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Interview
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Warum diese Gründerinnen wegen „Die Höhle der Löwen“ fast pleitegingen

Von ihrem Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“ erhofften sich die Gründerinnen eines Lebkuchenshops den großen Durchbruch. Doch am Ende drohte die Insolvenz. Wie konnte das passieren?

Von Daniel Hüfner
8 Min. Lesezeit
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Die Gründerinnen von Lenchen Lebkuchen: Alexandra Vázquez Bea und Annette Rieger. (Foto: Presse)

Ein Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“ kann sich für Gründer richtig lohnen – nicht nur finanziell. Die Fernsehsendung ist auch ein Kundenmagnet: Hunderttausende Besucher und tausende Bestellungen im Onlineshop bleiben für so manches Startup von den rund drei Millionen Zuschauern übrig, die das Pitchformat jede Woche einschalten. Am Dienstag geht „Die Höhle der Löwen“ in die sechste Staffel.

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Auch Alexandra Vázquez Bea und Annette Rieger aus Hannover erhofften sich von der Sendung ihren Durchbruch: Mit ihrem Startup Lenchen vertreiben die Cousinen handgebackene Lebkuchen in durchgestylten Verpackungen. Die Besonderheit: Die Lebkuchen basieren auf einem Rezept mit 130-jähriger Familientradition. Von ihrer Urgroßmutter erdacht, wurde das Rezept über Generationen weitergereicht, bis es schließlich in den Händen von Vázquez Bea und Rieger landete. Seit 2015 verkaufen sie ihre Lebkuchen aus eigener Herstellung online in ihrem Shop.

Das Geschäft lief ordentlich, aber nicht herausragend: 65.000 Euro Umsatz erzielte das Startup 2017 nach eigenen Angaben. Um den Vertrieb ausbauen zu können, bewarben sich die Vázquez Bea und Rieger im Frühjahr 2018 um eine Teilnahme bei „Die Höhle der Löwen“ – ein Schritt, der die Gründerinnen jedoch bis an den Rand ihrer unternehmerischen Existenz bringen sollte. Im Interview mit t3n sprechen sie über die Gründe – und erklären, wie sie ihr Startup vorerst gerettet haben.

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t3n: Annette und Alexandra, ihr habt im vergangenen Jahr am Dreh für „Die Höhle der Löwen“ teilgenommen. Wie kam es dazu?

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Annette Rieger: Das war alles sehr kurzfristig. Über ein befreundetes Startup hatten wir im März 2018 einen direkten Kontakt zur Produktionsfirma bekommen und schnell eine E-Mail geschrieben, in der wir Lenchen Lebkuchen vorgestellt habe. Mit einer Rückmeldung haben wir aber nicht mehr gerechnet – die neue Staffel war da fast abgedreht.

t3n: Und dann kam doch der Anruf?

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Rieger: Ja, eine Stunde später etwa. Die Produktionsfirma war von unserem Startup total begeistert und bat uns, eine Woche später zum Dreh in Köln zu erscheinen. Das war uns aber zu spontan, wir mussten uns ja auch noch vorbereiten. Deshalb haben wir vier Wochen nach dem Anruf gedreht.

t3n: Welchen Deal habt ihr den Löwen vorgeschlagen? 

Alexandra Vázquez Bea: Es waren 150.000 Euro für 20 Prozent unserer Firmenanteile. Um einen Deal ging es uns aber nicht in erster Linie.

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t3n: Ein Klassiker.

Vázquez Bea: Ja, wir wollten vor allem den Zuschauer am Fernseher überzeugen. Zumal uns von der Produktionsfirma zugesichert wurde, dass unser Auftritt erst im November zum Ende der damaligen Staffel gezeigt wird – also in der Vorweihnachtszeit. Für Lebkuchen-Werbung war das der perfekte Zeitpunkt.

t3n: Wie haben die Löwen auf eure Idee reagiert?

