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Mistral: Europas KI-Zukunft im Fokus – das solltet ihr wissen

Dank einer Finanzspritze von Chipzulieferer ASML ist das französische KI-Startup ein Stück weit unabhängiger von US-Investor:innen. Ein positives Signal für Europas digitale Souveränität – aber die Frage nach Einflüssen von außen bleibt offen.

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Mistral AI ist Europas KI-Hoffnung. Kann das Startup der großen AUfgabe gerecht werden? (Bild: ChristianLphoto / Shutterstock.com)

Es ist der mit Abstand bedeutendste Deal für Europas KI-Sektor der jüngeren Vergangenheit. Im September gibt der französische KI-Chatbot-Anbieter Mistral AI bekannt, 1,7 Milliarden Euro an frischer Finanzierung eingesammelt zu haben. Daten von Crunchbase zufolge ist das mehr als dreimal so viel wie in der vorigen Finanzierungsrunde im Juli 2024.

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Das Besondere daran: Hauptinvestor mit 1,3 Milliarden Euro ist diesmal nicht eine der bekannten Risikokapitalfirmen oder ein Tech-Konzern wie Microsoft, Nvidia oder Samsung, die in der Vergangenheit schon Geld in Mistral AI gesteckt haben. Das meiste Kapital stellt ASML zur Verfügung, ein klassischer hidden champion. Heißt hier: Die Firma macht selten Schlagzeilen, beliefert aber einen Großteil der weltweiten Chiphersteller mit unersetzbarer Technik.

Außerdem sitzt der Konzern in den Niederlanden. Laut Pressemitteilung gehören dem Chipzulieferer jetzt rund elf Prozent des französischen KI-Startups. Das könnte die Unabhängigkeit Europas von Technologie aus den USA oder China stärken. KI aus Europa, finanziert von europäischen Firmen, für Europa, sozusagen. Aber ist das wirklich so simpel? Wir haben uns Frankreichs KI-Hoffnung genauer angeschaut.

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Drei KI-Jungspunde im Windschatten von ChatGPT

So viel vorneweg: Mistral AI ist, wie viele andere KI-Startups, ein Nutznießer des Hypes rund um OpenAIs ChatGPT. Die französische Firma wird im Mai 2023 in das französische Handelsregister eingetragen, ein knappes halbes Jahr nach der Erstveröffentlichung des KI-Chatbots der US-Konkurrenz.

Die Gründer sind zwar bis dato Unbekannte im KI-Bereich, aber gut ausgebildet. Geschäftsführer Arthur Mensch studiert beispielsweise an der renommierten Ingenieurshochschule École polytechnique, bevor er zwei Jahre bei Google Deepmind forscht.

Guillaume Lample, Chief Scientist von Mistral AI, schließt ebenfalls ein Studium an der École polytechnique ab und findet im Anschluss Arbeit im KI-Labor von Meta. So wie CTO Timothee Lacroix. Sowohl Lacroix als auch Lample sind als Doktoranden für die Pariser Abteilung des US-Konzerns tätig, bevor sie zusammen mit Mensch Mistral AI gründen.

Euro-KI für alle?

Das Produkt, das Mistral AI anbietet, klingt erstmal wenig attraktiv für Enterprise-Kund:innen. Zu Beginn legt das Startup seinen Fokus nämlich auf kleinere Open-Weights-Modelle, die auch auf Laptops und PCs laufen.

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Den Anfang machen Mistral 7B und Mistral 8x7B, die bis heute bei Huggingface gratis herunterladbar und unter der Apache-2.0-Lizenz frei genutzt werden können. Die Small- und Mini-Varianten der Mistral-Modelle laufen laut offizieller Dokumentation auch heute noch unter der freigiebigen Lizenz.

Wichtig zu wissen: Open Weights heißt nicht Open Source. Auch Mistral AI ist eine KI-Blackbox. Nur die Trainingsparameter sind offen zugänglich, aber nicht, woran das jeweilige Modell trainiert wurde und wie es genau aufgebaut ist.

Anders sieht es bei den von Mistral AI selbst als „Premium-Modelle“ bezeichneten Angeboten aus. Darunter fällt fast alle Software ab Modellgröße Medium. Dazu gehören der Allrounder Mistral Medium, aber auch Codestral, das auf Coding fokussiert ist, das Reasoning-Modell Magistral oder Devstral, das auf agentische KI und Tool-Einsatz setzt.

