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Ratgeber

Wie Marketer am besten mit Ad-Fraud umgehen

Das Problem Ad-Fraud nimmt in allen Disziplinen zu. Millionen von Werbeanzeigen landen nicht bei Menschen, sondern bei Bots – und werden hinterher trotzdem abgerechnet. Nur gemeinsam kann die Marketingbranche das bekämpfen.

Von Frank Puscher
6 Min.
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(Foto: Shutterstock)

Der Ad Fraud Report von Appsflyer ist nur ein Beispiel unter vielen, das in der Marketingbranche aktuell heftig diskutiert wird. Der Analytics-Anbieter hat herausgefunden, dass die Marketingbranche im letzten Jahr satte 2,3 Milliarden US-Dollar direkt an Betrüger überwiesen hat. Und zwar nur im Segment Installations-Werbung. Fast ein Viertel der Gelder, die dafür eingesetzt werden, dass User eine Werbung für eine App sehen und diese dann auch tatsächlich installieren, wird von vollautomatischen Systemen abgegriffen, die eine Installation nur simulieren. Es steckt kein echter User dahinter. Für den Werbungtreibenden ist diese Installation wertlos.

Die Androidwelt ist nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch relativ gesehen häufiger Ziel von Betrugsversuchen. (Grafik: Appsflyer)

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Appsflyer untersuchte dafür 2,5 Milliarden Installationen von rund 9.500 verschiedenen Apps. Dabei waren freilich nicht alle Branchen gleichermaßen betroffen. Am härtesten hat die Finanzbranche zu knabbern. Bis zu drei viertel aller gezählten Installationen laufen ins Leere, sagt Appsflyer. Die Finanz- und auch die Versicherungsbranche zahlen sehr hohe Provisionen für Leads, weil die Kunden in der Regel lange bleiben und somit viel Umsatz bringen. Aber einen Kunden von einem Anbieter zu einem anderen zu locken, ist eben schwierig.

Der Report sagt außerdem, dass die Betrugsraten unterschiedlich sind, je nachdem, welche Weltregion man betrachtet. In Europa geht es einigermaßen moderat zu. Extrem wird es in Brasilien mit durchschnittlich 25 Prozent Betrug und erst recht in Indien (33 Prozent) und Indonesien (45 Prozent). Das sind jeweils die Durchschnittswerte über alle Branchen hinweg.

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Was tun?

Und es wird immer schwieriger, gegen den Betrug vorzugehen, weil die Betrugsmethoden immer subtiler werden. Konnte man früher einen Betrug zum Beispiel daran erkennen, dass nach der Installation einer App keine Interaktion mehr stattfand, so bilden die Bots heute komplette Customer-Journeys auch in der App ab. Manche dieser Betrugsmuster ist sogar von echtem Nutzerverhalten abgeleitet und somit kaum mehr zu erkennen. Ein Rennen zwischen Hase und Igel.

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Technologisch ist dem nur bedingt beizukommen. Die KI eines Analytics-Anbieters wie Appsflyer steht der KI der hochprofessionellen Betrugsnetzwerke gegenüber. Das gilt nicht nur für App-Installationswerbung, sondern auch im Display-Sektor. Zwischen zehn und zwanzig Prozent des Traffics, der von Adservern gezählt wird, stammt von Maschinen und nicht von Menschen. Und dem Invalid Traffic ist es weitgehend egal, ob die Abrechnung hinterher auf Klickbasis (CPC) erfolgt oder per TKP. Die Bots können beides.

Mit einer durchschnittlichen Betrugsquote von 11,2 Prozent stellt sich in Deutschland die Frage, wie viel man in Abwehrtechnologie investieren soll. (Grafik: Appsflyer)

Arne Kirchem, der Mediadirektor von Unilever, ist der Auffassung, dass es Aufgabe der technischen Dienstleister und der Publisher ist, die Zahlen, die sie verkaufen, auch sauber auszuweisen: „Wer die Ware in Umlauf bringt, ist auch dafür verantwortlich, dass die Qualität stimmt“, forderte Kirchem auf der diesjährigen Dmexco. Als Vertreter des OWM (Organisation Werbungtreibende im Markenverband) geht er davon aus, dass die meisten Marketer der Auffassung sind, dass sie den Traffic, den sie bezahlen, letztlich auch bekommen.

