Ich habe mein iPhone gegen ein Nokia Dumbphone getauscht – und 5 Dinge gelernt
Die Generation Z schwört dem Smartphone ab. Das geht auf einen Bericht der britischen Tageszeitung The Guardian zurück. Darin ist sogar von einem „Dumbphone Boom“ die Rede. Analysten machen zwei Gründe dafür aus: Jüngere Leute greifen lieber zum klassischen Handy, weil sie sich von der digitalen Welt abkoppeln und ihre Daten besser schützen wollen. HMD Global, der Hersteller aktueller Nokia-Smartphones und -Handys will die Gunst der Stunde nutzen und positioniert die Neuauflage des Nokia 3210 als perfektes Gerät für Digital Detoxer. Und eine Prise Nostalgie ist natürlich auch dabei.
Als Kind der 90er und jemand, der schon von Berufs wegen viel zu viele Nachrichten bekommt und deutlich mehr Apps als der Durchschnitt installiert hat, habe ich deswegen ein Experiment gewagt: Ich habe mein iPhone gegen das Nokia 3210 getauscht – und entgegen meiner Erwartung einiges daraus gelernt.
Learning 1: Neu ist nicht immer besser
Angefangen beim Nostalgiefaktor: Vor 25 Jahren waren die Leute mit dem echten Nokia 3210 die coolen Kids auf dem Pausenhof, denn sie konnten Snake spielen. Das war ein recht einfaches Spiel. Die namensgebende Schlange bestand aus ein paar Klötzchen, mit der man weitere Klötzchen einsammeln musste, möglichst ohne sich in den Schwanz zu beißen.
Auf dem neuen Nokia ist ebenfalls Snake installiert – in einer aufgefrischten Version. Die Schlange sieht nun aus wie ein Wurm und es gibt mehrere Spieltypen, dabei handelt es sich jedoch nur um simple Abklatsche des gleichen Levels.
Das beschreibt das neue Nokia 3210 eigentlich ganz gut. Die äußere Form und vor allem die Rückseite mögen vage an das Original erinnern. Viel mehr vom Charme ist aber nicht erhalten geblieben. Statt eines monochromen gibt es logischerweise ein größeres Farbdisplay. Die Tastatur wurde um mehrere Tasten zur Navigation erweitert, es ist eine Kamera verbaut – und alles fühlt sich furchtbar billig an. Aber vielleicht gehört das auch zum Konzept.
Learning 2: Das Handy öfter mal liegen lassen
Schließlich soll man das Handy ja gar nicht so oft nutzen. Dass der Bildschirm weder schöne Farben noch ein kristallklares Bild anzeigt, hilft dabei, das Nokia öfter einfach auf dem Tisch liegen zu lassen. Hauptsächlich verantwortlich dafür ist aber der geringe Funktionsumfang. Neben Snake spielen könnt ihr SMS schreiben, telefonieren oder Radio hören.
Zusätzlich sind noch ein paar weitere Spiele installiert, die sich aber nur ein paar Mal starten lassen, bevor ich sie kaufen soll. Dass ein Hersteller mit dem Fokus aufs Wesentliche wirbt und ein Gerät voller Bloatware verkauft, die zur Ablenkung dient, ist eine nette Anekdote am Rande.
Einen Internetbrowser gibt es auch. Dank LTE-Unterstützung könnt ihr wie mit einem Smartphone online gehen. Spaß hat man dabei jedoch nicht. Der Browser zeigt kaum eine Seite gescheit an. Bei der installierten Facebook-App melde ich mich gar nicht erst an.
Letzter Ausweg für ein wenig Spaß ist der Mediaplayer. Nur Musik oder Podcasts müsst ihr selbst draufspielen. Zu viele dürfen es auch nicht sein. Der Speicher beläuft sich nur auf mickrige 128 Megabyte, lässt sich aber immerhin per Micro-SD-Karte um maximal 32 Gigabyte erweitern.
Learning 3: Ich konsumiere und verpasse weniger
Alles zusammen führt dazu, dass ich deutlich weniger Medien konsumiere. Instagram gibt es genauso wenig wie die Push-Mitteilungen aus den diversen Fußball-Apps, die ich auf dem iPhone installiert habe. Youtube lässt sich über den Browser zwar laden, zeigt aber keine Videos an.
