Gratis-Tarif und Gym-Training: So will Peloton wieder in den Tritt kommen
Nach dem Corona-Aufschwung und dem anschließenden Absturz will Peloton mit einer selbst verordneten Fitnesskur wieder in den Tritt kommen. Statt sich weiter auf vernetzte Bikes und Laufbänder fürs Zuhause zu konzentrieren, will der Spezialist für „Connected Sports“ mit einer aufgebohrten Fitness-App für Drinnen- und Draußen-Aktivitäten sowie Hotelkooperationen für eine größere Zahl von Sportbegeisterten attraktiver werden.
Erstmals betritt Peloton auch Fitnessstudios. Zunächst tut der Fitness-Spezialist das in Form von Trainingsanleitungen für dort übliche Geräte. Darüber hinaus strebt er eine engere Zusammenarbeit mit Ausrüstern und Studioketten an, wie Pelotons Deutschland-Geschäftsführer Martin Richter im Gespräch mit t3n bestätigt hat.
Ein neuer Markenauftritt mit Lila als Wohlfühlfarbe anstelle aggressiver rot-schwarzer Sport-Optik unterstreicht die neue Ausrichtung auch äußerlich, allerdings vorerst nur in Nordamerika und erst später hierzulande.
Peleton ergänzt Gratis-Tarif in Workout-App
Pelotons gleichnamige Begleit-App für iOS und Android war bis jetzt ein reines Bezahlangebot, das für 13 Euro pro Monat neben Indoor-Radfahren und -Laufen Live- und aufgezeichnete Videos für 14 weitere Sportarten bereithielt. Nun staffelt der Anbieter das Angebot in mehreren Tarifen, um es stärker von der eigenen Sport-Hardware zu entkoppeln und damit niedrigschwelliger zu gestalten.
Kostenlos lassen sich mit „Peloton App Free“ künftig 50 Videokurse in zwölf Sportarten nutzen. Demgegenüber bietet „Peloton App One“ zum Preis von monatlich 12,99 Euro Zugang zu tausenden Kursen in neun Sportarten, darunter Kraft, Meditation, Outdoor Walking und Yoga. Zudem ist für One-Mitglieder die Teilnahme an monatlich drei für Peloton-Geräte konzipierte Cardio-Kurse inklusive.
Im Vergleich dazu schaltet „Peloton App+“ zusätzlich alle verfügbaren Cardio-Kurse frei. Diese sind sowohl für Geräte von Peloton als auch für Räder, Laufbänder und Rudergeräten von anderen Herstellern geeignet. Neue Inhalte hinterlegt Peloton zuerst im Plus-Angebot, das ab sofort 24 Euro monatlich kostet.
Unverändert gibt es weiterhin die „All-Access“-Mitgliedschaft, die den Zugriff auf Inhalte mit der Miete für Peloton-Hardware bündelt. Sie kostet 39 Euro monatlich. Diesen Preis relativiert, dass sich mehrere Menschen dieses Abo mit jeweils eigenem Nutzungsprofil teilen können.
Das Trainingsangebot soll für Neulinge ebenso wie für Fortgeschrittene geeignet sein und umfasst Varianten mit und ohne Geräte-Bedarf. Unverändert inkludiert Peloton in allen App-Tarifen eine Musikbibliothek bestehend aus alten und neuen Charthits. Zudem lässt sich hierzulande aus über 5000 deutschsprachigen Workout-Videos wählen.
Komplett-Zugang fast doppelt so teuer
Der Plus-Tarif kommt de facto einer Preiserhöhung gleich. Denn bisher war der uneingeschränkte Zugriff ja für 13 Euro pro Monat möglich. Laut Peloton gibt es eine Schonfrist für bestehende Mitglieder bis zum 5. Dezember 2023. Dann wird ihr bisheriger Tarif auf den höheren Preis umgestellt. Ein Wechsel in die niedrigere Stufe dürfte dann möglich sein. Genau hat sich Peloton bisher nicht dazu geäußert.
Auf t3n-Nachfrage begründet Peloton die Erhöhung damit, dass der Anbieter den Preis zuvor jahrelang konstant gehalten und in diversen Sportarten die Auswahl um Tausende Kurse erweitert hat. Kostspielig ist dabei die für Mitglieder vorteilhafte aber für Peloton aufwendige Lokalisierung der Kurse. Dafür hält der Anbieter nicht unerhebliche Aufnahmekapazitäten im hauseigenen Studio vor. Aktuell umfasst das Trainingspersonal elf deutschsprachige Instructors, mit denen Peloton in der Londoner Niederlassung Workouts produziert.
