Wie ich lernte, mehr Pausen zu machen – und warum davon auch Arbeitgeber profitieren

Ich mache viel zu wenig Pausen: ein Satz, den Arbeitgeber vielleicht gern hören. Für mich ist er die Realität – und ich merke, dass mir das nicht guttut. Regelmäßig fühle ich mich spätestens ab 15:30 Uhr ausgelaugt und habe das Gefühl, nur noch Pudding im Kopf zu haben. Sinnvolle Gedanken? Fehlanzeige. Fehler? Passieren in diesem Zustand leider auch.
Um das klarzustellen: Mit Pausen meine ich hier nicht nur die Mittagspause (die ich leider auch viel zu oft ausfallen lasse), sondern insbesondere die kleinen Unterbrechungen drum herum. Raucher:innen gehen immer mal wieder für eine Zigarette vor die Tür, Kaffeetrinker:innen pilgern zur Maschine – ich rauche aber nicht und trinke auch keinen Kaffee und würde ungern damit anfangen, nur damit ich meinen Blick mal kurz vom Bildschirm hebe.
Das muss besser gehen, denke ich mir. Nachdem ich eine Weile mit Klebezetteln und auf die Hand gemalten Punkten als Erinnerungsstützen herumexperimentiert habe, kommt mir die Erleuchtung: Dafür gibt es doch bestimmt auch eine App!
Eine App erinnert mich an regelmäßige Kurzpausen
Nach ein bisschen Googeln finde ich Breaktimer – freilich nicht die einzige Lösung für mein Problem. Auch Stretchly, Time Out und viele weitere zumeist kostenlose Apps bieten ähnliche Funktionen.
Nach der Installation nistet sich Breaktimer als kleines Icon in Form einer Teetasse in meiner Menüleiste ein. Hier kann ich auch festlegen, in welchen Intervallen ich zu wie vielen Minuten Pause aufgerufen werden möchte, mit welchem Text die App mich erinnern soll, ob ich snoozen oder Pausen überspringen darf, ich kann mich für ein Farbschema entscheiden und vieles mehr. Außerdem kann ich einstellen, ob ich jeden Tag und rund um die Uhr erinnert werden möchte und anderenfalls meine Arbeitszeiten einstellen. Ich entscheide mich für eine fünfminütige Pause alle 55 Minuten. So weit, so einfach.
Ich widme mich meinem Tagwerk und vergesse den Breaktimer schnell – bis es Zeit für die erste Pause wird und sich ein halbtransparentes Fenster über meine Monitore legt. Auf dem türkisgrünen Kreis in der Mitte steht, dass ich eine Pause machen sollte. Ich bin motiviert, stehe vom Schreibtisch auf – und jetzt? Frische Luft ist immer gut, denke ich mir, und stelle mich ans geöffnete Fenster.
Nach fünf Minuten verschwindet das Pop-up, ich arbeite weiter – und bilde mir durchaus ein, ein bisschen entspannter zu sein. So geht es den Rest des Tages weiter. Pop-up, Fenster auf, weiterarbeiten. Eigentlich ganz gut.
Nicht nur eigentlich, findet der Arbeitspsychologe und selbst ernannte Erholungsforscher Johannes Wendsche. Er ist bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin angestellt und beschäftigt sich schon lange mit Pausen und der Frage, wie wichtig sie für uns und unsere Leistungsfähigkeit sind.
Er erklärt mir zunächst, dass Erholung ein Menschenrecht ist, niedergeschrieben in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Das gefällt mir. Arbeitsrechtlich gesehen, so Wendsche weiter, sind 30 Minuten Pause Pflicht, sobald man mehr als sechs Stunden am Stück arbeitet; sind es über neun Stunden, muss die Pause sogar 45 Minuten lang sein. Und nur das, was länger als 15 Minuten dauert, zählt überhaupt als gesetzliche Pause.