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Vázquez Bea: Gemischt. Für Ralf Dümmel beispielsweise war das Thema wegen dem Onlinefokus nicht interessant, auch Frank Thelen ist schnell ausgestiegen. Er hat unsere Lebkuchen gesehen und meinte nur: An dem Thema habe ich kein Interesse.

Rieger: Was Dagmar Wöhrl, die ja aus der Lebkuchenstadt Nürnberg kommt, scharf kritisiert hat. Auch Carsten Maschmeyer hatte Interesse, doch für ihn war die Ticketgröße einfach zu klein. Am Ende gab es also gar keinen Deal für uns. Aber mit dem Dreh hatten wir ja den Grundstein für kostenlose TV-Werbung gelegt.

t3n: Wie ging es nach dem Dreh weiter?

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Rieger: Wenige Tage nach dem Dreh erhielten wir von der Produktionsfirma einen weiteren Anruf. Die bot uns an, mit einem Kamerateam nach Hannover zu kommen, um eine Homestory zu drehen. Das sind diese mehrminütigen Einspieler vor der Ausstrahlung eines Auftritts in „Die Höhle der Löwen“, in denen das Startup noch mal ausführlich vorgestellt wird. Das Kamerateam hat dann unsere Backstube besucht und meine Mutter gefilmt, die das Rezept an uns weitergegeben hat.

t3n: Ein gutes Zeichen, dass euer Auftritt auf jeden Fall ausgestrahlt wird.

Vázquez Bea: Absolut, ja. Da sprach bis zu diesem Zeitpunkt nichts dagegen. Zumal die Produktionsfirma uns auch noch mal gesagt hat, wie super sie die Geschichte finden und wie gut sie in die Vorweihnachtszeit passt. Wir haben keinen Moment daran geglaubt, dass unser Auftritt noch gestrichen werden könnte.

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Rieger: Genau. Deshalb haben wir auch schon mit den Vorbereitungen in der Produktion begonnen. Wir wollten ja pünktlich zur Ausstrahlung auch lieferfähig sein.

t3n: Wie sahen die Vorbereitungen konkret aus?

Rieger: Wir haben ungefähr 300.000 einzelne Lebkuchen produziert. Problematisch waren vor allem die Versandkartons für die vielen unterschiedlichen Lebkuchengrößen. Anders als beispielsweise bei einer App reicht es eben nicht, bloß Serverkapazitäten für die Sendung anzumieten, sondern wir mussten die Verpackungen vorab einkaufen und die Lebkuchen mit wochenlangem Vorlauf einpacken und lagern, um später nur noch abverkaufen zu müssen.

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Vázquez Bea: Für ein junges Startup wie unseres ist das natürlich sehr kostspielig. Wir sind ja kein Unternehmen wie Lindt, das mal eben eine Million Verpackungen bestellt. In unserer Größenordnung war es schwierig, gute Preiskonditionen mit den Lieferanten auszuhandeln. Als Startup ohne lange Historie lassen sich auch nur wenige auf eine Vorfinanzierung ein, wir mussten oft in Vorkasse gehen. So haben wir Verbindlichkeiten von rund 150.000 Euro aufgebaut.

Rieger: Zusätzlich zu den laufenden Kosten. Extra für den Auftritt haben wir beispielsweise zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, die die Website überarbeitet haben und im Nachgang der Sendung auch Kundenanfragen bearbeiten sollten. Als die neue Staffel von „Die Höhle der Löwen“ dann begann und wir Mitte Oktober immer noch keine Rückmeldung von der Produktionsfirma hatten, wurden wir aber langsam unruhig.

t3n: Erfährt man nicht vor Staffelstart, ob der eigene Auftritt gezeigt wird?

Rieger: Nein. Von der Produktionsfirma hieß es, dass wir das spätestens drei Wochen vor Ausstrahlung der jeweiligen Folge erfahren. Das hat wohl damit zu tun, dass die einzelnen Folgen immer erst kurz vorher final geschnitten und abgenommen werden. Entsprechend haben wir so geplant, dass unser Lager bis Ende Oktober fertig gefüllt ist und noch Serverkapazitäten für unsere Website angemietet.