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Das ist nicht ganz so einfach, meint Julian Simons von der Mediaagentur Mediascale. Natürlich habe man das Ziel, nur validen Traffic zu verkaufen, aber um die Reichweitenziele der Werbungtreibenden zu erreichen, müssen man Inventar dazuholen, das sich nicht so gut messen und kontrollieren lässt. Simons spricht explizit die Walled Gardens von Google und Facebook an.

Eine Lösung für das Problem könnten zertifizierte, neutrale Drittanbieter sein, die die echte Qualität des abzurechnenden Traffic kontrollieren. Meetrics könnte ein solcher „Traffic-Tüv“ sein, ist es aber noch nicht: „Es ist in sehr vielen Bereichen möglich, aber wir können nicht überall gleich gut messen“, sagt Maren Wulf, Board-Member bei Meetrics.

Und alle drei sind sich einig, dass sich vor allem Facebook und Google bisher ziemlich unbeeindruckt von den Wünschen der deutschen Werbebranche zeigen. „Der Druck muss massiv steigen“, fordert Kirchem.

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Dazu müssten die großen Werbungtreibenden wie Unilever konsequent darauf verzichten, auf Plattformen zu schalten, wo ein bekanntes Fraud-Risiko besteht. Das gilt nicht nur für Google und Facebook, sondern für die gesamte Blackbox Open RTB.

Ein solcher Verzicht geschieht in der Regel immer dann, wenn gerade ein neuer Betrugsskandal aufgedeckt wird. Wie etwa Anfang 2019, als deutlich wurde, dass ein großes Betrugsnetzwerk die IP-Adressen von IoT-Geräten dazu nutzte, um vollautomatisch und in großem Stil Klicks auf Onlinewerbung in Youtube-Videos zu simulieren. „Aber nach ein paar Wochen kommen die Werbegelder wieder zurück“, beklagt Simons.

Und hier muss Kirchem dem Mediamann beipflichten: „Für Advertiser ist es schwer, ihre Benchmarks zu erfüllen, wenn sie aktiv Trafficquellen ausschließen sollen.“ Will sagen: Der gelernte und dauerhaft praktizierte Vergleich mit der Vorperiode verhindert den Neuanfang. „Hier müssen wir noch mehr Aufklärungsarbeit leisten“, so Kirchem.

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Und diese Aufklärung muss wohl die gesamte Branche betreiben, nicht nur die Technologieanbieter, sondern auch Publisher und Advertiser. Nina Haller, die für Accenture Interactive das Geschäft mit Programmatic Advertising aufbaut, kennt noch einen weiteren Grund, warum sich die Branche im Kampf gegen Fraud schwer tut: „Wir haben noch keinen Konsens, wie die technischen Kosten in den Budgets eingepreist werden.“

Der falsche Freund

Betroffen von Betrug ist auch die jüngste Disziplin im digitalen Marketing: das Influencer-Marketing. Reihenweise und ziemlich ungeniert blasen Youtuber, Instagramer oder Facebook-Promis ihre Reichweiten auf. Das beginnt oft ganz harmlos mit einem „Folg ich dir, folgst du mir“-Austausch unter Freunden. Dann kommen plötzlich Fremde mit dem gleichen Ansinnen und einem aussagekräftigen Hashtag wie „#follow4follow“. Und schon ist man drin in der Maschinerie der kommerziellen Follower-Maschine, die vor allem einen Zweck verfolgt: mehr Marketinggelder von den Marken einzusammeln, als nach der Reichweite gerechtfertigt wäre. Unilevers Chefmarketer Jeff Weed sprach 2018 von einer „regelrechten Betrugsindustrie“, die da im Hintergrund beim Influencer-Marketing entstanden sei. 20 Prozent verliere der Lebensmittelriese durch Betrug.