Kurzpausen machen nachweislich produktiver – auch wenn sie Zeit kosten
Meine fünfminütigen Ausflüge ans Fenster, so lerne ich, zählen auch zusammengenommen nicht als gesetzliche Ruhepause – die muss mindestens schließlich 15 Minuten lang sein. Trotzdem sind sie sehr sinnvoll, findet Johannes Wendsche. Im Rahmen seiner Promotion hat er herausgefunden, dass solche kurzen Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit Studien zufolge zu mehr Produktivität führen – immerhin um fünf Prozent. Und auch die Arbeitsqualität steigt dadurch, hier sind sogar neun Prozent Steigerung drin. Dabei haben die Teilnehmer:innen unterm Strich zehn Prozent weniger gearbeitet.
Damit die Kurzpausen ihre positiven Effekte voll entfalten können, ist eines allerdings sehr wichtig: Sie dürfen mich nicht bei einer Aufgabe unterbrechen. „Wir Menschen haben den inneren Drang, Teiltätigkeiten abzuschließen“, erklärt Wendsche. „Ansonsten kommt man nicht in die kognitive Loslösung von der Arbeit.“
Das ist mir auch schon aufgefallen: Oft funkt mir der Breaktimer mitten in eine Aufgabe oder ein Meeting rein und nervt eigentlich nur. Johannes Wendsche rät mir, das Pausenintervall zu vergrößern – bei Büroarbeit sei das sinnvoll, damit man sich nicht durch zu häufige Pausen unterbrochen fühlt. „Dafür könnte man die Pause dann etwas länger machen, vielleicht sieben oder zehn Minuten“, schlägt er vor.
Das will ich ausprobieren – aber mir wird noch einmal sehr bewusst, dass ich oft gar nicht weiß, was ich in der Pause machen soll. Zum Glück hat Arbeitspsychologe Wendsche auch hierfür einen Tipp parat. „Die Grundempfehlung ist, das Gegenteil zur eigentlichen Arbeitstätigkeit zu machen: Wer viel sitzt, sollte aufstehen, wer allein ist, den Kontakt zu anderen suchen, und wer viel nachdenken muss, sollte die Gedanken fliegen lassen.“
Dramma, Baby: 6 Dimensionen der Erholung
Mithilfe des Dramma-Modells gestaltest du die für dich perfekte Pause: Im besten Fall kannst du alle sechs Bedürfnisse befriedigen – dann klappt es auch mit der Erholung.
D – Detachment: Sich gedanklich (und wenn möglich räumlich) von der Arbeit lösen
R – Relaxation: Entspannung herbeiführen – geistig und körperlich
A – Autonomy: Selbst über die Pause bestimmen
M – Mastery: Neues lernen und sich herausfordern
M – Meaning: Zeit sinnvoll und bedeutsam nutzen
A – Affiliation: Kontakt zu anderen suchen
Wer die Möglichkeit hat, sollte außerdem den Arbeitsplatz verlassen: „Je weiter man weg ist, desto mehr erholt man sich – das hängt mit der Distanz dazu zusammen. Es wird leichter, abzuschalten“, erklärt er. Dass man sich dafür auch bewegen muss, sei ein positiver Nebeneffekt.
Mit Trial and Error zum persönlichen Pausenmodus
Ich experimentiere weiter: Mein Breaktimer erinnert mich mittlerweile alle 75 Minuten an eine Pause, die aktuell sieben Minuten lang ist. Ich bemühe mich, in dieser Zeit aufzustehen und herumzugehen, ans Fenster, auf die Dachterrasse oder um mir frisches Wasser zu holen. Die Kurzpausen nutze ich zudem, um bewusst in mich hineinzuhören: Wie geht es mir gerade, bin ich gestresst und gibt es etwas, das ich verbessern kann?
Natürlich klappt das nicht immer so. Ich spiele durchaus mal mit dem Gedanken, eine Pause zu skippen und mache es auch hin und wieder – im Unterschied zu früher ist das dann aber immerhin eine bewusste Entscheidung und passiert nicht einfach so. Ich muss, das wird mir klar, den Modus finden, der für mich passt. Dann tun mir die Kurzpausen auch richtig gut.
Denn eines weiß ich nun: Neben der Mittagspause sind auch die kleinen Unterbrechungen sehr wichtig. „Die Leistung schwankt nicht so über den Tag, wird stabiler und wenn man das gut im Rhythmus macht, schafft man am Ende sogar mehr“, betont Johannes Wendsche. Das dürften auch Arbeitgeber:innen gern hören.