Millionenjahre im Zeitraffer: Forscher stellen Bernstein in nur 24 Stunden her

Bernstein ist weltweit begehrt. Das liegt zum einen daran, dass er als Schmuckstein gehandelt wird. Zum anderen ist das versteinerte Harz eine Art Behältnis für prähistorische Überreste – in seltenen Exemplaren lassen sich unter anderem Pflanzen, Insekten oder Vögel finden. Doch der Entstehungsprozess ist lang: Bis es so weit ist und Baumharz zu Bernstein fossilisiert, vergehen Millionen von Jahren. Paläontolog:innen haben diesen Prozess jetzt beschleunigt und in 24 Stunden bernsteinähnliche Fossilien aus Kiefernharz hergestellt.
Wie aus Millionen von Jahren 24 Stunden werden
Die US-amerikanischen Paläontologen Evan T. Saitta vom Field Museum of Natural History und Thomas G. Kaye von der Foundation for Scientific Advancement veröffentlichen in Scientific Reports neue Studienergebnisse zur Synthetisierung von Bernstein. Sie zeigen in einem Experiment, wie sich die natürliche Fossilisation von Bernstein innerhalb eines Tages nachahmen ließe. Saitta vergleicht ihr Verfahren mit der Benutzung eines Schnellkochtopfs: Die Forschenden verwendeten Kiefernharz aus dem Botanischen Garten von Chicago. Mittels einer hydraulischen Presse drückten sie das Harz mit Sedimentscheiben mit 8 bis 8,5 Tonnen zusammen, in die das Harz eingebettet war. Dafür nutzten sie eine eigens konstruierte Vorrichtung. Diese bestand unter anderem aus einem medizinischen Pillenkompressor.
Durch das Erhitzen der Proben und den auf sie ausgeübten Druck wollten die Forschenden die sogenannte Diagenese simulieren. Sie haben versucht, die langsame chemische und physikalische Veränderung nachzubilden, die normalerweise nötig ist, damit Sedimente zu Gestein werden. Sie verwendeten dafür verschiedene Temperaturen zwischen 130 und 150 Grad Celisus und Drücken bis zu 158 bar.
Herausforderungen bei der Herstellung
Die Diagenese ist laut der Forschenden auch der größte Knackpunkt. Das zeigt das Ergebnis der Erzeugnisse: Einige der hergestellten Proben waren nicht perfekt, aber einige wiesen die physikalischen Eigenschaften von Bernstein auf, wie zum Beispiel eine dunkle Färbung, Bruchlinien, Austrocknung und einen erhöhten Glanz. Saitta und Kaye stellten auch fest, dass sie mit der falschen Kiefernart begonnen hatten. Der in der Paläontologie am häufigsten untersuchte Bernstein stammt von Sciadopitys, einer Baumgruppe, deren einziger lebender Verwandter die japanische Schirmkiefer ist.
Maria McNamara, eine nicht an der Studie beteiligte Paläontologin des University College Cork in Irland, meint, dass in künftigen Untersuchungen weitere Pflanzenarten getestet werden sollten. Eine chemische Analyse des künstlichen Bernsteins sei notwendig, um zu wissen, wie nah (oder wie weit entfernt) es dem echten Material ist. „Das Baumharz hat überlebt, aber wir brauchen eine ordnungsgemäße, vollständige chemische Charakterisierung“, meint McNamara.
Wissenschaftliche statt wirtschaftliche Anreize
Bernstein im Labor herzustellen, biete wissenschaftliche Anreize – wirtschaftliche Anreize bestünden dabei nicht, so die Forschenden. In zukünftigen Bernstein-Experimenten möchten Saitta und Kaye Insekten, Federn oder Pflanzen in das Harz einbetten. Ein Grund, warum sich dies als nützlich erweisen könnte, ist, dass echte Bernstein-Fossilien wertvoll sind und für mehrere tausend Euro gehandelt werden. Eine zerstörerische Analyse wäre daher nicht durchführbar. „Ein konserviertes Insekt in synthetischem Bernstein ist nicht wertvoll, da es im Labor hergestellt wird“, so Saitta.
Saitta meint, dass solche Experimente künftig zeigen könnten, wie heutige Lebewesen mit Mikroplastik oder Schwermetallen im Körper in Millionen Jahren versteinern würden. Darüber hinaus könnte dieser synthetische Prozess helfen, zu verstehen, wie sich Fossilien über die Zeit entwickeln und verändern.