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Interview

Flugtaxi-Erfinder: „Ich würde sogar meine Mutter in das Ding setzen“

Daniel Wiegand will das weltweit erste Flugtaxi auf den Markt bringen. Der Lilium-Gründer über den Spott aus der Bevölkerung, die Konkurrenz durch Airbus und seine krassen Arbeitszeiten.

Von Daniel Hüfner
7 Min.
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Lilium-Gründer Daniel Wiegand will den Traum vom Lufttaxi wahr werden lassen. (Foto: dpa)

Wer Daniel Wiegand treffen will, muss viel Geduld mitbringen. Auch wenn man sich bereits vor Wochen mit ihm zum Interview verabredet hat. Kaum verlässt er auf dem hauseigenen Unternehmerforum der TU München die Bühne, wird Wiegand umringt von einer Menschentraube. Investoren, Gründer, alte Kommilitonen – alle wollen ihm an diesem sonnigen Apriltag die Hand schütteln oder wenigstens eine Visitenkarte abstauben. Sogar auf dem Weg zum Interview muss der 32-Jährige noch dreimal anhalten und die anderen Gesprächsangebote höflich, aber bestimmt ablehnen.

Popstar der deutschen Startup-Szene

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Wiegand ist ein gefragter Mann. Und der neue Popstar der deutschen Startup-Szene. Spätestens seit er im vergangenen Jahr die stolze Summe von 90 Millionen Dollar für sein Startup eingeworben hat, ist Lilium vielen Menschen ein Begriff.

Das Gründerteam von Lilium mit dem elektrischen Flugtaxi. (Foto: Lilium)

Das Startup mit Sitz in Gilching bei München arbeitet an einem vollelektrischen Flugtaxi, das den Stadtverkehr revolutionieren soll. Geplant ist nicht weniger als ein weltumspannendes Transportnetzwerk aus Flugtaxis, die nach dem Vorbild von Uber per App nach Hause oder zur Arbeitsstelle gerufen werden können.

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Eine Idee, die Wiegand ausgerechnet in Deutschland vorantreiben will – dem Land der Bedenkenträger. Als sich die frisch ins Amt gewählte Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär, kürzlich vor laufenden Fernsehkameras für Flugtaxis stark machte, erntete sie in der Bevölkerung viel Spott. „Absolut nicht angebracht“, sagt Wiegand rückblickend. Im Gespräch mit t3n.de erklärt der Lilium-Gründer, wie er sein Lufttaxi entgegen der Meinung vieler Kritiker schon bald auf den Markt bringen will.

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t3n.de: Herr Wiegand, Dorothee Bär hat für ihre Flugtaxi-Äußerung kürzlich viel Spott geerntet. Wie haben Sie die Aussage aufgenommen?

Daniel Wiegand: Ich fand es toll, dass sie so pragmatisch war und ehrlich gesagt hat, wie sie über Flugtaxis denkt. Das Problem ihrer Aussage lag eher im Kontext: Wenn ich als neue Digitalministerin zum ersten Mal ein Fernsehinterview gebe, dann wollen die Menschen natürlich erstmal was zum Breitbandausbau in Deutschland hören.

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t3n.de: Also war die Kritik durchaus berechtigt?

Nein, der Spott war absolut nicht angebracht. Dorothee Bär hat nämlich recht: Digital bedeutet nicht nur Breitbandausbau, sondern steckt in Tausenden Anwendungen. Alle reden über Industrie 4.0, das Internet der Dinge – das ist alles genauso digital wie ein Flugtaxi, in dem über 1.000 Prozessoren verbaut sind.

t3n.de: Allerdings gilt die digitale Infrastruktur in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern als sehr rückständig. Es gibt kaum Glasfaserausbau und bis flächendeckende 5G-Netze die Realität sind, wird es noch Jahre dauern. Das klingt nicht nach guten Rahmenbedingungen für den Betrieb von Flugtaxis.

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Technologisch gesehen können wir mit dem arbeiten, was bereits an Infrastruktur vorhanden ist. Wir sind auch in ständigem Kontakt mit Netzanbietern in Regionen, von denen wir glauben, unseren Service als erstes anbieten zu können. Noch kann ich aber nicht sagen, wo wir als erstes starten werden. Vielleicht auch im Ausland.

t3n.de: Wann wird der Lilium-Jet denn erstmals Menschen von A nach B befördern?

