Ein offener Brief an Mark Zuckerberg


(Foto: Ludovic Toinel / flickr.com, Lizenz: CC-BY-SA)
Gast sein ist ja grundsätzlich nicht sehr kompliziert: Man kleckert nicht auf den Perserteppich und macht keine unanständigen Witze bevor alle betrunken sind – dann hat man in den meisten Haushalten schon die Qualifikation für Wiederholungseinladungen geschafft. Als Gastgeber hat man es da ungleich schwerer. Von der Einrichtung bis zum Essen und Getränken steht alles auf dem Prüfstand. Bücherregal zu leer oder, schlimmer noch, mit allen Folgen von „Hanni und Nanni“ gefüllt, schon gilt man als Simpel. Essen zu kalt, zu warm, zu geliefert, zu bodenständig oder zu exotisch, schon gilt man als unsensibel.
Der Gast geht außerdem davon aus, dass er eingeladen wurde, weil er so wie er ist willkommen ist. Er muss außer einem Gastgeschenk nichts mitbringen, außer sich selbst, manchmal einer Begleitung und guter Laune und nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Hunger.
Warum das ganze Gerede vom Gast und dem Gastgeber wirst Du dich jetzt fragen? Weil Du, mit Verlaub, leider ein hundsmiserabler Gastgeber bist. Ich glaube ja, dass man dazu ein bisschen geboren werden muss, aber wenn man eben nicht dazu geboren ist und dann trotzdem so viele Leute eingeladen hat, wird es Zeit es zu lernen.
„Der Fisch stinkt immer vom Kopfe her“
Erstens musst Du vielleicht von dem Irrglauben geheilt werden, Du wärest vor allem Unternehmer und deshalb wäre alles in Ordnung was Geld bringt. Sowas wie einen Nur-Unternehmer gibt es gar nicht, das wäre so wie ein professioneller U-Bahn-Fahrgast. Es gibt Leute, die unternehmen etwas und das was zählt ist das Etwas. Du bist Gastgeber und dann erstmal lange nichts. Am Ende wirst Du von den Menschen an denen Dir etwas liegt nur daran gemessen, ob Du das Etwas gut gemacht hast und integer warst, nicht daran, was auf die Erben aufgeteilt wird.
Jetzt kannst Du natürlich einwenden, dass Facebook ja nicht allein Dein Werk ist. Das stimmt auch ganz sicher, aber bei uns gibt es ein Sprichwort: Der Fisch stinkt immer vom Kopfe her. Das soll heißen, dass Du an allem Schuld bist, was bei Facebook passiert. Und mit „allem“ meine ich wirklich alles. Auch das wie fair, integer und vertrauenswürdig Facebook uns erscheint. Wenn ich bei Tisch rülpse und mit dem Stuhl kipple, tun meine Kinder das auch. Genau so ist das in einer Firma.
800 Millionen Gäste sind natürlich auch nicht gerade ein Kindergeburtstag, aber im Grunde gelten überall die gleichen Regeln. Zum Beispiel: wenn man Leute einlädt, dann sollte man das ohne Hintergedanken tun. Ein guter Gastgeber verkauft auch nicht die Mäntel aus der Garderobe an Passanten, während die Gäste nichtsahnend beim Nachtisch sitzen.
Es ist auch nicht angebracht, alle unentwegt zu beobachten und ihnen dann spontan etwas zum Kauf anzubieten. Hat Dich ein Gastgeber schonmal mit den Worten überrascht: „Hat Dir meine Zuppa Romana geschmeckt? Das Rezept habe ich aus diesem tollen Kochbuch, das ich Dir zum Mitnehmen für nur 36,99 überlassen würde!“ Schon passiert? Nicht? Na also! Das liegt daran, dass bei Tisch etwas zu verkaufen grundsätzlich so erwünscht ist wie sich während dem Essen einen lockeren Zahn zu ziehen und stolz herumzuzeigen.
„Dann diese Sache mit den Privatsphäre-Einstellungen…“
Dann ist da noch diese Sache mit den Privatsphäre-Einstellungen. Stell Dir vor, Du bist eingeladen und im Laufe des Abends begibst Du dich aufs stille Örtchen. Wie Du da so sitzt, reißt der Gastgeber eine Wand nach der anderen ein. Du versuchst hektisch eine Wand wieder aufzustellen, schon klappt die nächste weg. Falls Du dich gefragt hast, warum die Menschen die Dir begegnen, außer ihrer Bewunderung für Deinen Reichtum auch so einen leicht angewiderten Ausdruck im Gesicht haben: Die kennen den Trick mit den Wänden schon. Das passiert nun schon so lange und so regelmäßig, das ist doch ein Fimmel von Dir? Ich bin mir sicher: Das ist jedem in Deiner Familie peinlich. Also tue Dir und uns einen Gefallen und lass das sein.
Bevor Du jetzt anfängst zu quengeln und Dich beschwerst, dass wir Dir die Haare vom Kopf fressen: das stimmt. Aber ein guter Gastgeber überlegt sich eben vorher, wie er das Abendessen bezahlt und bittet hinterher nicht die Gäste zur Kasse. Das mit dem Bezahlen nennt sich Restaurant und die überraschen einen nicht nach dem Essen mit der Rechnung. Es ist kaum zu fassen, aber die schreiben es außen an die Tür!
„Überleg dir doch einmal etwas, worauf auch deine Gäste Lust haben“
Wenn Du jetzt also dringend eine richtig erwachsene Ertragsquelle brauchst bevor jemand merkt, dass Du gar kein echtes Geschäftsmodell hast (Wir beide brauchen uns ja nichts vorzumachen und „Werbung“ als Geschäftsmodell zu bezeichnen und Datensammeln kann google auch mit einem Auge noch besser.), dann schlage ich vor, Du überlegst Dir etwas, worauf auch Deine Gäste Lust haben.
Mit Lust meine ich nicht, dass wir bereit sind, es nur aus Bequemlichkeit zu schlucken, so wie man akzeptiert, dass Schnürsenkelbinden notwendig ist, aber eben keinen Spaß macht. Mit Lust meine ich Orangensaft am morgen, Spitzenplatz beim Heimspielsieg der eigenen Mannschaft im Stadion, sündhaft teure italienische Kaffeemaschine. Also Dinge, bei denen man die Ausgabe gern gemacht hat.
Denn, Mark, ohne Gäste hast du gar nichts. Außer einem riesigen Haufen schnell veraltender Daten und einer riesigen Stromrechnung. Und einem schrecklichen Ruf.
Schöne Grüße, Daniel