auch Ankit Kalanki, Leiter des Programms für CO₂-neutrale Gebäude am Rocky Mountain Institute, einer Denkfabrik für Energie. Kühltechnologien wie Klimaanlagen sind bereits heute recht teuer, sodass künftige Lösungen zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden müssen, um sich auf dem Markt durchzusetzen. Doch angesichts des weltweit steigenden Kühlbedarfs gibt es noch immer ein großes Potenzial für neue Technologien, um diesen Bedarf zu decken, fügt er hinzu.

Ein Umdenken bei der Klimatisierung allein wird nicht ausreichen, um den massiven Anstieg des Energiebedarfs für die Kühlung zu decken, der sich bis 2050 verdreifachen könnte. Um dies zu erreichen und gleichzeitig die Emissionen zu senken, brauchen wir immer noch deutlich mehr erneuerbare Energiekapazitäten und gigantische Batterieanlagen im Stromnetz. Die Flexibilisierung von Klimaanlagen könnte jedoch dazu beitragen, die für ein klimaneutrales Netz erforderlichen Investitionen zu senken. Kühlsysteme können uns helfen, mit der Erwärmung des Klimas besser fertig zu werden, sagt Ben Nun. Aber es gibt ein zentrales Problem mit den derzeitigen Optionen: „Man kühlt sich selbst, aber man erwärmt den Globus weiter.“

Der Text stammt von Casey Crownhart. Sie ist Redakteurin bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und deckt die Themenbereiche Klima, (erneuerbare) Energie und Transport ab.
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Kommentare (3)

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Joh Mod

Seltsamer Lösungsansatz!
Klimaanlagen werden betrieben, wenn Solarenergie im Überfluss zur Verfügung steht!
Ein Photovoltaik-Zwang beim Kauf von Klimaanlagen würde das Problem lösen.
Zusatznutzen: In weniger heißen Zeiten kann Energie ins Netz gespeist werden!

Zonk Zonkersen

Meine beiden Klimaanlagen zu Hause kühlen den ganzen Tag solange Sonne scheint und die PV-Anlage damit Überschuss erzeugt. Das mag nicht für jeden passen, aber für mich funktioniert das auch so. Schlafzimmer sind bis in die Morgenstunden unter 20°C und Luftfeuchtigkeit niedrig. Für mich perfekt im Sommer. Natürlich sind hier noch weitere Investitionen wie PV-Anlage und Energiemanagement fürs Verbraucher Einschalten nötig. Der berichtete Ansatz könnte aber auch Standalone funktionieren in dem man die Anlage z.B. an einen Anbieter mit dynamischem Strompreis koppelt.

nils jawohl

Wer kann es sich denn leisten, eine Klimaanlage bzw seine Wärmepumpe auf Klimaanlage mit „normalen“ Strom zu betreiben. Wenn ich es nötig hätte, meine Wärmepumpe als Klimaanlage zu betreiben, dann wäre die Solaranlage sofort auf dem Dach.

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