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Boom mit Nebenwirkungen: Paketbranche ächzt unter der letzten Meile

Drei Mal warf ein Hermes-Bote ein Paket nach oben. Erst beim dritten Versuch landete es auf dem Balkon des Adressaten. Das Video war ein Twitter-Hit, danach verlor der Bote seinen Job. Einzelfall oder passendes Beispiel für Probleme bei der Paket-Zustellung?

4 Min. Lesezeit
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Die letzte Meile bis zur Haustür macht Paketdiensten besonders zu schaffen. (Foto: Shutterstock)

Die Paketbranche bekommt den Druck des Wachstums zu spüren. Angesichts der rapide steigenden Nachfrage fehlt es an Fahrern und die Arbeitsbelastung scheint so hoch wie der Beschwerdepegel. Immer wieder regen sich Kunden über Mängel auf. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter haben sie Fotos gepostet von absurden Benachrichtigungskarten an Empfänger, die beim Zustellversuch nicht zu Hause waren. Eine zum Beispiel ist irrtümlich gerichtet an einen „Herrn Amazon“. Ein anderes Bild zeigt den Hinweis, das Paket liege beim Nachbarn mit dem Namen „Keine Werbung“.

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Solche Fehler von Zustellern mögen Einzelbeispiele sein. Und doch sind sie Hinweis auf ein generelles Problem. Diesen Schluss legen auch die steigenden Paket-Beschwerdezahlen bei der Bundesnetzagentur nahe: 2017 waren es rund 2.000 kritische Wortmeldungen, 2018 schon 4.300. Pakete waren verspätet oder sie landeten woanders als gedacht.

Zwar scheinen die Beschwerdezahlen gering angesichts immenser Paket-Gesamtmengen. Zudem ist ein Grund für die steigenden Zahlen, dass die Möglichkeit zur Beschwerde bekannter wird. Dennoch: Immer mehr Kunden machen ihrem Frust Luft.

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Problem bei der Logistik: Die letzte Meile

Woran liegt das? Für eine Antwort lohnt ein Blick auf die letzte Meile, also den letzten Zustellschritt bis zur Paketübergabe. Das ist der entscheidende Punkt der Branche. „Auf der letzten Meile entstehen 50 Prozent der Kosten bei der Paketlieferung“, sagt der Logistik-Professor Kai-Oliver Schocke von der Frankfurt University of Applied Sciences. „Da kann ein Paketdienstleister viel falsch machen – hier entscheidet sich, ob er Erfolg hat oder nicht.“

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Alle Paketdienstleister wollen ihre letzte Meile verbessern – ob Marktführer Deutsche Post DHL, ob Hermes, DPD oder GLS. Ihre Probleme sind ähnlich: Sie suchen händeringend Fahrer, um die steigende Nachfrage decken zu können. Außerdem müssen die Firmen verstärkt auf E-Mobilität setzen, um Klimavorgaben zu erfüllen – hierbei ist die Deutsche Post mit mehr als 9.000 Streetscootern gut unterwegs.

Die Dienstleister ärgern sich alle über Staus und Parkplatzmangel – entweder ihre Transporter müssen in der zweiten Reihe parken oder ihre Fahrer müssen weit laufen mit den Kartons im Gepäck. Dann öffnet häufig niemand die Tür. Also müssen sie beim Nachbarn oder woanders ihr Glück versuchen. Das kostet Zeit und Geld – und der Berg an Paketen wird in der Zeit auch nicht kleiner.

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Seit Jahren schon nimmt die Sendungsmenge zu. Waren es 2009 laut Branchenverband BIEK noch 1755 Millionen Pakete, so waren es 2017 bereits 2804 Millionen – ein Plus von rund 60 Prozent.

Die wirtschaftliche Situation ist angespannt, das verdeutlichen auch Probleme des Marktführers: Die Deutsche Post DHL musste im vergangenen Sommer eine Gewinnwarnung verkünden wegen Problemen im Brief- und Paketgeschäft. Bei der letzten Meile stehe man „vor massiven Herausforderungen“, sagt Hermes-Sprecherin Marei Martens. Die letzte Meile sei „der mit Abstand aufwendigste Schritt im gesamten Transportprozess“, heißt es auch bei DPD. Auf der Strecke stiegen die Kosten für Paketdienste „massiv“, die Zustellung an private Empfänger sei enorm aufwendig.

„Die Situation auf der letzten Meile hat sich zugespitzt.“

Wenig zufrieden ist auch Anne Putz vom Paketdienst GLS, einer Tochter der britischen Royal Mail. „Die Situation auf der letzten Meile hat sich zugespitzt“, sagt sie. Grund: der Boom im Online-Handel – die Bestellmengen stiegen so stark, dass man an Kapazitätsgrenzen komme. Der Fahrermangel, steigende Kosten und andere Faktoren beeinflussten die letzte Meile so, „dass die Produktivität darunter leidet“.

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Viele Empfänger sind beim Zustellversuch nicht zu Hause

Putz moniert, dass viele Empfänger nicht zu Hause sind beim Zustellversuch. Pakete würden bestellt, obwohl klar sei, dass niemand da ist, wenn der Bote klingelt. Dies sei umso unverständlicher, als es doch Alternativen wie Paketshops gebe. In Dänemark etwa würden solche Abhol-Geschäfte viel stärker genutzt.

