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MIT Technology Review Analyse

Nach Deepseek startet Alibaba durch: Wie stark ist Chinas KI-Branche wirklich?

Nach der Veröffentlichung von Deepseeks KI meldet sich auch der Internet-Riese Alibaba zurück. Und plötzlich sind chinesische IT-Aktien heiß begehrt. Ist das pure Spekulation oder steckt mehr dahinter?

Von Wolfgang Stieler
4 Min.
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Mit Deepseek ist China ein unerwarteter Erfolg im KI-Wettkampf geglückt. (Bild: Midjourney / t3n)

Die Veröffentlichung des extrem effizienten und leistungsfähigen KI-Modells R1 von Deepseek brachte nicht nur die Börsenkurse von Nvidia und OpenAI kurzzeitig nach unten. Das unerwartete Auftrumpfen einer bis dahin unbekannten, kleinen chinesischen KI-Firma führte auch zu einem neu erwachten Interesse an chinesischen Tech-Aktien. Dabei geht es keineswegs nur um vielversprechende, neue Startups. Auch alte Bekannte, die zwischenzeitlich eher abgeschrieben wurden, wie der Online-Konzern Alibaba, sind wieder angesagt.

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Und das ist – mal abgesehen von geopolitischen Unwägbarkeiten wie neuen Zöllen und Handelsbeschränkungen – tatsächlich gar nicht mal so falsch. Denn verschiedene Analysen, die mittlerweile veröffentlicht wurden, zeigen, dass Deepseeks Erfolg auch damit zu tun hat, dass der chinesische Staat eine mächtige Open-Source-Infrastruktur geschaffen hat, von der kleine, innovative Startups genauso profitieren wie große Konzerne.

Open-Source als nationale Ressource

DeepSeek, schreibt beispielsweise Peter Bloom von der University of Essex „verkörpert perfekt die ‚KI mit chinesischen Merkmalen‘ – eine Verschmelzung von staatlicher Führung, privatwirtschaftlichem Erfindungsreichtum und Open-Source-Zusammenarbeit, die alle sorgfältig gesteuert werden, um den langfristigen technologischen und geopolitischen Zielen des Landes zu dienen.“

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Die Open-Source-Kollaboration ist seit 2018 offiziell Teil der chinesischen Digitalisierungsstrategie. Und das zeigt offenbar auch Wirkung: 2020 nahm die Aktivität chinesischer Autor:innen im Open-Source-Bereich schnell zu, weil auch große Unternehmen wie Alibaba, Huawei und Tencent sich zunehmend mit eigenen Projekten beteiligten. Seit 2021 stellt China auf der Entwicklungsplattform GitHub die zweitgrößte Zahl an Beitragenden.

Natürlich fließt dabei auch eine Menge Geld: Seit 2015 haben staatliche Risikokapitalfonds umgerechnet etwa 912 Milliarden US-Dollar (737 Milliarden Pfund) in Unternehmen in der Frühphase investiert, wobei 23 Prozent dieser Mittel an KI-bezogene Unternehmen gingen.

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Anders als im Westen, wo einzelne Unternehmen miteinander konkurrieren, gibt es in China jedoch gemeinsame Initiativen wie die National AI Open Innovation Platform. Sie wird von 23 führenden KI-Firmen des Landes gepflegt und stellt offene Sets mit Trainingsdaten, Entwicklungswerkzeuge, Software-Bibliotheken und andere Ressourcen zur Verfügung.

Auch Alibaba präsentiert KI-Modell mit technischen Einzelheiten

Wie gut die Vernetzung mittlerweile funktioniert, kann man beispielsweise bei der viel gerühmten Effizienz der chinesischen KI-Modelle sehen: Deepseeks Sprachmodell v3 ist zwar mit rund 600 Milliarden Parametern ziemlich groß – im laufenden Betrieb verwendet das Modell aber nur einen kleinen Teil davon. Das ist möglich, weil das Modell eigentlich aus mehreren kleineren, spezialisierten Modellen zusammengesetzt ist. Diese „Mixture of Experts“-Architektur (MoE) wurde zuerst von OpenAI für GPT4 verwendet. Allerdings verriet OpenAI damals keine technischen Einzelheiten. Deepseek hat seine Variante dieser Architektur dagegen jetzt mit allen Einzelheiten veröffentlicht. Und nur wenige Tage nach Deepseek präsentierte Alibaba sein Modell Qwen-72B, das ebenfalls eine fortschrittliche MoE-Architektur besitzt.

