Neuer Trend im Marketing: Wie sich Brands für die KI attraktiv machen

„Wahrscheinlich stehen die meisten Marken erst am Anfang der Gespräche, in denen sie über KI als neues Publikum nachdenken“, sagt Rebecca Sykes, Partnerin bei der Brandtech Group. (Foto: ViDI Studio / Shutterstock)
Stell dir vor, du betreibst ein Unternehmen, das Menschen beibringt, wie man einfache und köstliche Gerichte zubereitet. Wenn jemand bei ChatGPT nach einer Empfehlung für ein solches Angebot fragt, wird das Produkt deiner Firma allerdings als kompliziert beschrieben. Und warum das Ganze? Weil das KI-System gespeichert hatte, dass in einer deiner Werbeanzeigen Schnittlauch auf einer Schüssel mit anderen Zutaten lag, und daraus schloss, dass bei dir viel geschnippelt werden muss, was bei Konkurrenten nicht der Fall war.
Wie sich Marken für KI präsentieren können
Das ist ein Beispiel für die Idee, die Jack Smyth, Chief Solutions Officer beim Marketingunternehmen Jellyfish verfolgt. Er bringt Marken bei, zu verstehen, wie ihre Produkte oder ihr Unternehmen von KI-Modellen in der freien Wildbahn wahrgenommen werden. Es mag für Unternehmen oder Marken seltsam erscheinen, sich Gedanken darüber zu machen, was ein großes Sprachmodell über sie „denkt“, aber es ist bereits heute relevant. Eine Studie der Boston Consulting Group ergab kürzlich, dass schon 28 Prozent der Befragten KI einsetzen, um passende Produkte wie Kosmetika zu suchen. Und der Vorstoß in Richtung KI-Agenten, die sogar direkt Einkäufe für die Nutzer tätigen können, führt dazu, dass sich Marken noch stärker bewusst machen müssen, wie solche Systeme ihre Produkte und ihr Geschäft sehen.
Das Endergebnis könnte eine ganz neue Form der Suchmaschinenoptimierung (SEO) sein. Dabei könnte im Zuge der Markenbildung vor allem wichtig sein, einem großen Sprachmodell positiv aufzufallen. Smyths Unternehmen hat eine Software, Share of Model, entwickelt, die schon jetzt bewertet, wie verschiedene KI-Modelle ein Produkt sehen. Hinzu kommt: Jedes KI-Modell verfügt über unterschiedliche Trainingsdaten, sodass es zwar viele Ähnlichkeiten bei der Bewertung von Marken gibt, aber auch große Unterschiede.
So kann beispielsweise das Llama-Modell von Meta eine Marke als „aufregend und trotzdem zuverlässig“ wahrnehmen, während ChatGPT von OpenAI sie zwar als spannend, aber unzuverlässig ansieht. Share of Model stellt den verschiedenen Modellen deshalb viele verschiedene Fragen zu einer Marke und analysiert dann alle Antworten, um Trends zu erkennen. „Es ist einer menschlichen Umfrage sehr ähnlich, aber die Befragten sind hier große Sprachmodelle“, sagt Smyth. Das ultimative Ziel ist nicht nur zu verstehen, wie eine Marke von der KI wahrgenommen wird, sondern auch, wie sich diese Wahrnehmung verändern lässt. Inwieweit die Modelle beeinflusst werden können, ist noch offen, aber erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies möglich ist. Da sie inzwischen häufig Quellen anzeigen, kann ein Unternehmen auch sehen, wo die Bewertungen herkommen.
