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Analyse

Marketing Tech Summit 2021: Vom Tech-Stack bis zur Abkehr von Best Practices

Consent und Datenverarbeitung werden schwieriger, No-Code-Tools populärer und Martech-Stacks ausgereifter. Trotzdem herrschte beim diesjährigen Marketing Tech Summit Optimismus.

5 Min.
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Ralf Strauß, Managing Partner von Marketing Tech Labs, bei der Eröffnung des Marketing Tech Summits 2021.
(Foto: Storyworks / Marketing Tech Summit 2021)


Auf dem Marketing Tech Summit 2021, für viele anwesenden Marketer:innen die erste Vor-Ort-Veranstaltung seit Langem, ging es um die Fragen: Wie hilft ein guter Tech-Stack dabei, Daten zu sammeln und ordentlich auszuwerten? Selbst bauen, kaufen oder outsourcen? Wie kriege ich das alles gemanagt? Wofür können die Daten genutzt werden? Besonders spannend waren dabei drei Sessions: Flaschenpost und Thomann, die Lufthansa und, wie es Ralf Strauß vom Marketing Tech Lab genannt hat: „Was zur Hölle darf ich überhaupt noch?“ mit Simon Menke von Otto. Den Marketing Tech Award 2021 erhielt Coop aus der Schweiz – die Jury fand die Verknüpfung von Offline- und Onlinedaten beeindruckend, das Publikum war vom gut verständlichen Pitch überzeugt.

Customer-Centricity aus neuer Perspektive bei der Lufthansa

Kundenzentrierung – dieser Drops ist eigentlich zur Genüge gelutscht. Oliver Schmitt von der Lufthansa gab dem Ganzen aber einen neuen Dreh: Geschäftsmodelle seien in der Regel rein transaktional ausgerichtet. Klar, dabei gebe es ein paar nette Loyalitäts-Programme, aber wirklich beziehungsfokussiert und kundenzentriert sei das noch lange nicht. Aus der transaktionalen Sicht beispielsweise habe eine Person, die 35-mal im letzten Jahr geflogen ist, das Bonus-Programm und damit Benefits verdient. Aber bei nur 34 Flügen qualifiziert sich ein:e Kund:in nicht für das Programm und geht komplett leer aus?

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„Das geht nicht“, sagt Schmitt. Kund:innen, die sich beispielsweise zwei Jahre um ihr Kind kümmern, verlieren transaktional gesehen ihren Premium-Status, seien vergessen, quasi „tot“. In einem kundenzentrierten Modell würde die Lufthansa wissen, dass sie sich in Elternzeit befinden – und den Premium-Status beibehalten. Das Charmante am Vortrag: Schmitt sprach ganz offen davon, dass die Maßnahmen nicht alle umgesetzt seien. Es sei ein hartes Jahr für die Lufthansa gewesen. Zum Erhalt des Unternehmen müsse ein vernünftiger Kompromiss zwischen Kundenzentrierung und dem Fokus auf Transaktionen gefunden werden.

Flaschenpost und Thomann: Die Sieger der Herzen

Die Session mit Huesmann und Schoderböck wurde von allen Teilnehmer:innen des Summits als die spannendste der vier Breakout-Sessions gewählt. Christoph Huesmann von Flaschenpost berichtete: Das Unternehmen habe den gesamten Tech-Stack, bis auf die Lohn- und Finanzbuchhaltungssoftware, selbst gebaut. Ein Grund dafür waren die Kosten – einen Recommendation-Algorithmus haben sie beispielsweise selbst entwickelt, weil sie aonsten ihre gesamte Marge an den Anbieter abtreten würden. Dazu sagte Huesmann: Es müsse nicht immer ein Senior-Entwickler sein. Drei Recommendation-Algorithmen nach Wirksamkeit zu testen, war beispielsweise die Masterarbeit des Werkstudenten.

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Der sei jetzt angestellt und hätte ein Team mit vier Leuten. Das Wichtigste sei, dass die Leute „PS zwischen den Ohren haben“. Spannend war auch, dass der Shop entgegen aller Best Practices im E-Commerce aufgebaut ist: Überall Recommendations, auch im Warenkorb, Nutzende werden ständig von dort zurück in den Shop geleitet. Back-in-Stock-Mails gibt es nicht, genauso werden Kunden nicht ständig aufgefordert, zu bestellen. Denn Flaschenpost habe eine Conversion-Rate von 50 Prozent. Es gehe nicht darum, mehr Leute zum Kaufen zu überzeugen, sondern die Warenkörbe zu vergrößern. Impulskäufe mit wenig Ware brächten gar nichts: Die Lieferkosten seien hoch, es würde keinen Umsatz geben. Das Ziel sei also nicht, ständig zum Kauf zu animieren – sondern den Bedarf ausschließlich durch Flaschenpost zu decken, ohne dass die Fahrer:innen dabei zu oft kommen müssen.