Was sich dramatisch anhört, beinhaltet aber auch viel Lärm um wenig. Kluge Marketer nutzen zwar Reichweitenzahlen bei der Influencer-Auswahl, vergüten dann aber nach Performance. „Die besseren unter den Influencern lassen sich oft auf Performance-Deals ein“, sagt Chris Jungjohann, der die Influencer-Agentur Takumi führt. Er gibt allerdings zu bedenken, dass bei Performance-Deals dann mitunter auch deutlich mehr für einen Post zu bezahlen sein wird.

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Letztlich gilt für alle Formen des Betrugs, dass sich die Marketer am besten davor schützen, wenn sie mit harten Zahlen die Leistung einer Kampagne bewerten. Das ist im Branding freilich nicht so ganz einfach. Aber letztlich kann Fraud wie Streuverlust behandelt werden. „Man sollte hier nicht den Stab über Programmatic brechen. Das System hat ja den Missbrauch, der immer da war, überhaupt erst sichtbar gemacht“, sagt Sacha Berlik von The Trade Desk.

Nichtsdestotrotz handelt es sich um Betrug. Und alle Marktteilnehmer sind sich darin einig, dass die besten Gesetzte und Standards nicht viel nutzen, wenn es nicht auch eine exekutive Strafverfolgung gibt. „Drastische Strafen, vielleicht sogar Gefängnis, hätten sicher abschreckende Wirkung“, meinte Arne Kirchem. Unterdessen winken die meisten Marktteilnehmer an dieser Stelle ab: Es fehlt der Exekutive an Personal und Kompetenz, um solche Fälle gezielt zu verfolgen. Außerdem handelt es sich oft um international tätige Betrugsnetzwerke.

Im Influencer-Marketing ist das etwas anders. Agenturen wie Takumi nutzen ausgeklügelte, aber doch recht einfach verständliche Methoden, um selbst neue Bewerber zu prüfen. Beispielsweise sollte die Engagement-Rate über einem Prozent liegen und das Followerwachstum darf nicht sprunghaft geschehen sein. Solche Prüfmechanismen könnte auch ein Gericht anlegen, wenn ein Anfangsverdacht besteht. Christoph Kastenholz, Gründer und Geschäftsführer der Influencer-Agentur Pulse, fordert allerdings eine genaue Analyse: „Nicht immer kann der Influencer wirklich etwas dafür. Fan-Verkäufer spielen schon mal selbständig 5.000 Fans zusätzlich in den Account und schreiben dann eine Mail mit der Anfrage, ob man nicht mehr davon haben will.“

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Fußballer Lionel Messi begeistert rund 20 Millionen Inder auf Instagram. (Grafik: Hypeaudit)

Das Problem Fraud ist omnipräsent in der digitalen Werbelandschaft. Es wird Zeit, dass sich die Branchenteilnehmer zusammensetzen und verbindliche Standards zu dessen Bekämpfung nicht nur entwickeln, sondern im Alltagsgeschäft auch umsetzen.

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Jemand

Die Lage ist noch viel Diffuser, weil von den potenziellen Kunden die letztendlich die Werbungen auch sehen, viele bereits eine Synapse Hornhaut entwickelt haben um diese überhaupt noch wahrnehmen zu können.

Bitte auch eine Strafe, wenn man danach nicht direkt das angezeigte Produkt sofort kaufen geht…

Die Politik tut sich mit Gamenews schwer, andere Wege. Rufmord und Mobbing, aber die Werbeheinis kommen daher und wollen fixe Zählen wer was wirklich gesehen hat und oder nicht und warum er nicht so reagiert wie vorgegeben… Aber bitte!?!

Antworten

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