Methan-Lecks in Niedersachsen aufgedeckt: 17 Energie-Anlagen strömen das Treibhausgas aus

Rund ein Drittel der weltweiten Methan-Emissionen stammt aus der Energiewirtschaft. Um diese Emissionen zu senken, ist seit 2024 die Europäische Methanverordnung in Kraft. Sie gilt für die Betreiber von „fossilen Energieinfrastrukturen“ – also etwa Erdgasnetzen – und verpflichtet sie unter anderem, ihre Methan-Emissionen regelmäßig zu überwachen und an die zuständigen Behörden zu melden.
Doch das System ist offenbar löchrig, wie eine Stichprobe der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und der Clean Air Taskforce (CATF) ergeben hat. Anfang Juni haben die Organisationen 26 Anlagen in Niedersachsen untersucht. An 17 Standorten fanden sie nach eigenen Angaben „signifikante“ Freisetzungen, darunter …
- … starke Emissionen aus dem Haupt-Entlüftungskamin der Kompressorstation von Exxon Mobile in Söhlingen – und zudem eine nicht entzündete Fackel. Eigentlich sollte überschüssiges Methan abgefackelt werden, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt.
- … über zwei Tage hinweg kontinuierliche Emissionen aus vier verschiedenen Anlageteilen der Salzkaverne Etzel.
- … „extrem große und signifikante Emissionen“ bei einer Verdichteranlage von Open Grid Europe in Wardenburg. Ursache waren offenbar Umbauarbeiten an einer Pipeline. „Es gibt aber weitaus bessere Methoden, Pipelines zu warten – auch ohne Methan-Emissionen“, sagt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.
„Es ist sehr überraschend, so große Emissionen an jedem Ort zu finden“, fasst Théophile Humann-Guilleminot von der CATF seine Erfahrungen zusammen. Für seine Messungen benutzte er eine Gasdetektionskamera des Herstellers FLIR. Sie kann allerdings nur zeigen, wo genau Methan entweicht – aber nicht, wie viel. In anderen Messkampagnen setzt die DUH auch Infrarotspektrometer ein, die Konzentrationen bis in den Parts-per-Billion-Bereich erfassen. In diesem Fall habe es sich aber logistisch nicht auf die Beine stellen lassen, Kamera- und Spektrometer-Messungen miteinander zu verbinden.
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Nur für Notfälle zugelassen
Eine genaue quantitative Erfassung der Emissionen ist nach Ansicht der DUH auch gar nicht nötig. „Es gibt in der Methanverordnung keine erlaubten Grenzwerte – da darf gar nichts rauskommen“, sagt DUH-Referentin Tabea Pottiez. Lediglich bei eng definierten Notfällen dürfe Methan abgelassen werden. Und es wäre ein ziemlicher Zufall, bei einer so kleinen Stichprobe so viele Notfälle vorzufinden. „Einen Verstoß konkret nachzuweisen ist dann Aufgabe der Behörde“, ergänzt Müller-Kraenner.

Globales Methan-Budget: Der weltweit größte Teil der Methan-Emissionen wird direkt oder indirekt von Menschen verursacht. Zu den indirekten Emissionen zählen künstliche Seen, überdüngte Gewässer oder auftauende Permafrostböden. „Andere natürliche Quellen“ umfassen geologische Quellen, Termiten, Ozeane und wilde Wiederkäuer. (Quelle: Jackson et al. (2024), Saunois et al. (2024), Boston University Institute for Global Sustainability)
Zuständig für die Überwachung ihrer Anlagen sind die Betreiber selbst. Diese hätten „viele der identifizierten Leckagen eigentlich im Rahmen von Lecksuche- und Reparaturkampagnen identifizieren können, zu denen sie seit August 2024 verpflichtet sind“, so die DUH. Um die Emissionen zu unterbinden, seien zudem keine großen Investitionen nötig, sondern lediglich eine ordentliche Wartung der bestehenden Anlagen.
Behörden messen nicht selbst
Die Selbstüberwachung der Betreiber basiert auf Richtlinien des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW). „Die Erdgasbranche hat die Auswirkungen von Methan-Emissionen weiterhin fest im Blick und unternimmt viel, um sie wirksam zu reduzieren“, schreibt der DVGW auf Anfrage. „Nur der geringste Teil der Emissionen geht vom Leitungsnetz aus – der weitaus höhere Anteil entsteht in der Land- und in der Abfallwirtschaft. Zum Beispiel betrug der Anteil der Verteilnetze an den Treibhausgas-Emissionen Deutschlands nur 0,031 Prozent im Jahr 2023.“ Die EU-Methanverordnung führe zu „hohem bürokratischem Aufwand, ohne einen nennenswerten Hebel für Einsparungen zugunsten des Klimaschutzes zu bewirken“.
Eigentlich wäre es Aufgabe der Bundesländer, den Betreibern auf die Finger zu schauen und auf die Einhaltung der EU-Verordnung zu pochen. Doch bisher haben erst fünf Bundesländer überhaupt die zuständigen Stellen benannt, darunter Niedersachsen. Hier haben DUH und CATF ihre Ergebnisse gemeldet. Die EU-Methanverordnung sieht nämlich auch vor, dass Bürger:innen und Verbände bei einem begründeten Verdacht die Behörden informieren können. „Wir sind nun gespannt, was die niedersächsischen Behörden unternehmen werden“, sagt DUH-Sprecher Matthias Walter.
Kommentar
Mag ja sein, dass es größere Methanquellen gibt als die deutsche Erdgasinfrastruktur. Aber andererseits gibt es auch kaum einfachere Möglichkeiten, diese zu senken. Zum Beispiel bei der nicht entzündeten Fackel in Söhlingen: Es wäre wirklich kein unzumutbar großer Aufwand für die Betreiber, dafür zu sorgen, dass solche Fackeln auch brennen, wie es sich gehört. Doch es interessiert offenbar keinen. Auch die anderen von DUH und CATF aufgedeckten Fällen sprechen für Schlamperei und Gleichgültigkeit.
Die Bundesländer und das Umweltbundesamt, das die Aktivitäten der Landesbehörden koordinieren soll, haben sich bisher einen schlanken Fuß gemacht, indem sie sich auf die Selbstkontrolle der Branche verlassen haben. Doch das funktioniert offenbar nicht.
Jetzt zielt die DUH auf einen wunden Punkt bei den Behörden: Es ist kein einziger Fall bekannt, in dem eine Behörde in Deutschland jemals eine eigene Messung unternommen hat. Dafür sind sie offenbar weder personell noch technisch in der Lage. Doch das muss sich ändern, schon um ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen. So wie bisher kann es jedenfalls nicht weitergehen.