Das wird Anfang bis Mitte der 2020er-Jahre passieren. Natürlich ist das noch einige Jahre hin, aber es wird schneller gehen, als viele Menschen jetzt noch glauben. Übrigens schließen sich der Breitbandausbau und die Entwicklung von Flugtaxis auch nicht aus. Wir brauchen beides, um das Land digital voranzubringen.

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t3n.de: Im vergangenen Jahr haben Sie einen weltweit beachteten, unbemannten Jungfernflug mit dem Lilium-Jet absolviert. Was ist seitdem passiert?

Was wir damals gezeigt haben, war ein lebensgroßer Prototyp mit zwei Sitzen. Seitdem haben wir das Flugzeug in allen erdenklichen Manövern getestet. Wir kennen jetzt die Technologie und sind nun dabei, aus dem Prototyp ein serienreifes Flugtaxi mit fünf Sitzen zu bauen. Nach der Zulassung wollen wir damit auf den Markt gehen.

t3n.de: Apropos Zulassung – oft wird in Deutschland ja eine Überregulierung beklagt. Ist das nicht ein Problem für Sie?

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Ich finde nicht, dass wir ein überreguliertes Land sind. Sobald Menschen zusammenleben und es neue Technologien gibt, muss man sie sogar regulieren.

t3n.de: Das müssen Sie erklären.

Bei Lilium haben wir das Henne-Ei-Problem: Es gibt eine neue Technologie, jedoch in manchen Aspekten keine Regulierung dafür. Die werden wir aber brauchen. Mein Wunsch als CEO vom Lilium ist nicht: „bloß keine Regulierung“, sondern ich möchte klare Regeln sowohl für den Luftraum als auch bei Lärmstandards und Landeplätzen. Sonst funktioniert es nicht.

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t3n.de: Trotzdem müssen Sie für ihre Idee viel Lobbyarbeit betreiben.

Das ist richtig. In Gesprächen mit Behörden vernehmen wir jedoch keine Ängste. Es gibt viel Begeisterung für das Projekt und die Bereitschaft, uns Steine aus dem Weg räumen zu wollen.

t3n.de: Wie wird der Lilium-Jet in Vergleich zu anderen Transportmitteln bei der Sicherheit dastehen?

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Extrem gut. Eines unserer großen Ziele war, dieselbe Sicherheitsstufe zu erreichen wie in der Passagierluftfahrt. Dafür setzen wir nicht nur auf dieselben Entwicklungsprozesse, sondern auch auf technologische Redundanzen. Es gibt kein Bauteil im Lilium-Jet, das nicht mindestens zweimal vorhanden ist. Fällt beispielsweise eine Turbine aus, übernimmt eine andere den Job.

t3n.de: Und wenn es trotzdem zu ernsten Zwischenfall kommt?

Natürlich gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Nichts ist absolut sicher, auch nicht unsere Atomkraftwerke. Sollte der Ernstfall eintreten, verfügt der Lilium-Jet aber über einen Fallschirm an Bord, der das Flugzeug sicher zu Boden bringt.

t3n.de: Also würden Sie den Jet auch Menschen mit Flugangst empfehlen?

Absolut! Ich würde sogar meine Mutter und meine Kinder in das Ding reinsetzen. Das Ziel hatte ich schon vor Augen, als ich die Firma gegründet habe. So erklärt sich eigentlich von selbst, wie man das Flugzeug bauen muss.

t3n.de: Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Sie?

Das kommt darauf an. Zählt das Grübeln unter der Dusche auch dazu? Wenn ja, schätze ich mal bis zu 75 Stunden pro Woche.

t3n.de: Das sind fast elf Stunden pro Tag. 

Das Unternehmen würde auch 500 Stunden von mir vertragen. Natürlich ist eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit immer eines der größten Probleme, die man als Selbstständiger bewältigen muss. Mittlerweile schaffe ich es, mir wenigstens einen Tag in der Woche frei zu nehmen. Dafür musste ich lernen, mich selbst zu stoppen und viele Teile meiner Arbeit auf andere Schultern zu verteilen. Aber das ist auch wichtig. Ich würde niemandem empfehlen, dem Klischee vom Unternehmer nachzueifern, der bis zum Umfallen arbeitet oder unterm Schreibtisch schläft.

t3n.de: Klingt nicht so, als sei Elon Musk Ihr Vorbild.

Doch, nur messe ich meine Vorbilder nicht an ihren Arbeitszeiten.

t3n.de: Wer sind Ihre Vorbilder?

Gottlieb Daimler, Carl-Friedrich Benz und Otto Lilienthal. Das waren Menschen, die einfach nur eine Idee hatten mit dem Ziel, die Welt besser zu machen. Ohne sich bremsen zu lassen. Auch Elon Musk gehört für mich dazu.

t3n.de: Und Sie treibt dasselbe an?