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Sven Schoderböck von Thomann überraschte mit einer Vorgehensweise, die den meisten Zuhörer:innen wahrscheinlich erstaunlich bodenständig und unspektakulär vorkam: Nach einer ausführlichen Entscheidungsphase, in der alle Anforderungen und der Bedarf für ein Tool festgelegt werden, wird in ein paar Stunden eine Testversion durchgezimmert. „Das sieht dann scheiße aus, funktioniert aber. Aber dann können wir das mal durchstechen.“ Oft sei das sogar nur ein Google-Sheet. Manchmal käme dabei raus: Das könne man gut automatisieren, da brauche es gar kein Tool.

Die KPIs für die Erfolgsmessung werden von den Fachbereichen mit der Geschäftsführung abgesprochen. Das große Wachstum aber, das käme aus den strategischen Entscheidungen, weniger durch das eine oder andere Tool. „Wir können nicht den ganzen Tag KPIs anglotzen und uns darauf verlassen, dass das so bleibt.“ Ein Zuhörer fragt nach dem Single-Point-of-Truth, an dem alles zusammenkäme, denn: „Das klingt alles ein bisschen fragmentiert.“ Schoderböck zuckte nur grinsend mit den Schultern: „Rock’n’Roll“.

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Flaschenpost, die das machen, wovon Best Practices abraten, und Thomann, die mit Google Sheets testen, anstatt sich in teure Tools zu stürzen, zeigen: Es geht gar nicht darum, den einen richtigen Weg zu gehen – sondern manchmal die Best Practices sonst wohin zu schieben und die Strategie, die eigenen Unternehmensziele und -bedingungen genau zu betrachten. Und dann im Zweifel eben zu entscheiden: Die Best Practices sind für das eigene Unternehmen Quatsch. Und wenn eben ein Single-Point-of-Truth oder One-Data-Lake nicht sinnvoll ist (wenn beispielsweise die Kunden und Märkte so stark segmentiert sind wie bei Thomann), dann geht es auch ohne.

Spielverderber, aber zu Recht: Simon Menke von Otto und der Datenschutz

„Über die Anwälte freut man sich sonst eigentlich nie“, sagte Menke zuerst – und sprach direkt im zweiten Satz eine Warnung an viele seiner Vorredner:innen aus. Die Konzepte seien gut, aber sie sollen vorsichtig sein, denn so einfach, wie sie es darstellten, sei es nicht. Denn die E-Privacy-Verordnung und dementsprechend auch die TTDSG beträfe bei der Einholung der Einwilligung von Nutzer:innen auch die Verarbeitung zu und von anonymisierten Daten. Insbesondere für das Tracking sei das relevant. Somit gelte auch für eine dezentralisierte Lösung in Data-Clean-Rooms: Die Verarbeitung brauche eine Einwilligung durch die Nutzer:innen.

Wie schon bei der Dmexco wurde auch beim Marketing Tech Summit eine dezentralisierte Daten-Matching-Lösung vorgestellt, diesmal von Decentriq aus der Schweiz. Doch beim Upload in Datenräume sei ebenfalls Vorsicht geboten: Die Umsetzung der Betroffenenrechte sei sicherzustellen. Einerseits müssten Unternehmen also Auskunft geben können, wo welche Daten liegen und wie sie genutzt werden – zweitens haben Kund:innen ein Recht darauf, diese Daten löschen zu lassen. Hier böte sich beispielsweise eine Auschluss-Audience an, mit der der Datensatz im Datenraum gegengeprüft wird.

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Im Vortrag warf Menke noch eine Reihe Fragen auf, in welchen Fällen die genaue Auswirkung noch nicht klar sei. Aber er wies auch darauf hin, dass die TTDSG die Umsetzung der E-Privacy-Verordnung von 2009 sei: „Alle heulen, aber wir hatten 12 Jahre lang Glück und konnten so lange machen, was wir wollten.“

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