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Kolumne

Das Netflix-Dilemma: Gibt es gute Monopole?

Monopole sind schlecht, da sind sich eigentlich alle einig. Oder etwa doch nicht? Die aktuelle Schlacht der Videostreamingangebote stellt eine alte Gewissheit in Frage. Die Neuland-Kolumne.

Von Stephan Dörner
5 Min.
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(Foto: sitthiphong/Shutterstock)

Auf Twitter brachte vor einiger Zeit ein Meme auf den Punkt, was viele Internetnutzer aus eigener Erfahrung kennen: Das bequem, vielfältige und sehr bezahlbare Videostreamingangebot von Netflix hatte die sogenannte Internetpiraterie für den Bereich Filme und Serien fast verdrängt.

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Ähnlich wie vor vielen Jahren iTunes – und später Musikstreamingangebote wie Spotify – war die legale Alternative zu Tauschbörsen einfach zu bequem geworden, als dass sich noch viele Nutzer mit Bittorrent-Programmen und Trackern auseinandersetzen wollten – von dem rechtlichen Risiko der Abmahnung ganz zu schweigen.

„Ironischerweise könnte zu viel Videostreamingauswahl die Nutzer wieder zurück zur Piraterie treiben.“

Doch Unternehmen wie Amazon, Apple und Disney wollen Videostreamingkuchen nicht alleine Netflix überlassen. Sie alle kaufen und produzieren fleißig exklusive Inhalte, um ihre eigenen Streamingplattformen aufzubauen. Die Folge für den Konsumenten: Wer alle Filme und Serien legal sehen will, die einen persönlich interessieren, muss inzwischen bei einer ganzen Reihe Videostreamanbieter ein Abo abschließen. Angesichts eines Preises von rund zehn Euro im Monat, den Netflix gesetzt hat, dürfte das allerdings nur für wenige sehr wohlhabende Nutzer oder große Film- und Serienfreaks in Frage kommen.

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„Ironischerweise könnte zu viel Videostreamingauswahl die Nutzer wieder zurück zur Piraterie treiben“ ist eine Diskussion auf Reddit überschrieben.  Die Situation ist für die Nutzer ganz offensichtlich unbefriedigend. Das fragmentierte Angebot könnte aber bald auch schon für die Branche zum Problem werden: Wer bequem möglichst jeden Film und jede Serie online zeitnah sehen möchte, muss heute wieder fast zwangsweise auf illegales Filesharing zurückgreifen. Erleben wir also bald die Renaissance der Tauschbörsen?

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Videostreaming: Zurück zum Monopol

Will die Branche das verhindern, gibt es unterschiedliche Szenarien: Ein offensichtlicher – und für die Digitalwirtschaft nicht ungewöhnlicher – Weg wäre die Rückkehr eines natürlichen Quasimonopols durch einen der großen Anbieter, der mit viel Kapital so viele exklusive Inhalte produziert und lizensiert, dass er alle anderen Mainstream-Anbieter an die Wand drückt und somit nur noch Platz für kleine, spezielle Nischenplayer lässt. Das könnte Netflix sein – aber auch einer der anderen Konzerne, die das Contentspiel spielen und allesamt deutlich mehr Geld in der Kriegskasse haben: Amazon, Apple, Google oder Disney.

Schnell gäbe es einen sich selbst verstärkenden Mechanismus: Der Anbieter mit den meisten nachgefragten Inhalten könnte die größte Anzahl an Kunden überzeugen – die Einnahmen wiederum können für noch mehr exklusive Inhalte verwendet werden. Ein kleiner Vorsprung vor den Konkurrenten könnte so schnell zu einem großen werden.

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Doch gerade aus Kundensicht wäre das höchstens kurzfristig wünschenswert: Hat sich einmal eine Plattform für Filme und Serien fest etabliert und muss die Konkurrenz nicht mehr fürchten, kann sie die Preise anheben und muss nicht mehr innovativ sein.

Und auch die Branche der Film- und Serienproduzenten insgesamt kann sich dieses Szenario nicht wünschen. An der dominanten Plattform für die Unterhaltungsbranche käme niemand vorbei. Und ähnlich wie Amazon im E-Commerce würde eine solche Plattform gegenüber dem Rest der Industrie die Bedingungen diktieren und dafür sorgen, dass ein großer Teil der weltweiten Ausgaben der Konsumenten bei der Plattform hängenbleibt. Ganz zu schweigen von der gesellschaftlichen Macht, die eine einzige weltweit relevante Plattform für etwas kulturell Bedeutendes wie die Unterhaltungsindustrie hätte.

Kulturflatrate?

Vielleicht erlebt auch eine alte Idee aus den Hochzeiten des Filesharings einen zweiten Frühling: die Kulturflatrate. Die Idee: Kultur ist etwas, das jeder Bürger konsumiert – und zwar zunehmend online. Dank Internet lässt sie sich beliebig vielfältigen, wovon niemand ausgeschlossen werden kann. Kultur wird sozusagen zum Kollektivgut. Bleibt die Frage nach er gerechten Entlohnung der Kreativen.

