Warum zu viel kreatives Chaos dem Unternehmen schadet
Ein Unternehmen nachhaltig zu transformieren, ist bekanntlich eine Herausforderung. Dass der Prozess dahinter nicht so einfach vonstatten geht, zeigt die Studie „Erfolg im Wandel“, für die die Unternehmensberatung Staufen 650 Führungskräfte befragen ließ. Demnach haben ganze 54 Prozent der Unternehmen in Deutschland ihren kreativen Prozessen „noch keine Struktur” gegeben haben.
Dieser „Glaube an das kreative Chaos“, wie die Studienautoren schreiben, habe Folgen: unnötig lange Entwicklungszeiten und hohe Kosten. Dabei würden Marktanalysen zeigen, dass mit strukturierten Entwicklungsprozessen mehr neue Produkte in kürzerer Zeit zur Marktreife gelangen könnten. Denn fehlende Strukturen und komplizierte Abläufe sorgen für erhebliche Probleme in Forschung und Entwicklung. Ohne reibungslose Prozesse würden eigentliche Routineabläufe unnötig Zeit und Ressourcen verschwenden, die dann für die wirklich entscheidenden Aufgaben fehlen.
Mehrheit der Unternehmen redet von „Systematik”
Immerhin: Eine klare Mehrheit von 61 Prozent der Befragten gab an, dass Innovationen „systematisch und routiniert“ vorangetrieben würden. Doch die Autoren warnen: Ohne klare Prozesse dürften solche Ansätze ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Zudem würden sich diese weitgehend der Bewertung entziehen, wodurch eine kontinuierliche Verbesserung nicht möglich sei.
Dass trotz des Bekenntnisses zur systematischen Herangehensweise vergleichsweise wenig mit strukturierten Prozessen gearbeitet werde, dürfte „maßgeblich am Misstrauen der kreativen Köpfe liegen“, mutmaßt die Studie: Während klar definierte Prozesse in anderen Bereichen von Unternehmen „mehrheitlich etabliert und geschätzt“ seien, stünden Forschung, Entwicklung und generell an Innovationen beteiligte Abteilungen oft weit zurück.
„Beschäftigte befürchten, mit klaren Abläufen an Freiheiten zu verlieren.“
Das Credo scheine zu lauten, dass kreatives Denken und Innovationskraft nicht „in ein Korsett gesteckt werden” dürfe, schreiben die Studienautoren. Andreas Romberg vom Beratungsunternehmen Staufen sagt: „Vielfach befürchten Beschäftigte und Führungskräfte in kreativen Bereichen, mit klaren Abläufen an Freiheiten zu verlieren, die für neue Ideen und Innovationen entscheidend sind.“ Das Gegenteil sei allerdings der Fall: Mit Lean-Innovation und Lean-Development würden Entwickler sogar Freiraum für die wirklich wichtigen Aufgaben gewinnen.
Fehler im Entwicklungsprozess, die im kreativen Chaos unentdeckt bleiben, führen nach Ansicht der Studienautoren zu erheblichen Mehrkosten, außerdem zu einem höheren Aufwand bei den dann zusätzlich erforderlichen Kapazitäten, wenn sie in späten Projektphasen behoben werden müssen.
Spätestens die digitale Transformation zwingt hier zum dringenden Handeln. Die digital getriebenen Innovationszyklen würden rasanter, sagt Romberg. Der Wettbewerbsdruck auf die Entwicklungsabteilungen steige also. Zudem seien „zahlreiche neue Ansätze“, wie etwa der digitale Zwilling und die virtuelle Maschine, nur umsetzbar, wenn die entsprechenden Prozesse auch in der physischen Welt stimmen würden.
Systematische Problemlösungen von Unternehmen gefragt
Immerhin, es gibt Hoffnung: Dass deutsche Industriebetriebe vor keiner unlösbaren Aufgabe stehen, zeigt die nun veröffentlichte Studie: Zwei Drittel der Unternehmen würden sich zu ihrer Innovationsfähigkeit bekennen. Etwa ebensoviele verstehen sich als lernende Organisationen, die auf „kontinuierliche Verbesserungen“ und „systematische Problemlösungen“ ausgelegt sind. Das Kunststück sei jetzt, dieses Selbstverständnis und die Lean-Kompetenz, die vielfach etwa in Produktion und Logistik bereits vorhanden ist, auch auf die Bereiche Forschung und Entwicklung zu übertragen, sagt Romberg.
Für den sogenannten „Change-Readiness-Index 2017” befragte die Unternehmensberatung Staufen im Frühjahr insgesamt 658 Unternehmen in Deutschland zum Thema „Erfolg im Wandel”. Mehr als 60 Prozent der untersuchten Unternehmen kommen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Elektroindustrie und der Automobilindustrie.