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Industrie-KI statt Chatbots

Im Unterschied zu den USA scheint China mit dieser Förderung aber hauptsächlich pragmatische wirtschaftliche Interessen zu verfolgen, schreibt der Autor Jacob Dreyer in Nature (China made waves with Deepseek, but its real ambition is AI-driven industrial innovation). „Obwohl verbraucherorientierte Anwendungen viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sind chinesische KI-Firmen im Gegensatz zu ihren US-amerikanischen Pendants tatsächlich stärker in die Lösung von Problemen in der Industrie und Fertigung im großen Maßstab investiert.“ Eine Analyse, die man so ähnlich beispielsweise auch in der Zeitung Asia Times finden kann.

Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums Lin Jian, schreibt Dreyer, habe auf einer Pressekonferenz im September 2024 einige Beispiele genannt: So wird KI benutzt, um Züge pünktlicher fahren zu lassen, und Fischzuchten zu überwachen (mehr Kontext dazu in diesem Artikel der US-TR) und Telemedizin bereitzustellen. Und Alibaba habe „eine Vereinbarung mit dem in Peking ansässigen Startup-Unternehmen 01.AI getroffen, um ein „großes Modelllabor für die Industrie“ einzurichten, das sich auf den Einsatz von KI zur Optimierung von Geschäfts- und Industrieprozessen konzentriert.“

Zudem, schreibt Dreyer, spielt KI „auch eine interessante Rolle bei der Energiewende in China, von groß angelegten Versuchen mit integrierten Smart Homes bis hin zur Investitionen in Höhe von umgerechnet rund 800 Milliarden US-Dollar für ein nationales Smart Grid. Die Digitalisierung der chinesischen Energieversorgung könnte sich tatsächlich als wichtiger Baustein erweisen, mit dem rasch wachsenden Energiebedarf des Landes Schritt zu halten. Unter anderem setzt die Regierung dabei auf

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virtuelle Kraftwerke.

Ist das gefährlich?

Eine globale Führungsposition in der Künstlichen Intelligenz ist für die chinesische Regierung aber natürlich auch geopolitisch interessant – Chinas kann seine KI als offene Alternative zu den von Unternehmensinteressen dominierten US-Entwicklungen präsentieren. Das zahlt insbesondere im globalen Süden auf das Argument ein, KI dürfe „nicht allein ein Spiel der Reichen“ bleiben. Aber auch westliche Unternehmen können sich überlegen, ob sie lieber viel Geld ausgeben, um auf proprietäre Modelle aus den USA zu setzen, oder kostengünstige und offene chinesische Modelle nutzen.

Natürlich ist das immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Fachleute warnen im Fall von Deepseek vor Sicherheitslücken und mangelndem Datenschutz. Und natürlich ist Open-Source zwar offen lesbar und lässt sich prinzipiell von jedem überprüfen. In der Praxis gibt es aber immer wieder Fälle, in denen Open-Source-Infrastruktur auch verwendet wird, um Schadcode zu verteilen. Schließlich könnten quelloffene Modelle auch von dritten, böswilligen Akteueren missbraucht werden. „Könnte es eine Zeit geben, in der einige Arten von Open-Weight-Modellen „zu gefährlich“ sind, um sie zu veröffentlichen? Natürlich; wer sich da sicher ist, macht Ihnen oder sich selbst etwas vor“, schreibt Dean W. Ball von der George Mason University in seinem Substack-Newsletter. „Und wenn das passiert, müssen wir möglicherweise politische Maßnahmen ergreifen, um Open-Weight-Modelle davon abzuhalten, veröffentlicht zu werden. Aber wenn dieser Tag kommt, gehe ich davon aus, dass China und die meisten anderen Länder bereits drakonische Maßnahmen ergriffen haben werden, um die Verbreitung offener Modelle einzuschränken. Im Moment befinden wir uns jedoch auf der Ebene des offenen Wettbewerbs, und ich vermute, dass wir verlieren, zumindest in Bezug auf Open Source.“

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