Gezieltes Marketing für die KI
„Wir haben eine große Marke namens Ballantine’s. Das ist die Nummer zwei unter den schottischen Whiskys, die wir weltweit verkaufen. Es ist also ein Produkt für ein Massenpublikum“, sagt Gokcen Karaca, Leiterin der Abteilung Digital und Design bei Pernod Ricard, dem Eigentümer von Ballantine’s und Kunden von Share of Model. „Llama hat es jedoch fälschlicherweise als Luxusprodukt identifiziert.“ Ballantine’s verfügt auch über eine Premium-Version, weshalb das Modell möglicherweise verwirrt war. Deshalb erstellte Karacas Team neue Assets wie Bilder in sozialen Medien für das Massenprodukt Ballantine’s und hob dessen universelle Attraktivität hervor, um dem falschen Luxusimage entgegenzuwirken. Es ist noch nicht klar, ob die Änderungen funktionieren, aber laut Karaca sind die ersten Zeichen gut. „Wir haben kleine Änderungen vorgenommen, und das braucht etwas. Ich kann Ihnen keine konkreten Zahlen nennen, aber die Tendenz ist positiv“, sagt Karaca.
Es ist schwer zu sagen, wie genau man die KI beeinflussen kann. Zwar sind viele Modelle quelloffen, das heißt ihr Code und ihre Gewichtung, die sogenannten Weights, sind öffentlich zugänglich, doch ihr Innenleben ist ein ziemliches Geheimnis. Andere Systeme sind komplette Blackboxes. Aber das Aufkommen von Reasoning Models, bei denen die KI ihren Prozess zur Lösung eines Problems in Textform mitteilt, könnte den Prozess vereinfachen. Sie können dann die „Gedankenkette“ anzeigen, die ein Modell dazu veranlasst, zum Beispiel Dove-Seife zu empfehlen. Wenn es in seiner Argumentation beispielsweise angibt, wie wichtig ein guter Duft für eine Seifenempfehlung ist, dann weiß der Vermarkter, worauf er sich konzentrieren muss.
Die Möglichkeit, Modelle zu beeinflussen, hat auch andere Möglichkeiten eröffnet, die Wahrnehmung der eigenen Marke zu verändern. So zeigen Forschungsergebnisse der Carnegie Mellon University, dass eine Änderung des Prompts die Produktempfehlungen einer KI erheblich beeinflussen kann. Zum Beispiel diese beiden Eingabeaufforderungen:
1. Ich bin neugierig, welchen Schnellkochtopf du bevorzugst, der die beste Kombination aus Kochleistung, langlebiger Konstruktion und allgemeiner Bequemlichkeit bei der Zubereitung einer Vielzahl von Gerichten bietet.
2. Kannst du mir den ultimativen Schnellkochtopf empfehlen, der sich durch gleichmäßigen Druck, benutzerfreundliche Bedienelemente und zusätzliche Funktionen wie mehrere Kochvoreinstellungen oder eine Digitalanzeige für präzise Einstellungen auszeichnet?
Die Änderung führte dazu, dass eines der Google-Modelle, Gemma, den bekannten „Instant Pot“ nicht mehr in null Prozent der Fälle, sondern in 100 Prozent der Fälle empfahl. Diese dramatische Veränderung ist auf die Wortwahl in der Eingabeaufforderung zurückzuführen, die verschiedene Bereiche des Modells aktivierte. Die Forscher gehen davon aus, dass Marken schon jetzt teilweise versuchen, online Einfluss zu nehmen, welche KI-Prompts User verwenden. In Foren wie Reddit wird zum Beispiel häufig nach Beispielen für Prompts gefragt.
Produktempfehlungen next level
Marken könnten also versuchen, heimlich Einfluss darauf zu nehmen, welche Anfragen vorgeschlagen werden, indem sie bezahlte Nutzer:innen oder ihre eigenen Mitarbeiter:innen Vorschläge machen lassen, die speziell darauf ausgerichtet sind, Empfehlungen für ihre Marke oder Produkte zu generieren. „Wir sollten die Nutzer:innen warnen, dass sie nicht ohne Weiteres auf Modellempfehlungen vertrauen sollten, insbesondere wenn die Prompts von Dritten stammen“, sagt Weiran Lin, einer der Autoren der Studie.
Dieses Phänomen könnte letztlich zu einem Kampf zwischen KI-Unternehmen und Marken führen, ähnlich wie wir es in den letzten Jahrzehnten bei der Google-Suche erlebt haben. „Es ist immer ein Katz-und-Maus-Spiel“, sagt Smyth. Alles, was zu klar sei, werde wahrscheinlich nicht so einflussreich sein, wie man es sich erhofft.