Vázquez Bea: Wir haben dann sicherheitshalber auch noch mal eine Whatsapp an einen Mitarbeiter der Produktionsfirma geschickt, der uns noch etwas vertröstet hat. Drei Tage später kam dann endlich eine E-Mail.

t3n: Mit einer schockierenden Nachricht.

Vázquez Bea: Ja. Die Juristin aus dem Produktionsteam schrieb uns, dass wir doch nicht in der Staffel dabei sind – kurz und knapp.

t3n: Wie hat sich die E-Mail angefühlt?

Vázquez Bea: Ich habe die E-Mail noch drei Mal gelesen und es immer noch nicht geglaubt. Ich hielt das für einen Scherz. Wir haben dann sofort bei der Produktionsfirma angerufen.

Rieger: Das war natürlich zwecklos. Der Vertrag, den Startups mit der Produktionsfirma schließen, sieht eben vor, dass der Sender sich am Ende noch gegen eine Veröffentlichung des Auftritts entscheiden kann. Uns war vor der Absage nicht bewusst, dass es bereits mehreren Startups so gegangen ist und sie auf Vorrat produzieren. Trotzdem, der ganze Aufwand vorher: Der Dreh, die Homestory, der viele Zuspruch des Produktionsteams, die Vorbereitungen – alles umsonst. Wir waren völlig geschockt.

Vázquez Bea: Und hatten plötzlich ein ernsthaftes finanzielles Problem.

t3n: Inwiefern?

Rieger: Wir hatten Verbindlichkeiten von mehr als 150.000 Euro, die wir ohne den geplanten Umsatz aus der Sendung unmöglich tilgen konnten. Wegen einer E-Mail drohte uns quasi die Insolvenz.

t3n: Aber war es nicht auch blauäugig, sich wegen einer einzigen Sendung derart zu verschulden?

Rieger: Nein, auf keinen Fall. Nach allen Fakten, die uns vorlagen, konnten wir ohne weiteres mit einer Ausstrahlung rechnen. Und sich gar nicht auf die Sendung vorbereiten ist ja erst recht keine Option, als Unternehmen willst du auch keine Lieferprobleme haben oder einen Onlineshop, der nicht erreichbar ist. Außerdem standen den Verbindlichkeiten ja genau kalkulierte Umsatzerwartungen gegenüber.

t3n: Was heißt das genau?

Rieger: Wir hatten das Jahr 2017 mit einem Umsatz von circa 65.000 Euro abgeschlossen und planten für 2018 – ohne die Löwen – mit realistischen 140.000 Euro. Also eine Verdopplung des Umsatzes. Als sich dann die Teilnahme an der Sendung ergab, haben wir mit einer halben Million Euro Umsatz kalkuliert. Und das war schon das Worst-Case-Szenario, wenn beispielsweise der Server abraucht oder wir Lieferprobleme haben. Optimistisch hatten wir deshalb gar mit 900.000 Euro Umsatz gerechnet. Und auch das war nicht aus der Luft gegriffen, sondern von Erfahrungen anderer Startups aus der Sendung gedeckt.

t3n: Nun war diese Rechnung trotzdem hinfällig. Wie ging es weiter?

Vázquez Bea: Wir haben unter anderem die Produktion erst einmal gestoppt und unser Gehalt gekürzt. Uns war aber schnell klar, dass es ohne den Goodwill unserer Lieferanten und Investoren nicht geht.

Rieger: Wir haben dann beispielsweise mit einem Verpackungshersteller die Vereinbarung getroffen, die Rechnungen über einen Zeitraum von sechs Monaten abstottern zu können. Das Problem war ja auch, dass Lebkuchen ein Saisongeschäft ist. Im ersten Halbjahr 2019 konnten wir also nicht mit vielen Einnahmen rechnen, was unsere Verhandlungsposition nicht verbessert hat. Derartige Gespräche mit Lieferanten waren einige nötig. Am Ende hat es zwar knapp gereicht, auch weil ein Investor noch mal ein Darlehen gewährt hat. Rechnungen stottern wir immer aber immer noch ab. Hinzu kommen hohe Lagerkosten für die vielen Verpackungen und Kartons.

t3n: Habt ihr zwischendurch auch mal ans Aufgeben gedacht?