Peloton Gym: App ins Fitnessstudio
Statt mit neuer Hardware verzahnt Peloton das runderneuerte Softwareangebot mit der Expansion in Fitnessstudios. Mit Peloton Gym hat der Anbieter erstmals Textanleitungen mit Begleitvideos in petto, die speziell auf das Studiotraining abzielen. Sie sind in allen App-Tarifen zugänglich. Zur Auswahl stehen 20 Pläne für verschiedene Kraftübungen, die sich in eigenem Tempo durchführen lassen. Dabei handelt es sich um generische Instruktionen für gängige Studioübungen. Darunter sind auch welche in deutscher Sprache. „Schon länger nutzen unsere Mitglieder die Peloton-App in Fitnessstudios. Daher ist ein darauf abgestimmtes Angebot ein logischer Schritt“, so Martin Richter.
Eine Partnerschaft mit Geräteherstellern und Studioketten gibt es bisher nicht. Daher seien die Infos auch nicht spezifisch an bestimmte Angebote angepasst. „Wir schließen eine Kooperation künftig nicht aus. Wir befinden uns in Gesprächen. Das ist aber noch nicht spruchreif“, so Pelotons Deutschland-Geschäftsführer.
Bei Hotels ist Peloton schon weiter. Als Kooperationspartner war zuletzt Hilton dazugekommen. Insgesamt stehen derzeit in 240 Hotels diverser Marken in deutschen Städten Bikes von Peloton. Peloton Gym ist nun der erste Schritt, nun auch im Studiobereich außerhalb von Hotel-Fitnesscentern in den Tritt zu kommen.
Das neue Angebot fügt sich somit in einen Omnichannel-Ansatz ein. Peloton will als Marke an allen denkbaren Örtlichkeiten Fitnessangebote offerieren und sich so von dem Geschäft mit Heimgeräten unabhängiger machen.
Wachsen mit Software und Omnichannel-Ansatz
Mit dem Fokus auf Software und der Entkopplung des Angebots von der eigenen Hardware will Peloton zurück auf Wachstumskurs. „Wir haben ein Jahr mit vielen Herausforderungen, die wir erfolgreich gemeistert haben, hinter uns. Jetzt sehen wir uns wieder ‚ready for growth‘“, so Richter.
„Der Fitnessmarkt legt umsatzmäßig zu. Trotzdem fällt es den Fitnessstudios schwer, die Mitglieder zurückzuholen. Viele Menschen wollen sich nicht mehr an einen langen Vertrag binden, aber auch nicht ausschließlich zu Hause trainieren. Daher sind hybride Optionen zum Trainieren stark nachgefragt. Diesem Wunsch nach Flexibilität tragen wir Rechnung. Getreu dem Motto: ‚Fitness at home, Fitness everywhere‘“, beschreibt der Deutschland-Geschäftsführer die aktuelle Strategie.
„In der äußeren Wahrnehmung stehen wir für vernetzte Bikes und Laufbänder. Aber wir sind mehr als das. Schon jetzt nutzen fast 60 Prozent unserer Mitglieder die App für Sportarten, die nichts damit zu tun haben. In die Breite zu gehen, ist für uns daher ein logischer Schritt. Wir sehen uns nicht als Bike-Anbieter. Fitness-Angebote für das individuelle Wohlbefinden sind unser Fokus“, erklärt Richter.
Dabei will Peloton an den Boom von Fitness-bezogenen Softwareangeboten anknüpfen. Dort sieht der Anbieter größeres Potenzial. „Zwar steht auch der Markt für vernetzte Sport-Hardware am Anfang einer großen Wachstumskurve, aber ein Angebot auf Softwarebasis bietet eine niedrigere Schwelle. Damit können wir viel mehr Fitnessbegeisterte auf einmal adressieren“, nennt Richter den Hintergrund für diesen Schwenk.
Derzeit keine neuen Geräte für Deutschland
Trotz des größeren Fokus auf Software statt auf Hardware will Peloton das eigene Geräteangebot aufrechterhalten. Allerdings dürfte künftig mit einem langsameren Innovationszyklus und internationalen Roll-out zu rechnen sein. Schon jetzt starten Geräte oft zunächst in den USA und kommen erst später nach Deutschland.
Für das bereits in Nordamerika verfügbare Rudergerät nannte Martin Richter im t3n-Gespräch weiterhin keinen Starttermin hierzulande. Auch ob und wann Peloton Guide nach Deutschland kommt, ist unklar. Die Box erfasst mit KI-gestützter Software die Bewegungen von Trainierenden und gibt Feedback zur richtigen Ausführung.