Stattdessen stelle ich fest, dass ich schon nach wenigen Stunden ohne iPhone deutlich präsenter im Moment bin. Statt bei jeder kleinen Pause das Smartphone zu zücken und in meine Social und Newsfeeds abzutauchen, genieße ich an Wochenenden einfach den Augenblick in der Sonne, komme runter und nehme mehr von meinem Umfeld wahr. Statt durch Threads stöbere ich in einem Buch. Deutlich häufiger als die Nachrichten auf Whatsapp lese ich auf meinem Kindle. Das fühlt sich gar nicht so verkehrt an.
Learning 4: Ausnahmen müssen sein
Da ich aber nicht von allen Menschen in meinem Umfeld verlangen kann, dass sie sich an mein Leben anpassen, habe ich mir Ausnahmen erlaubt. Whatsapp geht – am Computer. Wie früher zum Abrufen von Mails greife ich nun abends zum Macbook. Vielleicht hat jemand in der Fußballgruppe eine wichtige Information hinterlassen oder ein Freund will sich mal wieder auf einen Kaffee treffen.
„Wenn es wichtig ist, rufen sie an oder schreiben eine SMS“, heißt es auf der Website von Hersteller HMD Global. Damit liegt das Unternehmen aber falsch. Niemand ruft einfach so an – zum Glück! Der einzige, der die Telefonfunktion nutzt, bin ich selbst: Weil es nicht anders geht. Und SMS bekomme ich auch nur von den Kontakten, die ich vorab informiert und eingespeichert habe.
Zu viele sollten es übrigens nicht sein. Einen Einrichtungsassistenten zur Mitnahme von Kontakten gibt es schließlich nicht. Telefonnummern müsst ihr händisch übertragen und selbst das ist nicht von Dauer. Sogar für ein Nokia 3210 gibt es Firmware-Updates. Installiert ihr eines, setzt sich das Handy auf die Werkseinstellungen zurück. Dann dürft ihr von vorn beginnen. Und der Snake-Rekord ist dann auch weg.
Learning 5: Auch dumme Phones können smarte Features haben
Abseits von dieser nicht ganz so schlauen Lösung stelle ich aber fest: Auch dumme Phones können smarte Features haben. Dem Nokia 3210 spendiert HMD Global zum Beispiel ein Blitzlicht. Für Fotos mit der Zwei-Megapixel-Kamera ist das zwar nicht zu gebrauchen. Es fungiert aber, wie bei Smartphones, als Taschenlampe, wenn man spät abends das Schlüsselloch der Haustür nicht findet. Es dürfte allerdings auch gern noch ein wenig heller sein.
Außerdem hat das Nokia einen Modus zur Batterieoptimierung. Der sorgt dafür, dass der Akku stets nur zu 80 Prozent geladen wird, um dessen Lebensdauer zu verlängern. Zusätzlich gibt es einen Energiesparmodus, der die mobile Datenverbindung kappt, Bluetooth ausschaltet und die Helligkeit des Bildschirms reduziert, um die Akkulaufzeit zu verlängern. Auf Wunsch aktiviert er sich automatisch, sobald der Ladestand unter einen bestimmten Prozentwert fällt. Nicht, dass ihr beim Nokia Gefahr lauft, dass das passiert. Wie früher hält die Batterie problemlos mehrere Tage durch. Nur geladen wird nicht mehr über den proprietären Nokia-Stecker, sondern via USB-C.
Fazit
Für Nostalgie-Fans kommt das neue Nokia 3210 kaum infrage. Zu wenig Retro-Charme steckt im Plastikgehäuse. Wer darauf aus ist, schaut sich besser bei Ebay um. Dort gibt es das Original teilweise noch für ein paar Euro. Wollt ihr euch dagegen bewusst mal abkapseln, könnte das Handy eine Überlegung wert sein. Der Akku hält gemessen an heutigen Maßstäben ewig, im Notfall seid ihr erreichbar und ihr lauft nicht Gefahr, irgendwelche Fokusfilter zu umgehen und doch auf Instagram oder Tiktok zu versanden.