Vázquez Bea: Es ist nicht so, dass wir uns sofort mit dem Insolvenzantrag auf dem Weg zum Amtsgericht gesehen haben. Aber die Überlegung zum Aufgeben gab es tatsächlich: Wir liefen ja bereits vor der Absage durch die Produktionsfirma auf dem Zahnfleisch, haben Nachtschichten eingelegt, unsere Familien vernachlässigt. Und wenn dann so eine bittere E-Mail kommt und du weißt: Die Nachtschichten werden bleiben und die Familien weiterhin leiden – das schafft wenig Zuversicht.

Rieger: Andererseits sind wir auch Gründerinnen. Da gehört es in Krisensituationen dazu, dass man versucht, die eigene Firma zu retten.

t3n: Wo steht eure Firma heute?

Rieger: Ein bisschen Saure-Gurken-Zeit besteht weiterhin. Wir können immer noch keine großen Sprünge machen. Die Auftragslage ist aktuell aber sehr gut und man kann wohl sagen, dass wir das Gröbste überstanden haben. Wir machen im Plan eben so weiter, wie wir es ursprünglich auch ohne DHDL vorhatten – nur eben langsamer, dafür aber auch deutlich nachhaltiger. Rückblickend, mit der Erfahrung aus dem letzten Jahr ist es für unser Unternehmen und uns der weitaus bessere Weg.

t3n: Ihr würdet also nicht noch mal an „Die Höhle der Löwen“ teilnehmen?

Vázquez Bea: Nein, auf keinen Fall.

t3n: Vielen Dank für das Gespräch.

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Dein t3n-Team

Patrick

Das ist anscheinend richtig übel gelaufen. Die beiden Frauen haben meiner Meinung nach, so wie es geschildert wurde, alles richtig gemacht. Bei manchen Deals muss man in Vorkasse gehen. Die Intransparenz und das gute Zusprechen von Fernsehsender mit einer anschließenden Absage ist üblich.

Weiter machen!

Antworten
Daniel

Liebes t3n Team,

Ihr hättet in Euren Artikel ruhig öfter auf das Lenchen Startup verlinken können.

Dafür hättet Ihr Euch ein paar Löwen Links sparen können ;-)

Liebe Grüße Daniel

Antworten
manney

Also auch wenn mir der Lebkuchen der Lenchen sehr gut geschmeckt haben, muss ich sagen, dass es mir überhaupt nicht zusagt, wie groß das Thema hier aufgebauscht wird.
Ich bin seit zehn Jahren Unternehmerin und jeder gute Steuerberater gibt seinen Firmen-Kunden etwas mit auf den Weg:

Sie können nicht mit Geld rechnen, das Sie in der Zukunft haben werden könnten. (Konjunktiv Fut.1)

Und nur eine Vorab-Kalkulation auf einem „was wäre wenn“ aufzubauen ist aus unternehmerischer Sicht unklug und wenig richtungsweisend. Es macht den Eindruck, dass die Frauen nur billige Werbung schalten wollten.
Alle Hoffnungen in eine Sendung zu setzen, dort aber einen Vertag unterschreiben, in dem beim Kleingedruckten steht, dass sich die Produktionsfirma vorbehalten darf, den Spot/ die Szenen nicht auszustrahlen, und hinterher an die Presse gehen, weil der Spot eben nicht ausgestrahlt wurde und man sich als geschädigt sieht, obwohl niemand versichert hat, dass der Umsatzsegen überhaupt eintritt ist meiner Meinung nach ziemlich anmaßend.

Womit ich bei dem neuerlichen Wiso-Auftritt der beiden im ZDF bin: Sie versuchen alles um ins Fernsehen zu kommen. Das macht ein Start-Up kein bisschen sympathisch, weshalb ich dort auch nie wieder einkaufen werde.

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