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Diese sollen im Modell der Kulturflatrate durch eine Zwangsabgabe entlohnt werden – ausgezahlt nach einem Schlüssel, wie oft die Inhalte dann im Netz abgerufen werden. Jeder Bürger zahlt einen Pauschalbetrag für Kultur. Die Idee ist verrückt, charmant und kompliziert zugleich. Zunächst aber zu den Vorzügen: In keinem anderen Modell bekommen Nutzer so viel fürs Geld wie bei der Kulturflatrate – nämlich einfach alles, was es gibt. Und das, obwohl die Künstler und Kreativen nicht zurückstecken müssen.

Gleichzeitig wirft das Modell aber natürlich zahlreiche Fragen auf und ist mit der Art, wie wir aktuell unsere Wirtschaft organisieren, eigentlich nicht kompatibel. Einige der Fragen lauten: Wie soll das Modell über Ländergrenzen funktionieren? Wer überwacht, was von wem wie gehört und gesehen wird – und wollen wir das wirklich überwachen? Wer bezahlt für die Serverinfrastruktur von Streamingdiensten? Und ist es eigentlich in Ordnung, dass in einer ganzen Branche damit alle um ihren Job gebracht werden, die nicht direkt mit der Erstellung der Inhalte ihr Geld verdienen, sondern mit der Distribution?

All diese Frage müssen wir uns eigentlich gar nicht stellen, denn mit dem politischen Tod der Piratenpartei dürfte auch die Idee der Kulturflatrate bis auf weiteres gestorben sein. Lässt sich das Plattformmonopol der Unterhaltungsbranche trotzdem noch verhindern?

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Vorbild Musikstreaming

Ein Vorbild könnte die Musikbranche sein: Nach über einem Jahrzehnt lautem Geheul der Musikindustrie seit dem Siegeszug des Internets gibt die besonders junge Generation Z mehr Geld für Musik aus als jede andere, hat die Investmentbank Goldman Sachs kürzlich festgestellt. Und dank Spotify und anderer Musikstreamingdienste wächst die Branche kräftig weiter.

Der Unterschied zum Film- und Serienstreaming: Die großen Musikstreamingdienste wie Spotify, Deezer und Apple Music haben so gut wie keine Musik exklusiv. Egal, welchen Musikgeschmack ein Nutzer hat – die beliebtesten Veröffentlichungen aus allen Genres findet er bei allen großen Playern. So entsteht Wettbewerb dort, wo er entstehen soll: Bei der Benutzerführung, den Zusatzfunktionen, der Software, den Musikempfehlungen und dem Preis. Die Nutzer haben eine echte Wahl.

Das wäre ein wünschenswerter Weg auch für das Videostreaming, der nicht gleich eine Systemrevolution benötigte. Gleichzeitig aber scheint er derzeit leider aber auch unwahrscheinlich. Der Unterschied ist nämlich, dass weder Spotify, noch Deezer oder Apple Musik selbst produzieren. Und die bekannten Plattformen sind inzwischen so groß, dass so gut wie kein Label auf die Einnahmen von einem der Anbieter verzichten will.

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So lange aber die Plattformanbieter gleichzeitig auch die Produzenten vieler Inhalte sind, werden sie ihre Inhalte wohl exklusiv für die eigene Plattform produzieren. Dann allerdings muss den Anbietern auch klar sein, dass das illegale Filesharing zurückkommen wird.

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Jeason

Dann muss eben aus „EXCLUSIVE“ zukünftig ein befristetes „Exclusive“ werden, das Inhalte nach einer bestimmten Zeit auch bei anderen Plattformen anbietet. Wenn also alle Netflix-User mit einer Serienstaffel durch sind, verkauft man den Content an andere Plattformen weiter. Der Werbeeffekt für die Plattform des Produzenten kommt durch den zeitlichen Vorsprung, der Rest der Welt ist trotzdem nicht ausgeschlossen und durch die weitere Vermarktung fließt zusätzliches Geld in die Kasse.

Antworten
Fritz Müller

Exakt dasselbe Problem besteht aus Nutzersicht mittlerweile beim Thema Fußball. Wer alle Bundesligaspiele sehen möchte, muss mindestens drei verschiedene Abos abschließen. Das ist völlig unattraktiv und führt nur dazu, dass sich immer mehr Fans abwenden

Antworten
Johannes Fischer

Bin seit dieser Saison auch nicht mehr dabei. u.a. deswegen.

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Johannes Fischer

Die Idee mit exklusiven Inhalten von jedem Anbieter schadet die Anbieter selber. Kaum einer wird mehrere Abos abschließen.
Mehr Filesharing? War seit Netflix stark zurückgegangen und wird dann bald wohl wieder stärker anwachsen.
Die Idee mit der Kulturflatrate ist gut. Kommt in der heutigen politischen Landschaft wahrscheinlich noch zu früh.
So wie es bei den Musik-Streaming-Diensten derzeit ist, ist es wirklich gut. Alle haben das gleiche Angebot und den gleichen Preis. Nur die Funktionen und das Design ist unterschiedlich. So kann sich jeder sein passendes aussuchen. Das wäre auch eine gute Lösung für die Film- & Serien-Streaming-Diensten.

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Insomnia

Schön, dass du den Artikel nochmal kurz zusammengefasst hat…

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