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Kolumne
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Luxusprobleme: Wir erleben eine digitale Wohlstandsexplosion – nur nicht für alle

Wohlstandsexplosion, Negativrekorde bei Kriminalität und Gewalt und ein immer längeres Leben – warum wächst die Verunsicherung in oberflächlich betrachtet paradiesischen Zuständen? Der Kern unserer bürgerlichen Gesellschaft steht uns im Weg, um die Früchte des Fortschritts endlich allen zugutekommen zu lassen. Die Neuland-Kolumne.

Von Stephan Dörner
11 Min. Lesezeit
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Wir erleben eine digitale Wohlstandsexplosion – nur nicht für alle. (Foto: Gaudilab/Shutterstock)

Um die Probleme unserer aktuellen Zeit nüchtern zu analysieren, hilft es, unsere Zeit mit Abstand zu betrachten, eine historische Perspektive einzunehmen. Stellen wir uns vor, wie ein Mensch des Mittelalters auf unsere Zeit blicken würde. Er würde unfassbaren Reichtum, unvorstellbaren Luxus sehen, er würde eine Welt sehen, die zumindest in der westlichen Hemisphäre fast ohne Gewalt auskommt, ohne Krieg, so gut wie ohne Hunger und Mangel. Und er würde sich die Augen reiben: Eines der größten Probleme dieser Menschen ist, dass ihnen die Arbeit ausgeht?

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Bestandsaufnahme: Industrialisierung, Automatisierung, Globalisierung und jetzt Digitalisierung haben Wohlstand in einem Ausmaß geschaffen, das historisch bisher einmalig ist – und zwar weltweit. Selbst in einigen der ärmsten Staaten der Erde ist die Lebenserwartung inzwischen auf einem Niveau, das mit Deutschland während des Wirtschaftswunders der 1950er-Jahre vergleichbar ist. Gewalt, Krieg und Kriminalität sind in der westlichen Welt so niedrig wie seit dem Beginn halbwegs verlässlicher Statistiken nicht – und trotz aller immer noch aktuellen Konflikte sinkt in der Langzeitbetrachtung auch weltweit die Anzahl der Kriege.

Dennoch ist eine tiefe, weitverbreitete Unzufriedenheit zu spüren und auch empirisch zu messen. Es ist eine grundlegende Unzufriedenheit damit, wie unsere Welt funktioniert und in welche Richtung sie sich bewegt – zumindest in den westlichen Gesellschaften. Spätestens seit der explosionsartigen Verbreitung des Internets Mitte der 1990er Jahre ist die Welt für viele von einem Gefühl der Unsicherheit und des rasenden Wandels geprägt – der Mensch, so scheint es vielen, sitzt nicht mehr im Fahrersitz. Verschwörungstheorien blühen, die Hinwendung zu Nationalismus und Abschottung erscheint vielen als attraktiv.

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Die Löhne haben sich von der Produktivität abgekoppelt

Diese Unzufriedenheit ist trotz aller zitierten Daten, die eine immer bessere Welt belegen, nachvollziehbar. Denn andere Daten belegen, dass bis Anfang der 1970er Jahre in den westlichen Ländern – angeführt von den USA – die Löhne mit der Produktivität Schritt hielten. Das bedeutet nichts anderes, als dass alle Menschen von verbesserter Technik und dem gesamtgesellschaftlichen Fortschritt profitierten.

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Die Volkswirtschaften waren in der Lage, mit immer weniger Einsatz von menschlicher Arbeit immer mehr Waren und Dienstleistungen herzustellen – und alle haben profitiert. Nicht alle im gleichen Maße natürlich – aber selbst der Hausmeister und die Krankenschwester merkten, dass es ihnen jedes Jahr besser ging. Einige wenige wurden sehr reich, aber zumindest wurden auch sehr viele einigermaßen wohlhabend.

The gap between productivity and a typical worker’s compensation has increased dramatically since 1973.

Die Diskrepanz zwischen Lohn und Produktivität eines durchschnittlichen Arbeiters ist seit 1973 immer deutlicher geworden. (Grafik: Economic Policy Institute)

Seit Mitte der 1970er Jahre hat sich die Produktivität von der Entwicklung der Löhne abgekoppelt. Während die Produktivität weiter stark anstieg, zogen die Löhne nicht mehr im gleichen Maße mit. Besonders dramatisch wird das Bild, wenn man sich die Entwicklung der mittleren und unteren Löhne anschaut: Während der Gesamtwohlstand weiter in einem noch nie gekannten Ausmaß explodierte, stagnierten die Löhne der Mittel- und Unterschicht – teilweise gingen sie sogar real zurück.

