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Die Liebe der Deutschen zum Bargeld stirbt

Die Deutschen gelten als bargeldverliebt. Wenn dem so ist, dann stirbt die Liebe allmählich. Fachleute erwarten eine rasante Beschleunigung des Trends zum elektronischen Bezahlen.

3 Min. Lesezeit
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Bargeld von einem Geldautomaten. Experten glauben, dass Smartphones Bargeld als beliebteste Art der Zahlung ablösen werden. (Foto: Andrey Arkusha / Shutterstock)

Die Verbraucher in Deutschland rücken immer schneller von ihrer einstigen Vorliebe für das Bargeld ab. Einzelhandel und Bezahlbranche erwarten für die nächsten Jahre eine rasche Verbreitung digitaler Zahlverfahren – besonders über das Handy. „Die Entwicklung ist am Anfang und wird sich stark beschleunigen“, sagt Bezahlexperte Ulrich Binnebößel, der beim Handelsverband HDE sowohl für Bargeld als auch für neue Zahlungssysteme zuständig ist.

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Der Zahlungsdienstleister Wirecard geht davon aus, dass das Smartphone zum dominanten Zahlungsmittel werden wird: „Das ist der logische Weg“, sagt Susanne Steidl, die Produktchefin im Vorstand des Dax-Konzerns. „Das Mobiltelefon ist die Identifikation des Menschen.“

25 Prozent der Deutschen nutzen mobile Bezahl-Apps

Zahlungen per Karte sind in Deutschland schon lange verbreitet, doch bei mobilen Bezahl-Apps waren die Bewohner der Bundesrepublik bislang zögerlich. In Deutschland nutzten 25 Prozent der Verbraucher mobile Zahlverfahren, in den Niederlanden dagegen bereits mehr als die Hälfte, heißt es in einer im März veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung PWC. Doch das Bild ändert sich rapide.

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So sind seit 2018 Apple Pay und Google Pay auch in Deutschland verfügbar, die Allianz hat eine ursprünglich in Italien getestete Bezahl-App nun auch in Deutschland auf den Markt gebracht. Und der im Münchner Vorort Aschheim ansässige Bezahlspezialist Wirecard ist quasi überall dabei: Einerseits als Kooperationspartner für Apple, Google, Visa, die Allianz und andere Unternehmen, andererseits mit der eigenen Bezahl-App Boon. Und an sehr vielen Ladenkassen ist Wirecard ebenfalls präsent, weil das Unternehmen den Händlern die Schnittstelle für elektronische Bezahlverfahren liefert.

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Die Daten der Bundesbank zeigen, dass die Verbraucher immer häufiger zu Karte oder Handy greifen: 2014 wurde in Deutschland 3,4 Milliarden Mal elektronisch bezahlt – sowohl an Kassen als auch bei Einkäufen im Internet und per Telefon. 2018 waren es bereits fast 5,3 Milliarden elektronische Bezahlvorgänge.

Darin enthalten ist das mobile Bezahlen, dies wird aber nicht separat erfasst, wie eine Sprecherin der Bundesbank erläutert. „Die Kunden orientieren sich neu und setzen ihre Karten für immer kleinere Beträge ein“, meint HDE-Experte Binnebößel.

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„Für Verbraucher steht das Bedürfnis nach Einfachheit und Bequemlichkeit im Vordergrund“, argumentiert Wirecard-Produktchefin Steidl. „Auch deshalb wird künftig sehr viel mehr über das Smartphone bezahlt.“ Gerade bei kleinen Händlern könne das Smartphone oder Tablet auch die Kasse komplett ersetzen.

„Die Girocard“ – landläufig bekannt als EC-Karte – „muss endlich onlinefähig werden.“

Doch gibt es Hindernisse, vor allem aus Sicht der Einzelhändler. Ein Hindernis sind Kosten: „Die bisherigen app-basierten elektronischen Verfahren sind Fernzahlungen, auch wenn sie im Laden am POS vollzogen werden“, sagt HDE-Bezahlfachmann Binnebößel. POS bedeutet Point-of-Sale und ist der bei Experten übliche Begriff für die Kasse. „Und dafür fallen Gebühren an. Fernzahlung ist teuer.“

Außerdem fehlt bislang ein einheitliches technisches Prozedere für die verschiedenen elektronischen Bezahlverfahren: „Momentan gibt es Insellösungen, aber noch nicht den einen Standard“, sagt Binnebößel. „Das wäre eine Entwicklung, die allen zugutekommen würde.“

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Ein weiteres Manko aus Sicht der Händler: Mit dem am weitesten verbreiteten elektronischen Zahlungsmittel in Deutschland lassen sich nach wie vor keine direkten Zahlungen für Einkäufe im Internet tätigen: „Die Girocard“ – landläufig bekannt als EC-Karte – „muss endlich onlinefähig werden“, sagt Binnebößel. Denn möglich sind bisher nur Online-Überweisungen oder Lastschrift.