Ob es dann genau dieses Modell sein muss, ist eine andere Frage. Das Nokia 3210 kostet rund 80 Euro, andere Nokia-Geräte mit weniger ikonischer Vorgeschichte gibt es schon günstiger – darunter etwa die Neuauflage des Nokia 3310 oder ein beliebiges anderes Modell. Der Funktionsumfang unterscheidet sich kaum. Wichtig ist ja ohnehin nicht, was die Geräte können, sondern was sie nicht können.
Auch wenn weniger manchmal mehr ist, habe ich für mich festgestellt, dass ich mein iPhone aus vielen Gründen nicht ersetzen kann und werde. Besonders am Wochenende werde ich es aber öfter mal auf dem Couchtisch liegen lassen, wenn ich vor die Tür gehe. Hoffe ich.
Mein Traum wäre, wenn dieses Handy so bleibt, aber dennoch aktuelles Android bekommt, alle Messenger Apps installierbar macht und Mail Apps. Dann wär es perfekt. Die Nische WhatsApp, Signal und Mail benutzen können, sollte noch gefüllt werden. Sonst ist ein kompletter Umstieg nicht möglich
Gibt etliche Telefone die das erfüllen, einfach mal hier suchen: https://www.dumbphones.org/
Wenn ich nicht online sein will, stelle ich einfach das w-lan oder die mobilen Daten am Smartphone ab (was ich tatsächlich tue, wenn ich Ruhe will.) Dafür muss ich keine 80 Euro für ein Billighandy ausgeben.
Wie die Vorrednerin schon anmerkt: was mein Smartphone tut und wie ich es nutze, entscheide ich selbst – für sinnvolle Selbstbeschränkung brauche ich zum Glück zur Umsetzung noch kein anachronistischen Gerät das nur Telefon, SMS und Snake kann.
Wäre etwas so, wie wenn ich, um weniger oft Fernsehen zu schauen, mir einen alten Schwarz-Weiss-Mono Fernseher aus den Fünfziger Jahren ins Wohnzimmer stellen würde, der nur das Erste und Zweite Programm über Ätherwellen empfangen kann.
Und wie mache ich meine Bankgeschäfte ?
Geht doch einen Schritt weiter und kauft ne Brieftaube die mit euch im Wand wohnt. Oder einfach abschalten-
Oder war das Werbung
Da gibt es doch viele Möglichkeiten: Tablet, PC, Filiale vor Ort… oder Bankgeschäfte minimieren, indem man andere Dienste / Wege nutzt…
Letztlich muss jeder selbst entscheiden, was ihm gerade wichtiger ist. Ich für meinen Teil will nicht so abhängig von einem Gerät sein, dass ich mir nichts anderes mehr vorstellen kann.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor bei diesen Dumbphone ist die Akkulaufzeit und der Preis. Gerade wenn man mehrere Tage unterwegs ist, zb. Berg- oder Biketour, weiss man einen Akku der mehrere Tage hält, zu schätzen. Mann könnte zwar Powerbank und Ladegerät mitschleppen, aber gerade bei solchen Touren will man jedes unnötige Gramm Gewicht sparen. Und wenn es mal runterfallen sollte tuts auch nicht so weh als wenn man sein teures Smartphone schrottet. Rein für den digitale Entgiftung ist das Gerät eher für Leute mit schwachen Willen interessant.
Zu wünschen wäre bei den Smartphones eine integrierte Profilfunktion bei der ich festlegen kann welche Funktion / App mich je nach Profil belästigen darf.
Der CEO von Nintendo sagte mal, dass sein Unternehmen nicht um das Geld der Kunden, sondern um deren Zeit kämpft. So umgarnen uns Nintendo, Apple, Facebook oder Tiktok und viele mehr mit Ablenkungen, die Zeit fressen und gefühlsmäßig viel Freiheit kosten – alles verpackt in einem schönen Geschenkpapier.
Da hilft nur bewusstes Hinterfragen: was brauche ich wirklich?
Ich für meinen Teil, freue mich immer mehr zu erkennen wie wenig ich doch tatsächlich brauche um glücklich zu sein. Und das meiste ist sogar kostenlos. :)