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Lars Klingbeil im Changerider: „Wir Deutschen können Disruption überhaupt nicht“

Mit dem neuen Video-Format Changerider wollen Philipp Depiereux und t3n den Menschen die Angst vor der Digitalisierung nehmen. Der aktuelle Interviewgast: Lars Klingbeil.

Von Christian van Alphen
5 Min. Lesezeit
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(Screenshot: Youtube)


In der Jahresabschluss-Folge 2018 des Changerider von Etventure-Gründer Philipp Depiereux und t3n nimmt der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil auf dem Beifahrersitz Platz. Auf seiner Fahrt erzählt er unter anderem, wie Deutschland beim Thema künstliche Intelligenz aufgestellt ist und warum Politiker sich mit neuen Kommunikationskanälen befassen müssen.

Lars Klingbeil will etwas bewegen, war netzpolitischer Sprecher der SPD, hat zwei Mal die Koalitionsverhandlungen zum Thema Digitalisierung geführt. Er weiß, die Umfragewerte der SPD sind nicht gut und sagt, die Partei müsse attraktiver, mutiger, progressiver werden, auch mal anecken, sich digitalisieren. „Ich kämpfe seit acht Jahren dafür, dass in der großen alten Tante SPD alle verstehen, wie wichtig Digitalisierung ist. Aber die SPD ist mit 155 Jahren die älteste Partei Europas und damit schon auch ein großer Tanker. Den Kurs änderst du nicht von einem Tag auf den anderen, sondern da musst du überzeugen“, so der Politiker.

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Der 40-Jährige beginnt seine politische Karriere zunächst auf kommunaler Ebene, bevor er mit der Unterstützung des inzwischen verstorbenen Verteidigungsministers Peter Struck die Chance erhält, sich im Verteidigungsausschuss zu bewähren. Im Oktober letzten Jahres wird er dann von Martin Schulz zum SPD-Generalsekretär nominiert und erfolgreich gewählt. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit: Digitalisierung. Er will die digitale Agenda voranzutreiben und der SPD dabei helfen, sich zu modernisieren.

„KI wird darüber entscheiden, ob wir bei Wachstum, bei Arbeitsplätzen, bei Wohlstand die nächsten Jahre Schritt halten“

Und es gibt viel zu tun in Deutschland: „Ich wünsche mir, dass das der letzte Koalitionsvertrag war, der sich noch um den Netzausbau gekümmert hat und wir dann jetzt irgendwann alle Glasfaser und 5G haben“, so Klingbeil. Aber gerade bei den Themen Disruption oder E-Government sieht Klingbeil an vielen Stellen nicht nur ein Umsetzungsproblem, sondern auch noch ein Mentalitätsproblem: „Ich glaube, dass wir Deutschen Disruption von der Mentalität überhaupt nicht können. Wir überlegen immer, wie wir ein bestehendes Produkt noch besser machen können, aber nie: Was können wir anderes machen? Können wir einfach mal querdenken?“

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Besonders zukunftsweisend und vielversprechend ist aus seiner Sicht das Thema künstliche Intelligenz: „Ich glaube, dass KI entscheiden wird, ob wir bei Wachstum, bei Arbeitsplätzen, bei Wohlstand die nächsten Jahre Schritt halten.“ Sowohl im Silicon Valley als auch in China würde das Thema deutlich massiver vorangetrieben als hierzulande – mit immensen Budgets, aber eben auch mit einem völlig anderen Datenschutzverständnis, erklärt Klingbeil. „Da entstehen zwei Entwicklungen, die ich so nicht will.“

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„Wenn du jeden zweiten Tag in der Zeitung liest, dein Arbeitsplatz ist bald weg, dann ist es nachvollziehbar, dass das Thema auf Ablehnung trifft“

Im Herbst wurde die erste KI-Strategie der Bundesregierung vorgestellt. Der Plan: Deutschland zu einem führenden Standort der KI-Industrie entwickeln, aber eben mit dem Schutz der gesellschaftlichen Grundwerte und der individuellen Grundrechte. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schätzt, dass durch KI 1,5 Millionen Arbeitsplätze bis 2035 überflüssig werden könnten, aber ebenso viele neue entstehen könnten. „In Deutschland entwirft bei KI jeder erstmal ein Bedrohungsszenario. Wenn du jeden zweiten Tag in der Zeitung liest, dein Arbeitsplatz ist bald weg, dann ist es nachvollziehbar, dass das Thema auf Ablehnung trifft, dass es Verweigerer gibt, die den Wandel nicht akzeptieren. Darauf brauchen wir Antworten. Nur die Antwort kann nicht sein, dass man den Menschen vorlügt, dass das alles nicht kommt“, so SPD-Generalsekretär. Früher haben 30 bis 40 Leute auf dem Acker gestanden, heute fährt einer die Maschine. Auch das zeige ja, dass Technik schon immer Arbeitsplätze vernichtet hat. Die Politik müsse aber die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Leute nicht abgehängt werden.