Kassenschlangen sind heute eigentlich unnötig

Doch die Entwicklung schreitet voran. So denken Bezahlbranche und Einzelhandel keineswegs nur darüber nach, wie Bargeld überflüssig werden könnte. Auch der Ladenkasse droht langfristig das Aus. Denn ob bar, Karte oder Handy, bezahlt wird im Laden bisher in aller Regel an der Kasse.

Doch Schlangestehen ist unbeliebt, und wäre beim heutigen Entwicklungsstand auch nicht mehr notwendig. „Die Authentifizierung übers Mobiltelefon erlaubt unterschiedliche Formen des Bezahlens“, sagt Wirecard-Vorständin Steidl. „So ist es jetzt schon technisch möglich, Artikel im Regal mit dem Smartphone zu scannen und den Bezahlvorgang auszulösen.“ Ebenso möglich ist das Bezahlen über Gesichtserkennung wie per Handauflegen über Scanner. Wirecard führte seinen Aktionären derartige Systeme kürzlich auf der Hauptversammlung in München vor.

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Im Handel heißt Bezahlen ohne Personal und ohne Kasse „Self Check-out“, erste Unternehmen wie die Elektrohandelskette Saturn experimentieren damit. Doch auch das bedeutet für die Händler Herausforderungen. Die Umstellung sei „nicht trivial“, sagt HDE-Experte Binnebößel. Eine ganz wesentliche Frage: Wie lässt sich massenhafter Ladendiebstahl verhindern, wenn es keine Kasse mehr gibt?

In absehbarer Zeit wird die Ladenkasse nicht verschwinden, sondern unterschiedliche Bezahlverfahren nebeneinander existieren. „Es passt nicht ein Bezahlmodell für alle“, meint Wirecard-Produktchefin Steidl. Doch das Bargeld ist auf dem Rückzug. dpa

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Peter Sanddorn

Jau. Wenn ich meiner Familie dann bald nicht mehr nen hunderter in die Hand drücken kann, ohne dass das registriert wird und versteuert werden muss, weil Geldgeschenk oder sonstwas, werden sie schon alle sehen, was sie davon haben.

Für die Regierung ist das ein Traum. Alles im System, egal welchen Euro du wo bezahlt hast. Gläserner Bürger pur.

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Titus von Unhold

Ich verstehe das Vertrauen in den Staat auch nicht. Gerade den Parteien die völlig durchgeknallte Innenminister in Amt und Würden bringen, ist generell zuzutrauen auch mit autoritären Faschos zusammen zu arbeiten und die gesammelten Daten der Wirtschaft anzuzapfen.

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Jan

Das Geheimnis heisst schlicht Nudging: Wenn immer mehr Bankfilialen schließen und Automaten immer umständlicher zu erreichen sind, dann ist es kein Wunder, das weniger Leute mit Bargeld zahlen. Die Leute werden dahin erzogen.

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Walter

Vor etwa 4 Wochen gab es schon einmal diese Meldungen in der Presse. Die Verbraucher sollen wohl dazu erzogen werden, auf Bargeld zu verzichten.
Wenn das Bargeld abgeschafft wird, können die Notenbanken bei jedem Bürger einfach ihre Negativzinsen vom Konto abziehen. Auch ist es möglich, jedes Jahr einen Betrag vom Konto abzuziehen, wenn die Geldentwertung weitergeht.
Dass die Notenbanken ein Betrugsystem haben kann man allein schon daran erkennen, dass in der BRD die Inflationsrate, die ja bei 2% liegen soll, immer ohne die Teuerung auf dem Wohnungsmarkt berechnet wird obwohl die Ausgaben für die Wohnung bei 60% der Bürger allein 40% der Ausgaben ausmachen.