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Von den meisten dieser Modelle werden normale User:innen noch nie gehört haben. Für Endkonsument:innen betreibt Mistral AI den Chatbot Le chat, der Mistral Mini, Large und Next nutzt. Wie bei der Konkurrenz ist die Nutzung monatlich limitiert. Wer ein Abo für mindestens 18 Euro pro Monat abschließt, kann gängige Funktionen wie Deep Research, Reasoning oder Bildgenerierung häufiger nutzen.

Viel Finanzierung, wenig Umsatz

Dieser Fokus auf offene Modelle bedeutet gleichzeitig auch, dass Mistral AI deutlich weniger verdient als die großen Mitbewerber. Während OpenAI laut Berichterstattung von The Information und Anthropic laut eigenen Angaben Jahresumsätze im Milliardenbereich einfahren, liegt Mistral AI 2024 nicht konkret belegbaren Schätzungen zufolge bei etwa 30 Millionen Euro.

Um genug Kapital für das Training und die Ausführung von Sprachmodellen zusammenzubekommen, ist die Firma also auf großzügige Finanzierung von außen angewiesen. Die erste Runde, knapp einen Monat nach Gründung, spült dem KI-Startup etwa 100 Millionen Euro in die Kassen. Zu diesem Zeitpunkt sind hauptsächlich klassische Risikokapitalgeber wie Lightspeed Ventures an der Firma interessiert.

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Das ändert sich Ende 2023, als mit Andreessen Horowitz einer der bekanntesten Tech-Investoren bei Mistral AI einsteigt und die Firma insgesamt rund 400 Millionen Euro abrufen kann. Knapp ein Jahr nach der Gründung werden Tech-Firmen auf das französische Startup aufmerksam, Konzerne wie Nvidia oder die Investmentarme von Samsung und Salesforce beteiligen sich.

Die jüngste Finanzspritze in Höhe von 1,7 Milliarden Euro stellt den bisherigen Höhepunkt der Erfolgsgeschichte der Firma dar. Trotz der hohen Kosten für ASML bleibt das Risiko kalkulierbar. Laut ihrem aktuellen Jahresbericht macht die niederländische Firma aus 28 Milliarden Euro Umsatz rund acht Milliarden Euro Nettogewinn. Da lassen sich 1,3 Milliarden für Mistral AI leicht verschmerzen.

Vor allem, weil die Investition nicht nur in erster Instanz Schlagzeilen generieren dürfte. Denn nach dem Börsengang von Klarna schießt Mistral AI mit einer Bewertung von knapp zwölf Milliarden Euro Daten der Tech-Analyst:innen von CB Insights zufolge auf den zweiten Platz der wertvollsten Einhörner Europas. Nur das Fintech Revolut ist mehr wert, in der EU liegt Mistral AI damit also auf Platz eins.

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Foto der drei Mistral-AI-Gründer Arthur Mensch, Guillaume Lample und Timothee Lacroix

Die drei Gründer von Mistral AI, Guillaume Lample (hinten links), Timothee Lacroix (hinten rechts) und Arthur Mensch (vorne). (Foto: picture alliance / abaca | Renaud Khanh/ABACA)

Mistrals Zukunft: Naher Osten statt Europa?

Auf den ersten Blick scheint es also, als ob Europas wichtigstes KI-Einhorn sich auch weiterhin auf Europa fokussiert. Dafür spricht zum Beispiel auch, dass Mistral AI laut Data Center Dynamics zusammen mit Bpifinance, einer Investmentbank mit staatlicher Beteiligung und einem weiteren wichtigen Kapitalgeber, Nvidia und MGX ein 1,4-Gigawatt-Rechenzentrum vor den Toren von Paris bauen will. Baubeginn ist allerdings erst in der zweiten Hälfte 2026, die Fertigstellung soll 2028 erfolgen – im KI-Zeitalter eine Ewigkeit.

Die große Unbekannte in diesem Quartett ist MGX. Dabei handelt es sich um eine staatliche Investmentfirma aus den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Sitz in Abu Dhabi. Zwar fehlt hier eine direkte Kapitalbeteiligung, aber andere Verbindungen auf die arabische Halbinsel sind durchaus direkter.

