Opendesk statt Office: Der Internationale Gerichtshof setzt ein Zeichen
Wenn selbst der Internationale Gerichtshof in Den Haag seine IT-Infrastruktur von Microsoft Office auf Opendesk umstellt, ist das mehr als nur ein symbolischer Schritt. Die Trump-Regierung hatte den Gerichtshof in der Vergangenheit immer wieder kritisiert. Für die 1.800 Mitarbeitenden bedeutet ein solcher Software-Umstieg einen hohen Aufwand und zusätzliche Kosten. Trotzdem ist die Entscheidung richtig, denn in einer Welt, in der Technologie zu einem geopolitischen Druckmittel geworden ist, wird digitale Souveränität zur Frage der Handlungsfähigkeit.
Auch die österreichische Politik zieht Konsequenzen. So hat das Wirtschaftsministerium 1.200 Mitarbeitende von Microsofts Cloud-Diensten auf die europäische Lösung Nextcloud migriert. Dies ist ein Signal an andere öffentliche Einrichtungen, eigene Lösungen zu fördern und Abhängigkeiten zu reduzieren.
Diese Beispiele zeigen, dass die Zeit der Bequemlichkeit vorbei ist. Denn noch immer hängen große Teile Europas – Regierungen ebenso wie Unternehmen – am Tropf weniger US-Anbieter. Sollte die politische Lage weiter eskalieren und eine US-Regierung unter Trump Technologie zunehmend als Druckmittel einsetzen, könnte mangelnde digitale Souveränität schnell zur echten Gefahr werden – politisch, aber auch wirtschaftlich.
Wie gefährdet ist mein Business?
Deshalb sollten jetzt vor allem alle Behörden und Unternehmen prüfen, ob ihre Arbeit oder ihre Produkte besonders anfällig für Boykotte, Embargos oder politische Einflussnahme sind. Was ist beispielsweise mit dem niederländischen Unternehmen ASML? Es stellt lithografische Maschinen her, die für die weltweite Chipproduktion essenziell sind und längst zum Streitpunkt geopolitischer Auseinandersetzungen geworden sind.
So haben die USA auf ein Exportverbot der modernsten ASML-Maschinen nach China hingewirkt, um Pekings Halbleiterentwicklung zu verlangsamen. Das zeigt: Selbst hochspezialisierte europäische Unternehmen sind nicht davor geschützt, zwischen die Fronten globaler Machtpolitik zu geraten. Was wäre aber, wenn ASML in Zukunft anders agieren und den Export seiner Maschinen wieder in Aussicht stellen wollen würde? Es sollte potenzielle Druckmittel von außen und Abhängigkeiten entsprechend reduzieren, im besten Fall sogar eigene entwickeln.
In einer hoch arbeitsteiligen Welt sind Souveränitätsbestrebungen kein einfaches Unterfangen. Aber es hilft nichts: Die internationalen Verflechtungen, die in den vergangenen Jahrzehnten auf wirtschaftlicher Ebene entstanden sind, funktionieren zunehmend nach anderen Regeln. Die Ironie der Geschichte: Diese Regeln folgen nicht mehr so sehr dem Prinzip freier Märkte, sondern dem der strategischen Interessen. Technologie ist kein neutraler Wettbewerbsfaktor mehr, sondern ein Machtinstrument in der geopolitischen Auseinandersetzung.
Europa muss sich auf diese neuen Spielregeln einstellen. Damit ist digitale Souveränität kein Luxusprojekt mehr. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass unser Kontinent auch in Zukunft handlungsfähig bleibt.