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„Im Mittelpunkt der Sozialpolitik sämtlicher westlicher Staaten steht immer noch mindestens implizit das Motto: ‚Sozial ist, was Arbeit schafft.‘“

Während also die erste Phase des Nachkriegskapitalismus einige wenige sehr reich und dafür sehr viele einigermaßen wohlhabend machte – viel wohlhabender als die meisten Menschen in Planwirtschaften –, macht die aktuelle Phase des Kapitalismus sehr wenige extrem reich, immer noch wenige sehr reich, aber auch einen wachsenden Teil der Bevölkerung, relativ gesehen, arm.

Die Politik reagiert auf das Auseinanderdriften hilflos oder überhaupt nicht. Im Mittelpunkt der Sozialpolitik sämtlicher westlicher Staaten steht immer noch mindestens implizit das Motto: „Sozial ist, was Arbeit schafft.“ Alle Bemühungen der Politik drehen sich also im Wesentlichen darum, möglichst viele Menschen in klassische Erwerbsarbeit zu bringen. Eine möglichst niedrige Arbeitslosenquote ist der Fetisch westlicher Politik. Was dabei nicht beachtet wird: Maschinen sind für einen immer weiter steigenden Teil unseres Wohlstands verantwortlich – die Bedeutung menschlicher Arbeit nimmt ab. Dementsprechend werden auch nur noch sehr spezielle Fähigkeiten gut ausgebildeter Menschen gut entlohnt.

Es ist das große Paradoxon unserer Zeit, dass die allgemeine Verunsicherung zeitgleich mit dem Gesamtwohlstand wächst. Allerdings ist das nicht verwunderlich in einer Zeit, in der die sozialen Gegensätze immer schärfer werden, die Weltbevölkerung immer klarer in Gewinner und Verlierer geteilt wird und der Abstand zwischen beiden Gruppen wächst.

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Die Lösung dieses Problems ist ökonomisch und politisch eigentlich ganz einfach – und gleichzeitig kulturell und gesellschaftlich die schwerste Aufgabe für Gesellschaften seit Jahrhunderten.

Der schrittweise Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen

Kommen wir nun zurück zum Menschen des Mittelalters: Ihr lebt also im Paradies, Maschinen erschaffen unfassbaren Wohlstand, sodass niemand mehr stundenlang auf dem Feld arbeiten muss – und euer Problem ist, dass euch Dinge ausgehen, für die Menschen arbeiten müssen?

Worin also besteht die Jahrhundertaufgabe? Der Einstieg in den Ausstieg von der Verteilung unseres Wohlstands rein über Lohnarbeit. Oder mit anderen Worten: der schrittweise Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen.

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So einfach, wie sich dieser Satz dahinschreiben lässt, so gewaltig ist die Aufgabe. Die Herausforderung besteht nicht in der Finanzierung – wir haben heute den größten Reichtum angehäuft, der in der Menschheitsgeschichte je existierte. Es gibt enorme Potenziale, die zur Besteuerung herangezogen werden könnten – von einer Kapitalertragssteuer, die sich an der Einkommenssteuer orientiert, bis hin zu einer Finanztransaktionssteuer.

Die eigentliche Herausforderung besteht darin, dass wir als westliche Gesellschaften einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel akzeptieren, dass wir die bürgerlichen Werte, mit denen wir seit der Französischen Revolution über Generationen sehr gut leben, als obsolet abhaken und durch ein neues Paradigma ablösen – und wenn wir Glück haben, dies bereits tun, bevor es zum Crash kommt, bevor also ökonomische und soziale Bedingungen uns zu diesem Paradigmenwechsel zwingen.

Dass die Leistung des Einzelnen seinen Platz in der Gesellschaft bestimmen sollte, ist der zentrale Glaubenssatz der bürgerlichen Moral. Er hat die alte ökonomische Ordnung verdrängt, nach der jeder und jede in eine Klasse geboren werde und sich diesem Schicksal zu ergeben habe – die vorherrschende Ordnung des mittelalterlichen Feudalismus.

