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Onlinehändler müssen nicht per Telefon erreichbar sein

Muss ein Onlinehändler eine Kundenhotline betreiben? Ein EU-Gutachter erklärt nun, Erreichbarkeit per Telefon sei nicht verpflichtend. Das könnte viele Kunden verärgern – und kleinere Händler freuen.

3 Min. Lesezeit
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Ist die Erreichbarkeit per Telefon Pflicht im Onlinehandel? Nein, sagt ein wichtiger EU-Gutachter. Das könnte Folgen haben. (Bild: Shutterstock)

Onlinehändler wie Amazon müssen für Verbraucher nach Ansicht eines wichtigen EU-Gutachters nicht per Telefon erreichbar sein. Die Unternehmen müssten jedoch sicherstellen, dass sie generell über gängige Kommunikationsmittel schnell erreichbar und die Kontaktinformationen verständlich einsehbar seien, befand der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs Giovanni Pitruzzella am Donnerstag in Luxemburg. Damit stellte er sich gegen eine Klage des deutschen Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV).

Amazon per Rückrufservice am Telefon – reicht das aus?

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Der hatte in Deutschland gegen Amazon geklagt und bemängelt, das Unternehmen komme seinen Informationspflichten gegenüber Verbrauchern nach deutschem Recht nicht in klarer und verständlicher Weise nach. Eine Faxnummer werde gar nicht angegeben, eine Telefonnummer erst nach mehreren Schritten. Rückrufservice und Internet-Chat seien nicht ausreichend.

In der Tat ist es nicht ganz eingängig, bei Amazon über den bekannten Weg (Suche nach Kontakt- oder Impressum-Menüpunkt) telefonisch Kontakt mit dem Onlinehändler aufzunehmen. Es braucht dazu einige Umwege, wobei aber die Hotline selbst durchaus über die Bestellhistorie (oder noch einfacher in der App) auffindbar ist. Der EuGH-Gutachter widersprach dem VZBV nun ebenfalls. Ihm zufolge ist entscheidend, dass dem Verbraucherschutz genüge getan wird, ohne dabei stärker in die Gestaltungsfreiheit des Unternehmens einzugreifen, als unbedingt erforderlich. Ein wirksamer Verbraucherschutz werde nicht dadurch erreicht, dass eine bestimmte Art der Kontaktaufnahme – etwa per Telefon – festgelegt werde. Dies könne vor allem kleinere Unternehmen unangemessen belasten. Denn auch wenn es im konkreten Fall um Amazon geht, muss berücksichtigt werden, dass solche Regeln dann für sämtliche Händler gelten.

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Telefon könnte ein Serviceversprechen werden

Eine solche Einschätzung ist zumindest aus deutscher Sicht ungewöhnlich: In den letzten Jahren sind etliche Entscheidungen zugunsten der Kunden gefallen, die in dieser Hinsicht deutlich gemacht haben, dass den Onlinehändlern einiges zuzumuten ist. So wurden beispielsweise die Telefonnummer und eine telefonische Erreichbarkeit vor fünf Jahren zu den Standards im Onlinehandel gezählt, wobei das OLG Köln bereits 2016 geurteilt hatte, die Verpflichtung zur Telefonnummer sei mit europäischem Recht nicht konform. Somit deckt sich das aktuelle Gutachten mit dieser Rechtsprechung. Dabei ist aber fraglich, ob die Einschätzung des Gutachters im Zusammenhang mit dem Verfahren Bestand haben wird. Bindend ist die Einschätzung des Gutachters für die EuGH-Richter nämlich nicht, häufig folgen sie ihr aber. Ein Urteil dürfte in den kommenden Monaten fallen.

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Die Aufzählung der Kommunikationsmittel in der entsprechenden EU-Richtlinie – Telefon, Telefax, E-Mail – ist nach Ansicht Pitruzzellas lediglich beispielhaft. Sofern Verbraucher das Unternehmen weiterhin schnell erreichen und deutlich über die Kontaktmöglichkeiten informiert werden, seien auch andere Optionen – etwa ein automatisches Rückrufsystem oder der Internet-Chat – zulässig. Pitruzzella betonte zudem, Deutschland dürfe Unternehmen nach EU-Recht nicht vorschreiben, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen.

Qualität der Telefon-Hotline viel wichtiger

Problematischer als die Frage, über welche Kommunikationsmittel ein Händler erreichbar ist, dürfte allerdings gerade bei großen Händlern die Frage sein, wie lange man dem Kunden zumuten kann, in der Warteschleife zu verharren. Zwar darf die Wartezeit bis zum Telefonat mit einem Mitarbeiter nichts mehr kosten, Zeit und Nerven kostet sie den Kunden aber dennoch. Hinzu kommt (auch und gerade bei größeren Händlern wie Amazon zumindest saisonal) die schwere Verständlichkeit der Mitarbeiter. Mit Material von dpa

t3n meint:

Sollte Pitruzzella mit seiner Einschätzung Gehör finden, werden Händler eine telefonische Erreichbarkeit als Werbeargument finden können. Denn gerade für weniger internetaffine Kunden ist und bleibt die Hotline ein wichtiges Verkaufsargument. Ein Händler von der Größe Amazons wird weiterhin auf irgendeine Weise telefonisch erreichbar bleiben – aktiv oder passiv über den Rückrufservice. Kleineren Händlern könnte dies allerdings in der Tat gefallen, weil nicht jeder Nebenerwerbshändler in der Lage ist, permanent telefonische Erreichbarkeit zu gewährleisten. Tobias Weidemann

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4 Kommentare
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Dein t3n-Team

Titus von Unhold

„Kleineren Händlern könnte dies allerdings in der Tat gefallen, weil nicht jeder Nebenerwerbshändler in der Lage ist, permanent telefonische Erreichbarkeit zu gewährleisten.“

Abgesehen davon dass man eine Telefonnummer nur angeben kann wenn man auch einen Telefonanschluss hat (den muss man nicht haben), steht nirgends etwas von permanenter Erreichbarkeit. Zwei mal in der Woche für eine Stunde reicht durchaus.

Antworten
Ribert Lirert

Ich hab mein Telefon im Shop ausgemacht. Kunden nerven. Per E-Mail geht alles schneller und unkomplizierter und ich kann mich darum kümmern wenn ich das will.

Antworten
Michael

Wenn dich Kunden nerven, dann nenne mir doch einfach deinen Shop, damit ich dich bestenfalls in Zukunft nicht nerven muss.

Antworten
BUNTEBANK

Lieber ruft ein Kunde an und informiert sich vorab – als das ich eine Bestellung zweimal bearbeiten und versenden muss bis das richtige ankommt B )
Über eine Abschaffung „des Zwangs“ wäre ich jedoch ebenfalls erfreut X )

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