In Sachen Rahmenbedingungen spricht der 40-Jährige auch über Datenethik, denn ein vernünftiger Datenschutz sei wichtig, aber dürfe Innovation nicht abwürgen: „Wir müssen sehen, dass wir innovationsfreundlich sind. Dafür haben wir die Daten-Ethikkommission eingesetzt. Die soll innerhalb eines Jahres klären, was wir bei Daten zulassen wollen und wo wir Grenzen sehen. Ich bin jetzt acht Jahre im Verteidigungsausschuss und ich will nicht, dass Kriegsführung mit Algorithmen stattfindet“, so der Politiker.

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„Wir haben eine völlig veränderte Kommunikation“

Um den Menschen die Angst vor diesen Themen zu nehmen, wird Kommunikation immer wichtiger. Allerdings hat sich die Art der Kommunikation bereits grundlegend verändert. „Ich habe immer noch Kollegen und Kolleginnen in der Politik, die sich freuen, wenn sie mit einem schönen Zitat in der Zeitung sind. Aber die Wahrheit ist ja: Über diese Kommunikationskanäle erreichst du bei Weitem nicht mehr alle. Wir haben eine völlig veränderte Kommunikation. In meinem Wahlkreis haben wir viel auf soziale Netzwerke gesetzt und darüber ganz viele Wähler erreicht“, so Klingbeil. Social Media sei zwar für viele Politiker mittlerweile ein fester Kommunikationskanal. Die große Gefahr liege allerdings in der Verbreitung von Hass- und Falschnachrichten. Quellen zu überprüfen und Nachrichten zu hinterfragen, wird laut Klingbeil zukünftig zum Kompetenzspektrum dazu gehören. Er selbst hat bereits eigene Erfahrungen mit den Negativseiten von Social Media gemacht: „Wir waren in Chemnitz auf der Demo, kurz nach dem grausamen Todesfall. Davon abgesehen war es eine sehr tolle Veranstaltung mit Bands und 3.000 Menschen. Wir haben dort irgendwann mit Dietmar Bartsch von den Linken und Annalena Baerbock von den Grünen ein Selfie gemacht. Später wurde dieses Foto von AFD-Leuten verbreitet, mit der Lüge, dass wir an der Stelle, wo der Todesfall passiert ist, eine Party gefeiert hätten. Das wurde dann tausendfach verbreitet. Das war eine Lüge, aber man kommt gegen so eine Kommunikation gar nicht an!“

Auch das Scheitern ist für einen Politiker nicht fremd. Erst nach drei Wahlperioden gelang es Klingbeil, ein Direktmandat zu holen: „Ich habe es zwei Mal nicht geschafft. Wenn man vier Jahre auf den großen Moment hinarbeitet und dann sieht man das Wahlergebnis, ist das auf jeden Fall etwas, aus dem man seine Lehren zieht. Aber ich versuche auch, jede Situation immer positiv zu sehen!“

Ebenso optimistisch ist auch sein Schlussappell: „Wir haben in Deutschland ein Mentalitätsproblem und gucken immer darauf, was es für negative Folgen gibt. Das sollten wir sein lassen. Wir sollten bewusst damit umgehen, aber auch sehen, dass Digitalisierung ganz, ganz viel in unserem Leben verbessern wird.“

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Für eine weitere Fahrt im Changerider nominiert der Generalsekretär drei starke Frauen. Die Journalistin Eva Schulz, die mit ihrem kreativem Videoformat „Deutschland 3000“ Jugendliche für politische Themen begeistert, Léa Steinacker, Chief Innovation Officer bei der Wirtschaftswoche, und Malu Dreyer. Die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz hat bewiesen, dass man politisch nicht nur mit Angst-Themen erfolgreich sein kann. Sie bemühte sich sehr, das Thema Digitalisierung erfolgreich voranzutreiben und hat damit letztlich die Wahl gewonnen.

Ihr kennt ebenfalls Querdenker, Gamechanger und unermüdliche Optimisten, die für den digitalen Wandel einstehen? Nominiert sie als Changerider-Mitfahrer! Diese und alle weiteren Folgen, sind als Video oder ausführliche Gespräche im Podcast bei iTunes, Soundcloud und Spotify verfügbar.

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