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Marcel

Genau das Bezahlsystem ohne Geld birgt noch mehr enormen Sprengstoff für die gesamte Gesellschaft. Der total gläserne Mensch, der total zu manipulierende Mensch, wäre die Folge. Nur die wenigsten in der Bevölkerung ist für Bezahlen ohne richties Geld. Das alles wird schon viele Jahre sehr forciert von denjenigen, die davon profitieren würden. Aber es ist ein Trugschluss. Es würde eine enorme Bombe platzen im Volk. Hört endlich auf, die Vorteile dieses Bezahlsystems zu glorifizieren und fangt an an den Menschen zu denken, der sich diesem Knebelsystem zu unterwerfen hätte.

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Johnnii360

Na ja, es hat halt alles sein Für und Wider. Ich persönlich bevorzuge auch eher mit Karte zu zahlen. Es macht aus meiner Sicht auch zeitlich keinen Unterschied, ob ich jetzt am zusammenklabustern meines Kleingeldes bin oder meinen Pin in das Terminal eingebe.
Darüber hinaus kann das „virtuelle“ Geld nicht so schnell geklaut werden wie Bargeld. Wird der Geldbeutel mal geklaut, dann braucht man nur die Karte sperren und das Geld ist sicher. Bei Bargeld muss man bei der Polizei dann noch den Wert angeben und dem Geld hinterherrennen. In den meisten Fällen ist dieses dann verloren.

Trinkgeld kann man auch per Kartenzahlung geben und auch selbst Geldgeschenke sind so möglich. Alleinig zu sagen, dass man auf das Bargeld nicht verzichten kann, nur damit die Menschen weiter Schwarzarbeitgeschäfte führen können, ist kein wirkliches Argument. Darauf läuft es nämlich hinaus. Da kann ich die Banken bzw. Politiker auch verstehen. Letztendlich ist es eh egal, ob das Bargeld nun bleibt oder nicht. Früher oder später wird alles Geld eh nichts mehr wert sein. Im Endeffekt ist Geld auch nicht mehr als Schein und Sein – deswegen heißt er auch Geldschein, der Geldschein. ;) Und auf dem Konto sind es auch nur digitale Zahlen. Da liegen nicht für jeden Bürger Goldbarren im Tresor.

Schwer wird’s halt dann mit den Geldgeschenken bei alten Leuten, die weder PC noch Smartphone haben.

Aber das große Problem ist, dass wir Deutschen viel zu konservativ sind und häufig nichts neues wollen/akzeptieren. Deswegen lachen viele Nationen auch über uns, weil wir technisch gesehen ziemlich zurückliegen. Klar kann man durch die Technisierung auch besser verfolgt werden bzw. die Geldgeschäfte. Aber so gesehen kann man das so auch, denn ein Geldschein hat eine eindeutige Identifikationsnummer und wenn man sich die Mühe macht, kann man so Pi mal Daumen rausfinden, wo jemand sein Geld ausgibt.

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Dennis

„Das Mobiltelefon ist die Identifikation des Menschen.“
Also bin ich ein Smartphone :-D

BTW wenn mir mein Smartphone in A…… geht, also kaputt ist. Wie soll ich mir dann ein neues kaufen, wenn ich ja mit dem Smartphone bezahle? Grübel!?!?!??!

Achja, ich bin ja selbst das Smartphone. Müsste also gehen :-o

Es gibt ja Länder, bei denen Kartenzahlung oder Handyzahlung meist gut funktionieren. Ich stand nur vor vier Wochen an einer isländischen Supermarktkasse gut 10 Minuten an, bis der Computer endlich die Kreditkarte des Isländers zwei Positionen vor mir endlich verarbeiten wollte. In der Zwischenzeit waren an der Nachbarkasse mehrere Touris und auch Isländer mit Bargeld durch.

Bargeld funktioniert einfach reibungslos. Das wird uns mit Computergeld nie passieren. Nur die staatliche und privatwirtschaftliche Überwachung funktioniert dann besser.

Antworten
nik

Einen Beitrag, in dem im Grunde steht „Experten erwarten“ mit „Die Liebe der Deutschen zum Bargeld schwindet“ zu überschreiben, finde ich ehrlich gesagt ziemlich unlauter. Wie hieß es früher mal: „Sagen was ist“.

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