Die Branche arbeitet mit Hochdruck an Innovationen, um die Situation auf der letzten Meile zu verbessern. So setzen die Firmen auf Paketkästen, an denen Kunden auch außerhalb der Öffnungszeiten von Paketshops fündig werden – ob die DHL Packstation oder Parcel-Lock von DPD und Hermes. Im Trend sind zudem Mikro-Depots, kleine Sammelstellen in der Stadt, von wo aus Elektro-Lastenräder die Ladung weitertransportieren. Und der Logistik-Professor Schocke testet bald in Frankfurt/Main mit Hermes eine Straßenbahn, die Pakete in die City fährt, wo die Sendungen auf Lastenräder umgeladen werden.

Die Digitalisierung soll die letzte Meile entlasten

Für Entlastung auf der letzten Meile soll die Digitalisierung sorgen. Hier geht es um Echtzeit-Navis für optimierte Routen und die Möglichkeit für Empfänger, bessere Lieferzeitfenster und konkrete Zustelltage zu wählen – dann stünde der Paketbote seltener vor verschlossener Tür. Auch Projekte mit Lieferdrohnen gibt es schon.

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Angesichts der hohen Kosten der letzten Meile ist es erstaunlich, dass eine Paketbestellung in Deutschland zumeist gleich teuer ist, egal, ob man sie nach Hause geliefert bekommt oder in den Paketshop. Das aber könnte sich ändern – Hermes und DPD verlautbaren grundsätzliche Überlegungen, die Haustürlieferung als Premiumprodukt einzustufen und damit generell zu verteuern. GLS hat einen ähnlichen Standpunkt. Kommt es in der Paketbranche zu solch einer Preispolitik, könnte die letzte Meile entlastet werden – weil dann der bequeme deutsche Empfänger doch lieber zum Paketshop geht, anstatt tiefer in die Tasche zu greifen.

Von Wolf von Dewitz, dpa

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Ribert Lirert

So schwer kann es nicht sein, und man macht es sich auch schwerer als es ist. Die Lösung geht so:
1. Fahrer mit LIVE GPS ausstatten
2. Kunde bekommt 5 Min vor Zustellversuch eine SMS, E-Mail, Push notification
3. Kunde ist vorbereitet und steht bereit an der Tür zum abholen

Aber so eine Innovation ist nicht gewünscht. In den USA längst Realität, aber wir sind nunmal im langsamen Deutschland. Da will man sowas nicht.

Antworten
Joe

Für DHL nutze ich ausschließlich die Packstation, einfach genial.

Ab und zu bekomme ich eine DPD-Lieferung. Dort kann man den Fahrer tracken und sieht, wo er sich gerade befindet.
Auch Nachrichten an den Fahrer kann man absetzen.

Leider treffe ich viele in meiner Umgebung, die sich mit Digitalisierung noch echt schwer tun….

Antworten
R4m8o85

Einfach die Zustellung auf abends verlegen, da sind generell mehr Menschen zu Hause. Viele haben auch einfach nur Angst sich Sendungen an den Arbeitsplatz schicken zu lassen.
Ein weitere Effektive und einfache Option wäre die Angabe eines Zeitfensters wann Lieferungen entgegen genommen werden können.
Optionen und Möglichkeiten gibt es jede menge, man müsste Sie nur umsetzen.

Antworten
ICU

Die Sprecher der Paketdienste sollten mal auf hören herumzuheulen. Lösungsideen sind gefragt und nicht herumgejammere.
Als gewöhnlicher Büromensch bin ich einschl. Arbeitsweg halt zwischen 7:00 und 17:00 Uhr nicht zu hause. Die Zusteller kommen aber alle vormittags zwischen 10:00 und 12:00. Statt herumzuheulen, sollten die Paketdienste mir nun sinnvolle Lösungen anbieten, damit sie das Paket bei mir loswerden.
Sinnvoll wäre z. B. eine Wunschzustellung zwischen 17 und 21 Uhr (ja auch Busfahrer fahren abends und nachts ;-)
Andere Kunden können sich ja dann 6:00 bis 13:45 wünschen. Und mit den heutigen Mitteln der Optimierung (Stichwort KI) sollte es ja möglich sein, passende Routen zu erstellen und die Lieferfahrzeuge passend zu beladen.
Der Informationsfluss müsste nicht nur etwas besser, sondern erheblich besser werden. Habe gerade von GLS eine Info bekommen, dass mein Paket zwischen 9:45 und 13:irgendwas kommt. Aber leider ohne Nennung des Tages :-o Klasse Nummer!
DPD ist auch immer wieder super: Zehn Minuten vor Zustellung kommt die Nachricht dass sie gleich da sind. Und ein Wunschtermin oder eine Ablagevollmacht kann nicht mehr ausgestellt werden, zu kurzfristig :-o
Die Alternative Paketshop passt auch nicht immer, wenn der Shop nur von 9:00 bis 16:00 Uhr auf hat :-o Da kann ich schlecht vor 7 oder nach 17 Uhr vorbeifahren.
Und der Weg zum Paketshop passt auch nicht, bei UPS muss ich von Arbeit nach Hause einen Umweg von 45 Minuten fahren.
Zurück zum Informationsfluss, wenn Versender und Zusteller mir nicht mitteilen, das ein Paket kommt, und auch nicht wann, dann kann ich schlecht eine Alternative zur Zustellung festlegen.
Jetzt höre ich aber auch herumzujammern, wie schlecht doch die Welt ist ;-) Und mal sehen, ob Hermes es schafft, dass Paket, was heute zugestellt werden soll, wegen Abwesenheit auch im richtigen Paketshop landet.

Antworten
Titus von Unhold

Da hilft es entweder generell nur bei Versendern zu bestellen die mit DHL arbeiten und dann an die Packstation liefern zu lassen, oder das Paket zum Arbeitgeber zu schicken.

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