So gehört etwa die Damac Group, das Investmentvehikel von Immobilienmogul und Trump-Intimus Hussein Sajwani aus Dubai, ebenfalls zum Investorenzirkel von Mistral AI. Damac hatte sich im Juli 2024 an Mistral AI beteiligt. Außerdem mit an Bord: Sanabil, der auf KI spezialisierte Arm des saudi-arabischen Staatsfonds Public Investment Fund. Der verwaltet Stand heute fast eine Billion Dollar und hat in der Vergangenheit vor allem durch Investitionen in Sport, Kultur und Gaming für Aufsehen gesorgt.

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Das Ausrichten von lukrativen Golfturnieren, der Kauf von Fußballvereinen sowie das Anlocken großer Stars in die saudi-arabische Profifußballliga sollen zwar auch der Diversifizierung von Einnahmen in einer ölfreien Zukunft dienen. Aber zahlreichen Kritiker:innen zufolge sei das auch Sportswashing eines repressiven Regimes.

Das Interesse seitens Kapitalgebern aus dem Nahen Osten wird auch von Mistral AI selbst befeuert. Das KI-Startup ist eines der ersten, das ein auf die arabische Sprache zugeschnittenes Modell namens Saba auf den Markt bringt. Diese Entwicklung ist grundsätzlich positiv. Denn ein Großteil der Sprachmodelle bringt durch die Hintergründe ihrer Entwickler:innen und die verfügbaren Trainingsdaten einen geografischen und kulturellen Bias mit, den solche Spezialmodelle ein Stück weit ausgleichen.

Lokale KI: Mit diesen 5 Tools kein Problem

Lokale KI: Mit diesen 6 Tools kein Problem Quelle: Midjourny / t3n

Durchsetzungsfähigkeit von Mistral AI bleibt unklar

Dass ein europäischer KI-Champion, beispielsweise in Kombination mit dem niederländischen Rechenzentrumsbauer Nebius, die Abhängigkeit von US-Tech-Firmen inmitten unsicherer Zollpolitik und Drohgebärden von US-Präsident Donald Trump reduzieren könnte, ist klar. Ob Mistral AI dazu fähig ist, steht auf einem anderen Blatt.

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Denn das französische Startup fokussiert sich vermehrt auf den Enterprise-Einsatz. Und hier tritt die Firma nicht nur gegen ein breites Feld an starken Konkurrenten an, sondern könnte auch mit vor sich hin dümpelnder KI-Nutzung in Unternehmen zu kämpfen haben. Laut des US Census Bureau nimmt der KI-Einsatz bei US-Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden derzeit leicht ab oder stagniert, wie Apollo Academy in einem Blogartikel berichtet.

Ein weiterer wichtiger Punkt im Hinblick auf Enterprise-Nutzung sind die Zugriffe mittels API, also nicht direkt über ein Web-Interface, sondern über eine Programmierschnittstelle. Gerade hier kann Mistral AI anscheinend keinen Fuß fassen. Der Newsletter EU AI Industrial Policy Monitor des AI Now Institute zeigt in seiner aktuellsten Ausgabe, dass die über Openrouter gezählten Zugriffe auf die Mistral-API lediglich einem Marktanteil von zwei Prozent entsprechen.

Eine wichtige Einschränkung: Diese Statistiken bilden nur API-Zugriffe über die Openrouter-Plattform ab. Welche Modelle wie häufig über Microsoft Azure oder AWS von Amazon abgerufen werden, wissen nur die Firmen selbst.

Wie also geht es in Zukunft weiter mit Mistral AI? Börsengang, Aufkauf durch interessierte US-Firmen wie Apple, weitere Finanzierungsrunden mit Beteiligung von EU- und Nicht‑EU‑Investoren – all diese Optionen liegen weiterhin auf dem Tisch.

Ob sich die Bemühung um digitale Souveränität im Sprachmodellbereich von Mistral AI alleine stemmen lässt oder ob andere Mitbewerber den Schritt von forschungsfokussierten Open-Source-Modellen hin zu vermarktbaren Produkten machen können oder sollten, ist unklar. Klar ist hingegen: An OpenAI kommt auch eines der wichtigsten Tech-Einhörner Europas nicht vorbei.

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