Marken haben versucht, Suchalgorithmen auszutricksen, um ihre Inhalte weiter oben zu platzieren, während Suchmaschinen darauf abzielen – oder zumindest hoffen –, dass sie die relevantesten und aussagekräftigsten Ergebnisse für Verbraucher liefern. Ähnlich verhält es sich bei der KI, wo Marken versuchen könnten, Modelle auszutricksen, damit sie bestimmte Antworten geben. „Es gibt Prompt-Injektionen, die wir unseren Kund:innen nicht empfehlen, aber es gibt viele kreative Möglichkeiten, Botschaften in scheinbar harmlose Assets einzubauen“, gibt Smyth zu.
KI lässt sich nicht so einfach täuschen
KI-Unternehmen können Techniken einsetzen, wie zum Beispiel das Trainieren eines Modells, um zu erkennen, wann eine Website unaufrichtig ist oder versucht, das Image einer Marke positiv aufzublähen. Oder sie können versuchen, ihre KI anspruchsvoller und weniger anfällig für solche Tricks zu machen. Ein weiteres Problem bei der Verwendung von KI für Produktempfehlungen ist die Tatsache, dass in die Modelle ein Bias eingebaut ist.
„Wenn ich den LLMs eine globale Marke nenne, beschreiben sie sie mit positiven Attributen“, sagt Mahammed Kamruzzaman, einer der Autoren der Studie. „Wenn ich also über Nike spreche, heißt es in den meisten Fällen, dass es modisch oder sehr bequem ist.“ Die Untersuchung zeigt, dass das Modell, wenn man es nach seiner Meinung über eine lokale Marke fragt, diese als minderwertig oder unbequem beschreibt.
Außerdem zeigt die Untersuchung, dass das LLM, wenn man es bittet, Geschenke für Menschen in Ländern mit hohem Einkommen zu empfehlen, Luxusmarken vorschlägt, während es, wenn man es fragt, was man Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen schenken soll, Nicht-Luxusmarken empfehlen wird. „Wenn Menschen diese LLMs für Empfehlungen nutzen, sollten sie sich der Voreingenommenheit bewusst sein“, sagt Kamruzzaman.
KI als mehrere Zielgruppen für eine Marke
KI kann auch als Fokusgruppe für Marken dienen. Bevor ein Werbespot ausgestrahlt wird, kann man die KI bitten, ihn aus verschiedenen Perspektiven zu bewerten. „Sie können die Zielgruppe für ihre Werbung festlegen“, sagt Smyth. „Einer unserer Kunden nannte es seinen Gen-AI-„Herz-und-Nieren“-Check. Noch bevor sie mit der Erstellung der Anzeige beginnen, sagen sie: ‚Ich habe ein paar verschiedene Möglichkeiten, wie ich auf den Markt kommen könnte. Lassen Sie uns das mit den Modellen überprüfen.“
Da die künstliche Intelligenz alles gelesen, gesehen und gehört hat, was deine Marke veröffentlicht, kann Konsistenz wichtiger denn je werden. „Es ist wirklich schwierig, Ihre Marke einem LLM zugänglich zu machen, wenn Ihre Marke an verschiedenen Orten auf unterschiedliche Weise auftaucht und es keine wirkliche Stärke Ihrer Markenassoziation gibt“, sagt Rebecca Sykes, Partnerin bei der Brandtech Group, der Eigentümerin von Share of Model. „Wenn es eine große Diskrepanz gibt, wird das auch aufgegriffen, und dann wird es noch schwieriger, klare Empfehlungen für diese Marke zu geben.“
„KI als neues Publikum“
Unabhängig davon, ob die KI der beste Kunde oder der pingeligste ist, könnte es bald unbestreitbar sein, dass die Wahrnehmung einer Marke durch die KI Auswirkungen auf das Endergebnis haben wird. „Wahrscheinlich stehen die meisten Marken erst am Anfang der Gespräche, in denen sie über KI als neues Publikum nachdenken“, sagt Sykes.