Viele Kunden von Onlinehändlern wie Amazon wundern sich nicht selten, warum manche Produkte oft in überdimensioniert erscheinenden Verpackungen verschickt werden. Super-Markt, das Verbrauchermagazin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), ist diesem Phänomen jetzt nachgegangen und kam zu einem nur auf den ersten Blick überraschenden Befund: Das Ganze hat System. Die großen Verpackungen bringen Amazon und Co. Einsparungen.
Das Verbrauchermagazin hatte Zuschauer dazu aufgerufen, die größten Verpackungssünden zu dokumentieren. Über 70 Fälle haben Kunden von E-Commerce-Anbietern laut dem Sender per Foto und Video festgehalten. Wenig überraschend sind vor allem schmale und kleine Gegenstände wie Scheibenwischer oder Fernbedienungen in zu großen Verpackungen mit entsprechend viel Füllmaterial verschickt worden.
Amazon: Nicht für alle Produkte Standardkartons vorhanden
Schon etwas überraschender ist die Erklärung, die etwa Amazon auf RBB-Nachfrage liefert. Demnach verfüge der Onlinehändler über 30 verschiedene Kartongrößen. Gelangt ein Produkt zum ersten Mal in ein Logistikzentrum von Amazon, würden Daten wie Gewicht, Größe, Höhe und Breite gespeichert – ab diesem Zeitpunkt erhalten die Mitarbeiter an der Packstation eine Empfehlung für die passende Kartongröße.
Nicht bei allen Produkten sei aber eine Standardkartonage machbar, etwa bei Scheibenwischern. Deren Originalverpackung sei schlicht zu schmal, um das Versandlabel aufzudrucken, betonte Amazon. Und weiter: „Wir weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass Scheibenwischer nicht dazu taugen, zu verallgemeinern“.
Beim ebenfalls international agierenden Versandhändler Conrad Electronics werden laut eigenen Angaben gar nur sechs Standardkartongrößen verwendet. Dadurch könne es vorkommen, so die Firma gegenüber dem Magazin Super-Markt, „dass kleine Artikel in einem vergleichsweise großen Karton ausgeliefert werden“.
Verpackungsmüll: Anzahl und Kosten steigen
Vor dem Hintergrund, dass laut aktuellen Zahlen des Bundesumweltamts 2017 mit 18,7 Millionen Tonnen ein neuer Höchststand bei Verpackungsabfällen erreicht worden ist, ist der laxe Umgang der Onlinehändler besonders ärgerlich. Hinzukommt, dass aufgrund sinkender Altpapier-Nachfrage aus China in Deutschland steigende Müllgebühren drohen, wie Welt Online schreibt.
Mit den Kosten hat laut dem Verpackungsmittel-Mechaniker und Inhaber der 150 Jahre alten Berliner Kartonagenfabrik Fapack, Karl-Heinz Behrens, auch das Verpackungsverhalten der Onlinehändler zu tun. Fapack hat mehrere Hundert verschiedene Paketgrößen im Angebot. Für E-Commerce-Riesen entscheidend sind Behrens die Lohnkosten. „Wenn der Verpacker zu lange Zeit hat, sich zu überlegen, welche Größe er nimmt, ist das teurer als die größte Schachtel“, zitiert ihn der RBB.
Aus eigener Erfahrung bei der Arbeit in einem Logistikzentrum für den Sportkleidungsonlineversand kann ich folgendes berichten:
Es gibt 5 verschiedene Kartongrössen; Für über 90% der Sendungen werden sogar nur 3 Kartons gebraucht. In den kleinsten passt 1 Teil, z. B. ein Pullover, dann gibt es einen, in den die meisten Schuhkartons passen und einen, in den bis zu 4 Schuhkartons passen.
Diese Aufteilung ist offenbar schon nicht sehr differenziert; So muss beispielsweise bei 2 Schuhkartons oder überdurchschnittlich langen Schuhen direkt der grosse Karton gewählt werden, wo noch sehr viel platz ist.
Tatsächlich werden aber auch viele Sendungen versendet, die auch in einen kleineren passen würden, weil das Versandsystem einen grösseren Karton empfiehlt und viele Mitarbeiter offenbar keine Lust haben, die Grösse zu ändern.