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Wie viel fortschrittlicher im Vergleich dazu der bürgerliche Ansatz: Aufstieg durch Fleiß, harte Arbeit und Bildung. Doch dieser Mythos bekommt seit Jahrzehnten immer tiefere Risse – im Mutterland des amerikanischen Traums sowieso, aber auch in Europa.

Dennoch ist es schmerzhaft, sich von diesem Mythos zu lösen. Dass harte Arbeit und Fleiß uns weiterbringen, wurde uns über Generationen eingeimpft – der Ausspruch „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“ steht bereits im Neuen Testament. Jedoch: In eine Zeit, in der ein immer größerer Teil unserer Wirtschaft von immer weniger menschlicher Arbeit und immer mehr Wertschöpfung über Automation und Maschinen abhängt, passt dieses Paradigma nicht mehr. Es wird wieder Zeit, dass eine Mehrheit der Gesellschaft vom Fortschritt spürbar profitiert – nur so gelingt es auch, die Ängste vor Automatisierung und Digitalisierung abzubauen und die reichen Früchte dieser Technologien möglichst ohne Rückschläge zu ernten.

Die Stars der Digitalbranche beschäftigen vergleichsweise wenige Mitarbeiter

Aber war nicht bereits die Explosion des Wohlstands in den vergangenen Jahrzehnten vor allem durch technischen Fortschritt ermöglicht worden? Wurde nicht der Fließbandarbeiter durch Maschinen ersetzt, und am Ende profitierten dennoch breite Teile der Bevölkerung?

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„Der Skaleneffekt beschreibt einen positiven Effekt auf Unternehmen durch schiere Größe – und er wirkt sich bei Software besonders stark aus.“

Wo findet die Wohlstandsexplosion heute statt? Schauen wir uns die wertvollsten börsengehandelten Unternehmen der Welt an, handelt es sich ausschließlich um Tech-Konzerne, die alle massiv von Skalen- und Netzwerkeffekten profitieren – die berühmt-berüchtigten Plattformen der GAFA-Ökonomie, Google (beziehungsweise die Mutter Alphabet), Apple, Facebook und Amazon.

Der Skaleneffekt beschreibt einen positiven Effekt auf Unternehmen durch schiere Größe – und er wirkt sich bei Software besonders stark aus. Ist sie einmal geschrieben, lässt sie sich über das Internet praktisch ohne weitere Kosten unbegrenzt kopieren und verbreiten. Beim Netzwerkeffekt profitiert jedes Mitglied eines Netzwerks umso mehr, je mehr Mitglieder das Netzwerk hat. Sehr leicht verständlich wird das bei Facebook: Ich profitiere umso mehr von einem sozialen Netzwerk, je mehr meiner Freunde ich dort finde – ein einmal aufgebauter Vorsprung ist so kaum aufzuholen. Bei Amazon profitieren die Händler von der großen Zahl der Kunden und die Kunden von der großen Zahl der Händler und ihrer Angebote – und dieselbe Dynamik wirkt auch bei Taxi-Apps wie Uber mit Fahrern und Kunden.

Der Hype um das maschinelle Lernen, eine Form der künstlichen Intelligenz, wird die Konzentrationseffekte noch verstärken: Wer wie Google und Amazon in ihren jeweiligen Bereichen einen Vorsprung bei der Anzahl der Daten hat, kann das beste Produkt bauen, zieht die meisten Nutzer an und baut so seinen Vorsprung mit immer mehr Daten immer weiter aus.

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Große, mächtige und extrem reiche Konzerne hat es gegeben, solange der Kapitalismus existierte – und in Zeiten des explodierenden Wohlstands sind größere und reichere Unternehmen nur natürlich. Digitale Plattformen allerdings haben eine historisch einmalig mächtige Stellung als Gatekeeper und zentrale Instanz, die die Regeln für alle Teilnehmer der Plattform setzt. Im Falle von Amazon beispielsweise ist der E-Commerce-Riese längst nicht mehr ein Marktplatz unter vielen, sondern für eine wachsende Anzahl von Onlineshoppern schlicht der Markt, der die Regeln für alle Beteiligten bestimmt. Nutzer gehen direkt auf Amazon.com, statt Google für die Produktsuche zu bemühen.

