Es kann eine Mail vom Chef sein, in der er das Projekt, das einem am Herzen liegt, kritisiert und mit seinen eigenen Vorschlägen alles nur noch schlimmer macht. Oder das Meeting, in dem die Beförderung nicht bewilligt wird, weil man auf eine Frage die vermeintlich falsche Antwort gegeben hat. Im Arbeitskontext gibt es viele Momente, die Ärger und Wut in uns hervorrufen. Und wenn wir es nicht schaffen, diese Emotion irgendwie zu verarbeiten, kann sie destruktiv werden.
Daher ist es wichtig, einen Umgang mit der Wut zu finden. Es gibt Studien, die zeigen, dass Wut zu impulshaften Taten führen kann – Gewalt gegen Objekte oder sogar Personen. Besonders dann, wenn sich die Anlässe für Wut und Ärger häufen und nicht konstruktiv gewendet werden können. Da dieser Ärger, besonders am Arbeitsplatz, auch zu einem chronischen Stressgefühl führen kann, können die Folgen mitunter sogar noch gravierender sein.
Einen Umgang mit der Wut zu finden, eine Technik der Emotionsregulation, die es uns ermöglicht, weder impulshaft zu handeln noch die Wut sprichwörtlich in uns hineinzufressen, ist also von großer Bedeutung.
Was bei Ärger effektiv ist – und was nicht
Eine Studie der beiden Psychologen Yuta Kanaya und Nobuyuki Kawai, die in Scientific Reports veröffentlicht wurde, zeigt eine Methode, mit der durch andere Personen ausgelöste Wut etwas entgegengesetzt werden kann.
Zunächst führen die beiden ältere Studienergebnisse zusammen: Ärger einfach herunterzuschlucken ist nicht effektiv. Vielmehr führt das zu einem Grübeln (rumination), das die Stimmung insgesamt verdunkeln kann. Kreisende Gedanken um einen ärgerlichen Vorfall: Was hätte ich stattdessen tun sollen? Distanz zu suchen und in die Selbstreflexion zu gehen sei hilfreich – aber in einem hitzigen Moment nur schwer umzusetzen.
Die Studie zeigt erneut, dass dieses Grübeln zu einem erhöhten subjektiven Empfinden von Ärger führt, samt vaskulärer Reaktion. Denn Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße weiten. Evolutionär betrachtet eine gute Sache: Ordentlich durchblutetes Muskelgewebe ist in einer Fight-or-flight-Situation überlebenswichtig. Während wir in einem Büro vorm Bildschirm sitzen allerdings nicht.
Daher bringt die Studie das Aufschreiben der eigenen Gefühle ins Spiel. Auch dazu gibt es bereits andere Studien. Die besagen etwa, dass ein abgekühltes und reflektiertes Beschreiben dessen, was vorgefallen ist und was der Vorfall mit uns macht, zu einem Rückgang des Ärgers führt, während aber ein hitziges und emotionales Schreiben keinen solchen Effekt hat.
Eine weitere Methode, die in der Studie beschrieben wird, ist, die grüblerischen Gedanken im Kopf über ein Hilfsmittel in die physische Realität zu transferieren. Als Beispiel wird etwa die heiße Dusche genannt, wenn man sich einsam fühlt. Die Wärme kann dabei helfen, diese Emotion zu regulieren. Andere halten einen Teddybär, wenn sie Angst haben. Er gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit.
Wie ihr euren Ärger loswerden könnt
Schließlich kombinieren Yuta Kanaya und Nobuyuki Kawai diese beiden Ansätze. In einem eigentlich recht simplen Experiment, aufgeteilt in zwei Abläufe, an dem insgesamt etwa 100 Probanden teilgenommen haben. Kurz zusammengefasst zeigen die Ergebnisse:
- Jemandem widerfährt ein ärgerliches Erlebnis. Beispielsweise die schlechte Bewertung seiner Arbeit.
- Die Person empfindet Wut ob dieses als Degradierung wahrgenommenen Vorgangs.
- Nun nimmt sich die Person drei Minuten Zeit und schreibt auf ein Blatt Papier möglichst detailreich auf, was passiert ist. In der Studie war die Anweisung: „Betrachten Sie das Ereignis aus Ihrer eigenen Perspektive. Konzentrieren Sie sich besonders auf die Dinge, die ursprünglich die Emotionen und Ihre Reaktionen ausgelöst haben.“ Dazu gehört etwa:
- Was genau hat die Empfindung der Wut hervorgerufen? Welche Aussage, welche Tat, welches Verhalten?
- Wieso hast du mit Wut auf dieses Ereignis reagiert?
- Wie hat sich deine Wut in dem Moment geäußert?
