Mars-Gletscher entpuppen sich als gewaltige Wasserreservoire – was das für künftige Missionen bedeutet
Eine neue Analyse von Radardaten liefert die bisher stärksten Belege dafür, dass die gewaltigen Gletscher in den mittleren Breiten des Mars nicht vorwiegend aus Gestein, sondern zu mehr als 80 Prozent aus hochreinem Wassereis bestehen. Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen für das Verständnis der Klimageschichte des Planeten und vor allem für die Planung zukünftiger bemannter Missionen.
Veröffentlicht wurde die Untersuchung im Fachjournal Icarus. Geleitet wurde sie von Yuval Steinberg, einem Absolventen des Weizmann Institute of Science aus Rehovot in Israel, zusammen mit den leitenden Wissenschaftlern Isaac B. Smith und Oded Aharonson vom Planetary Science Institute (PSI) aus Tucson im US-Bundesstaat Arizona.
Präziser Blick unter die Geröllschicht
Bisher war die genaue Zusammensetzung der als „Lobate Debris Aprons“ (LDA) bekannten Gletscherformationen unklar. Eine Theorie besagte, es handle sich um sogenannte Blockgletscher mit einem Eisanteil von nur rund 30 Prozent. Die neue Studie stützt nun eindrücklich die alternative Hypothese von geröllbedeckten Gletschern aus nahezu reinem Eis.
Möglich wurde diese genauere Bestimmung durch eine verfeinerte Analysemethode der Daten des SHARAD-Instruments. Dieses Radar an Bord des Mars Reconnaissance Orbiter der US-Raumfahrtbehörde Nasa kann bis zu einen Kilometer tief unter die Marsoberfläche blicken. Das Team um Steinberg analysierte dabei nicht nur, wie schnell die Radarwellen das Material durchdringen, sondern auch, wie stark ihre Energie vom Material absorbiert wird. Erst die Kombination dieser beiden Messwerte erlaubt eine robuste Aussage über die Reinheit des Eises.
Ein überraschend einheitliches Bild
Die Forscher:innen untersuchten fünf weit voneinander entfernte Standorte auf beiden Hemisphären des Mars und machten eine überraschende Entdeckung: Die Eigenschaften der Gletscher sind global nahezu identisch. „Das ist wichtig, denn es verrät uns, dass diese Marsgletscher wahrscheinlich durch den gleichen Prozess gebildet und konserviert wurden“, erklärt Co-Autor Isaac Smith in einer Mitteilung des PSI.
Dieses einheitliche Bild legt nahe, dass der Mars in seiner jüngeren Vergangenheit eine oder mehrere globale Eiszeiten mit sehr ähnlichen Bedingungen durchlaufen haben muss. Die letzte dieser Kälteperioden ereignete sich laut früheren Analysen erst vor rund 370.000 Jahren.
Wasserquelle mit Hindernissen
Die Implikationen für die zukünftige Erkundung des Mars sind erheblich. Die Gletscher in den mittleren Breiten stellen ein riesiges Wasserreservoir dar, das für Astronaut:innen weitaus leichter erreichbar wäre als die Polkappen. Dieses Wasser ist die Grundlage für die sogenannte In-Situ-Ressourcennutzung (ISRU): Es könnte nicht nur als Trinkwasser dienen, sondern auch zur Gewinnung von Sauerstoff und zur Produktion von Raketentreibstoff aufgespalten werden.
Auch wenn die Vorkommen nun als gesichert gelten, ist die Nutzung keineswegs trivial. Die schützende Geröllschicht, die das Eis über Äonen vor dem Verdampfen bewahrt hat, muss zunächst abgetragen werden. Die Technologie zur Extraktion und Aufbereitung des Wassers unter Marsbedingungen muss ebenfalls erst entwickelt und erprobt werden. Zudem merken die Autoren der Studie selbst an, dass Radarmessungen naturgemäß eine Tendenz haben könnten, besonders klare Signale von reinem Eis leichter zu entdecken als stark gedämpfte Signale von verunreinigtem Eis.
Dennoch liefern diese Ergebnisse eine neue, solide Datengrundlage für Missionsplaner:innen bei staatlichen Agenturen und privaten Raumfahrtunternehmen. Die Auswahl zukünftiger Landeplätze dürfte fortan noch stärker von der Nähe zu diesen Gletscherformationen beeinflusst werden.
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