Das eigentliche ökonomisch-soziale Problem am digitalen Plattformkapitalismus geht allerdings über kartellrechtliche Fragen hinaus und wird beispielsweise vom ungarisch-amerikanischen Wirtschaftshistoriker John Komlos im Gespräch mit dem Ökonomie-Podcast Freakonomics beschrieben.

So habe die durch die Digitalisierung bedingte Pleite von Kodak rund 145.000 Menschen arbeitslos gemacht – die überwiegende Mehrzahl davon Mittelklassejobs. Die neuen milliardenschweren Stars der Digitalbranche beschäftigten im Vergleich dazu nur wenige, meist sehr gut bezahlte Mitarbeiter. Apple, das wertvollste Unternehmen der Welt, beschäftigte damals beispielsweise nur 47.000 Menschen – trotz der Verkäufer in Apple-Stores weltweit, Facebook sogar nur 7.000. Auch die alten Industriegiganten von General Motors (GM) bis Daimler haben Hunderttausende Menschen beschäftigt – selbst heute noch beschäftigt GM über 200.000 Menschen, Daimler fast 300.000.

„Der enorme Wohlstand, den die Tech-Unternehmen erschaffen, verteilt sich also über Gehälter auf deutlich weniger Köpfe als bei den Industriegiganten des 20. Jahrhunderts.“

Der enorme Wohlstand, den die Tech-Unternehmen erschaffen, verteilt sich also über Gehälter auf deutlich weniger Köpfe als bei den Industriegiganten des 20. Jahrhunderts. Heute ist es dank Software möglich, mit sehr wenigen Mitarbeitern extreme Werte zu schaffen. Ein Extrembeispiel ist die Übernahme des sozialen Netzwerks Instagram durch Facebook 2012: Das Unternehmen zahlte damals eine Milliarde US-Dollar für ein Unternehmen, das seit zwei Jahren existierte und 13 Mitarbeiter beschäftigte. Dass global aufgestellte Unternehmen durch allerlei Tricks ihre Steuerlast in Ländern nahe null drücken können, in denen ein Großteil der Wertschöpfung stattfindet, verschärft das Problem der mangelnden Partizipation breiter Teile der Bevölkerung am Wohlstand natürlich zusätzlich.

Nicht jeder kann es schaffen – nicht einmal viele

Es wird daher zur Notwendigkeit, sich von tief im gesellschaftlichen Bewusstsein über Generationen verankerten Vorstellungen und Ideen zu verabschieden: Nicht jeder kann es schaffen – nicht einmal viele –, allein durch Bildung, Fleiß und Ausdauer wohlhabend zu werden. Wenn der gesellschaftliche Frieden bewahrt werden soll, der uns seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in großen Teilen der westlichen Welt als Konstante begleitet, müssen wir eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber beginnen, wie es uns gelingen kann, dass wieder eine breite Mehrheit der Bevölkerung vom technischen Fortschritt, der sich in Produktivitätsfortschritten zeigt, profitieren kann.

Natürlich entstehen auch immer wieder neue Jobs – und natürlich wird uns die Arbeit nicht ausgehen. Menschliche Arbeit wird auch im 21. Jahrhundert ein entscheidender Schlüssel für das weitere Wachstum des Wohlstands bleiben. Wir werden weiter Manager brauchen, Designer, Kreative, Programmierer, Ingenieure, Anwälte und Ärzte, die von Computern gefilterte Informationen auswerten und daraus Entscheidungen ableiten.

Eine gute Ausbildung – insbesondere eine Elitenförderung – bleibt die wichtigste Grundlage eines weiter wachsenden Wohlstands. Es ist aber auch eine bittere Wahrheit, dass nicht jeder, der gestern noch an der Kasse saß oder Taxi gefahren ist, zum Programmierer ausgebildet werden kann. Es gibt Grenzen der Qualifizierung – ein besseres Bildungssystem führt vor allem dazu, dass sich die Abstände vergrößern, weil das Potenzial jedes Einzelnen voll ausgeschöpft wird. Es werden immer neue Jobs entstehen – aber im Bereich der Geringqualifizierung werden das keine gut bezahlten mehr sein, so wie es in den vergangenen 40 Jahren der Fall war.