- Nachdem alles aufgeschrieben ist, muss das Papier zerknüllt und in den Mülleimer geworfen werden.
So lief das Papier-Experiment ab
Die Probanden der Studie, überwiegend Studierende, sollten ein Essay über ein soziales Thema schreiben. Beispielsweise wie sie zum Rauchen in der Öffentlichkeit stehen. Die Essays wurden eingesammelt und bewertet. Unter jeder der Arbeiten haben die Studienleiter geschrieben: „Ich kann nicht glauben, dass eine gebildete Person so denken würde. Ich hoffe, diese Person lernt etwas, während sie an der Universität ist“. Der Teil mit der Uni wurde bei Menschen, die nicht studieren, weggelassen.
Nun sollten alle innerhalb von drei Minuten auf ein Papier schreiben, was sie daran wütend macht und wie sich die Emotion äußert. Ein Teil der Probanden hat das Papier danach in einen durchsichtigen Schutzumschlag gelegt, der andere Teil das Papier zusammengeknüllt und weggeworfen. Allen wurde jedoch vorher gesagt, dass niemand dieses Papier lesen würde und es nur für sie ist.
An drei Punkten während des Experiments wurden die Probanden zu ihrem emotionalen Zustand befragt, speziell im Hinblick auf das Empfinden von Ärger. Zu Beginn des Experiments, direkt nachdem sie die Ergebnisse ihrer Essay-Bewertung erhalten haben (hier empfanden alle einen großen Ärger) und nachdem sie das Papier entweder weggeworfen oder neben sich gelegt haben.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass sie Probanden, die das Papier zerknüllen und wegwerfen durften, wieder das Level an Wut erreicht haben, das sie zu Beginn des Experiments hatten. Bei der anderen Gruppe war das jedoch nicht der Fall. Wer seine Gedanken nur aufschrieb und sie dann zur Seite legte, hatte noch immer einen deutlich höheren Wut-Level als zu Beginn des Experiments.
Am Ende wurden alle Probanden darüber aufgeklärt, dass es sich um ein Experiment handelte und die Bewertung des Essays nicht echt war.
Was das Ergebnis bedeutet und wie es am Arbeitsplatz helfen könnte
Die beiden Psychologen haben eine recht naheliegende Deutung dieses Ergebnisses. Die Wut wird mit dem Papier zusammen entsorgt. Der physische Gegenstand und die grüblerischen Gedanken werden zu einem und beide gleichzeitig in den Mülleimer geworfen. Auch der Akt der Distanzierung wird in der Studie mit in Betracht gezogen: Durch das Wegwerfen in einen Mülleimer liegt eine größere Distanz zwischen den Probanden und ihren niedergeschriebenen Gedanken, während die zweite Gruppe noch immer den Zettel direkt neben sich liegen hat.
Doch als Hauptgrund sehen die Psychologen das physische Entsorgen. In einem zweiten Durchgang wurde der gleiche Ablauf noch mal ausgeführt, diesmal jedoch wurde das Papier nicht in einen Mülleimer geworfen, sondern geschreddert. Das Ergebnis blieb gleich: Auch hier war die Gruppe, die schreddern durfte, deutlich weniger wutgeladen als die Vergleichsgruppe.
Die Studie zielt vor allem auf die Erziehung von Kindern ab: Eltern und Erziehende sollen diese Methode anwenden können, um keine Wut auf die Kinder zu entwickeln, beziehungsweise dieser wieder abzubauen.
Aber auch im Arbeitskontext könnte diese Methode konstruktiv eingesetzt werden. Wenn Vorgesetzte oder auch Kollegen negative Kommentare etwa in Bezug auf die Arbeitsqualität, die Produktivität oder in der Ideenentwicklung machen, besonders solche, die sich degradierend anfühlen, kann die Papier-Methode durchaus funktionieren.
In Situationen, in denen man sich ausgeliefert fühlt, etwa weil die Anweisungen eines Vorgesetzten unumstößlich sind, kann Wut besonders schnell entstehen und besonders destruktiv sein. Hier ruhig und analytisch aufzuschreiben, was die Wut auslöst und wie sich äußert – um das Papier dann zu zerknüllen und wegzuwerfen –, kann eine gute Methode sein, um Distanz zu gewinnen und den Kopf zu klären.
Wenn das passiert ist, kann man viel besser mit ruhigen Gedanken auf den Chef oder die Kollegin zugehen und sachlich darlegen, dass diese Situation ärgerlich war und was genau daran beim nächsten Mal anders ablaufen muss. Denn im besten Fall ist die Papier-Methode nicht nur eine Möglichkeit, den Ärger loszuwerden, sondern ein Impuls, um etwas am Arbeitsplatz zu verändern – aber mit klarem Kopf.