Ja. Bevor ich Lilium gegründet habe, war mir die Schwierigkeit des Vorhabens bewusst. Ein Flugtaxi baut man ja nicht mal eben aus einer Bierlaune heraus. Aber ich habe mir immer gesagt: Das, was ich da bauen möchte, würde so vielen Menschen das Leben erleichtern, so viel wirtschaftliches Wachstum freisetzen. Ich könnte zu jederzeit überall hinreisen und viel mehr Freunde besuchen als früher. Zudem schont der elektrisch betriebene Jet noch die Umwelt. Also habe ich mich rangesetzt.

t3n.de: Bisher sind rund 100 Millionen Dollar in Ihre Idee geflossen. Wie viel Geld wird es am Ende brauchen, um Ihr kommerzielles Flugtaxi an den Start zu bringen?

Das kommt auf die jeweilige Phase des Unternehmens an. In den nächsten Jahren werden noch einmal mehrere hundert Millionen Euro in Lilium investiert werden müssen. Später, wenn wir auf dem Markt sind, sprechen wir irgendwann von Milliardenbeträgen.

t3n.de: Und trotzdem wird ein Flug mit Lilium später günstiger sein als ein normales Taxi?

Genau.

t3n.de: Wie kommt der geringe Flugpreis zustande? Immerhin kostet die Fertigung eines Jets sicher mehr als ein Sportwagen.

Der Lilium-Jet kostet ungefähr eine Million Euro im Bau, das ist richtig. Wie können wir trotzdem günstiger sein als ein Taxi? Ganz einfach: Ein Auto ist zwar zehn- bis 20-mal günstiger als ein Flugzeug, es kann aber auch nur ein Zehntel so viel Kilometer machen in seiner Lebenszeit. Flugzeuge können fünf bis sechs Millionen Kilometer zurücklegen, ehe man sie ausmustern muss.

Beim Personal ist das ähnlich: Ein Pilot ist zwar teurer als ein Taxifahrer aufgrund der Ausbildung, aber er fliegt bei uns ungefähr viermal schneller von A nach B. Das heißt er macht in derselben Zeit viermal so viel Kilometer und Umsatz. Unterm Strich kommen wir also günstiger weg – spätestens, wenn unsere Flugtaxis autonom fliegen.

t3n.deMit Volocopter gibt es in Deutschland ein ähnlich ambitioniertes Flugtaxi-Projekt, das unter anderem von Daimler finanziert wird. Beunruhigt Sie das?

Überhaupt nicht. Der Volocopter ist mit seiner Reichweite von knapp 30 Kilometern darauf optimiert, kurze Strecken im einfachen Schwebemodus zurückzulegen. Wir hingegen wollen mit dem Lilium-Jet größere Strecken bis zu 300 Kilometer in hoher Geschwindigkeit bedienen. Auf lange Sicht wird es im Flugtaxi-Markt sehr viele Wettbewerber geben. Und wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir das sogar.

t3n.de: Wieso?

Wir haben gerade eben noch über Carl-Friedrich Benz und Gottlieb Daimler gesprochen. Wenn Daimler-Benz die einzige Firma gewesen wäre, die Autos gebaut hätte, wäre das Auto niemals zum Standard-Transportmittel der Menschheit geworden. Genauso wird es bei den Flugtaxis sein. Der Markt ist viel zu groß, als dass ihn ein einziges Unternehmen wie Lilium alleine abdecken könnte.

t3n.de: Trotzdem arbeiten selbst große Konzerne wie Airbus oder auch Boeing an eigenen Flugtaxis. Wie stellen Sie sich dagegen?

Ich sehe darin kein Problem für uns. Als Startup können wir schneller an Geld kommen als die großen Luftfahrt-Konzerne. Wir sind agiler, innovativer und für neue Mitarbeiter interessanter. Natürlich beobachten wir den Markt und die Wettbewerber sehr genau. Viele werden uns nacheifern und ebenfalls in den Markt drängen. Solange wir am Ende aber die beste Technologie haben – und das haben wir derzeit –,  kann ich gut schlafen.

t3n.de: Sind Sie heimlich eigentlich schon mit dem Jet abgehoben?

Ich bin natürlich eingestiegen, aber nicht abgehoben. Das darf ich nicht. Ich möchte es mir mit den Behörden ja nicht verscherzen.

t3n.de: Danke für das Gespräch.

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