„Vieles, was Callcenter-Mitarbeiter heute machen, kann in wenigen Jahren automatisiert werden – nur die wirklich komplizierten Fälle werden dann noch zu Menschen durchgestellt.“

Und das Phänomen trifft längst nicht mehr nur die Geringqualifizierten. 1994 arbeiteten noch mehr als 779.000 Menschen in Deutschland bei Banken – 2016 waren es noch knapp 610.000. Mit fortschreitenden Verbesserungen im Bereich der künstlichen Intelligenz zielt das Phänomen weiter in die Mitte der Gesellschaft: Vieles, was Callcenter-Mitarbeiter heute machen, kann in wenigen Jahren automatisiert werden – nur die wirklich komplizierten Fälle werden dann noch zu Menschen durchgestellt.

Ist der Mensch nicht für die Arbeit gemacht?

Doch ist der Mensch nicht für Arbeit gemacht? Braucht er sie nicht in seinem Leben? Und ist nicht die Wertschätzung, die er von anderen für die eigene Arbeit erfährt – auch in Geld ausgedrückt –, ein wichtiger Faktor für Sinnstiftung im Leben?

Arbeit wurde bekanntermaßen nicht in allen Epochen der Menschheitsgeschichte als unverzichtbarer Bestandteil des Daseins jedes Menschen betrachtet. Im antiken Griechenland und Rom war Arbeit im heutigen Sinne etwas für Sklaven und die Unterschicht, die Oberschicht beschäftigte sich lieber mit Kunst, Philosophie und Müßiggang. Gerade aber der sinnstiftende Aspekt der Arbeit darf nicht unterschätzt werden. Dabei gibt es so viele Bereiche, in denen Menschen wertvolle Arbeit leisten können außerhalb klassischer Beschäftigung über Erwerbsarbeit – von Freiwilligenarbeit in verschiedenen Communitys über Kunst bis hin zur Pflege von Angehörigen. Eine der größten Aufgaben der digitalisierten Gesellschaft wird es daher sein, den Wert eines Menschen nicht mehr in erster Linie über die gesellschaftliche Stellung durch Erwerbsarbeit zu definieren.

Je länger diese Diskussion hinausgezögert wird und die Illusion von Vollbeschäftigung in Erwerbsarbeit als großes Ziel der Wirtschaftspolitik bestehen bleibt, desto wahrscheinlicher wird es, dass wir auf eine Situation zusteuern, in der sich das Paradigma unserer Wirtschaftspolitik erst durch massiven Druck ändert. Die Gefahr wäre groß, dass dann das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird – die Marktwirtschaft also insgesamt unter die Räder gerät, mitsamt ihrer vielen positiven Eigenschaften von Effizienz und Innovationsfähigkeit sowie der Fähigkeit, auch ohne wachsenden Ressourcenverbrauch den Wohlstand zu mehren. Es wäre sehr schade darum.

Der Essay ist Teil des Buchs NEXT18: The Book, in dem es um die Herausforderungen und Lösungen rund um die Digitalisierung geht.

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Titus von Unhold

„Seit Mitte der 1970er Jahre hat sich die Produktivität von der Entwicklung der Löhne abgekoppelt. Während die Produktivität weiter stark anstieg, zogen die Löhne nicht mehr im gleichen Maße mit.“

Das ist aber nur auf den ersten Blick der Fall. Wenn man nämlich nach Branchen trennt, dann fällt auf dass vor allem GAFA die Treiber sind. Apple und Co machen einen pro Kopf Umsatz von rund 2 Millionen Dollar – ohne dass sich jemand über eine schlechte Bezahlung beklagen könnte. In traditionellen Unternehmen ohne skalierende Geschäftsmodelle hat sich die Lohnquote kaum geändert. Dazu passt eine kleine Anfrage der Linken aus dem Oktober. Die Tabellen in der Antwort kann man sich mal zu Gemüte führen: https://www.bundestag.de/presse/hib/-/576276

Ein BGE wird diesen Zustand übrigens nicht lösen, sondern wahrscheinlich weiter festigen. Zumal ein BGE auch verfassungsrechtlich unter der Berücksichtigung von Zuwanderung ein erhebliches Konfliktpotential darstellt. Das BVerfG hat bezgl. der Grundsicherung für EU-Bürger bereits ein Machtwort gesprochen. Über eine Schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit nachzudenken erscheint viel mehr sinnvoll. Zumal derzeit bereits jetzt über 7 Millionen Menschen Arbeitslos oder Unterbeschäftigt sind. Bei 42 Millionen Beschäftigten und 82 Millionen Einwohnern eine enorme Menge.

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