Periodic Labs: Was wir über das KI-Startup wissen, das reihenweise Forscher abwirbt
Periodic Labs will anders sein als die anderen KI-Labore (Bild: Midjourney/t3n)
Eigentlich hatte Rishabh Agarwal einen guten Job, einen sehr guten sogar, selbst für Silicon-Valley-Verhältnisse. Im April wechselt der junge Wissenschaftler zu Meta, um in den Superintelligence Labs an einer allgemeinen künstlichen Intelligenz (AGI) zu forschen, so etwas wie dem heiligen Kral der KI-Branche. Doch nach nur fünf Monaten gibt Agarwal seinen hochbezahlten Job wieder auf, zu einem Startup zu wechseln: Periodic Labs. Er ist nicht der einzige.
Rund 20 renommierte Forscherinnen und Forscher haben sich dem Startup bereits angeschlossen, das gerade erst an die Öffentlichkeit ging. Viele haben zuvor bei namhaften Unternehmen gearbeitet, darunter auch die beiden Gründer Ekin Doğuş Çubuk und William Fedus. Letzterer war zuvor Vice President of Research bei OpenAI und hat in dieser Position ChatGPT mitentwickelt. Çubuk war Leiter der Abteilung Materialwissenschaft bei Google DeepMind.
„KI-Wissenschaftler“ sollen helfen, neue Supraleiter zu finden
Mit Periodic Labs wollen sie nun einen „KI-Wissenschaftler“ entwickeln, wie es auf der Website des Unternehmens heißt. Keine Superintelligenz, kein neues Sprachmodell, keine vermeintlich besonders clevere Analysesoftware. Stattdessen will Periodic eine Fabrik bauen, in der nicht nur virtuell, sondern am Objekt gearbeitet und geforscht wird. Ein Ansatz, der ebenso ungewöhnlich wie vielversprechend ist.
Das Silicon Valley sei „intellektuell faul“ sagt Liam Fedus im Gespräch mit der New York Times. So gut die Sprachmodelle auch seien, könnten sie keine wirklich wissenschaftlichen Durchbrüche hervorbringen, sondern allenfalls Hypothesen. Für echte Entdeckungen aber brauche es keine Prompts, sondern physikalische Experimente und frische, wissenschaftliche Trainingsdaten. Der Gründer sieht Periodic Labs deshalb in der Tradition legendärer Forschungseinrichtungen wie Bell Labs, das maßgeblich zur Entwicklung von Transistoren, Solarmodulen und Lasertechnik beigetragen hat.
Fertigungslinie in Kalifornien
Der KI-Wissenschaftler von Periodic soll buchstäblich am Labortisch stehen – mithilfe von Robotern. Das Unternehmen will in Menlo Park eine Fertigungslinie aufbauen, in der Hypothesen getestet werden sollen. Dabei will man sich zunächst auf physikalische Experimente aus dem Gebiet der Materialwissenschaften fokussieren, oder genauer: auf die Suche nach thermischen Grenzflächenmaterialien, etwa für die Kühlung von Mikrochips, und nach neuen Supraleitern, die unter anderem bei der Entwicklung von Quantencomputern eine wichtige Rolle spielen. „Wir fangen damit an, weil sich physikalische Simulationen vieler Systeme effektiv modellieren lassen und die Physik eine überprüfbare Umgebung ist“, sagen die Verantwortlichen.
Den Ablauf stellen sie sich ungefähr wie folgt vor: Eine künstliche Intelligenz formuliert, basierend auf vorhandenen Trainingsdaten aus der Forschung, zunächst Hypothesen über die Struktur und Zusammensetzung eines vielversprechenden neuen Materials. In der Fabrik testen dann die Roboter, unterstützt von menschlichen Expertinnen und Experten, die Vorschläge in der Praxis. Dabei analysieren sie die Ergebnisse und führen diese anschließend in das System zurück, wo der Prozess wieder von vorn beginnt.
Klassische Feedback-Schleife
Es entsteht also eine klassische Feedback-Schleife, die immer wieder mit neuen, exklusiven und überprüfbaren physikalischen Daten gefüttert wird – ein Vorteil gegenüber Firmen, die zwar KI-gestützte Forschung betreiben, aber keine Möglichkeit haben, ihre Hypothesen zu testen. Durch größtenteils automatisierte Abläufe kann die Fertigungslinie von Periodic theoretisch rund um die Uhr laufen. „Es wird nicht beim ersten Versuch zum Ergebnis führen, aber nach vielen Iterationen hoffen wir, schneller zum Ziel zu kommen“, sagt Gründer Ekin Doğuş Çubuk der New York Times.
Von diesem sogenannten Closed-Loop-System versprechen sich die Gründer exklusive, proprietäre Datensätze bei der Suche nach neuen Materialien. Datensätze, die sich anschließend gewinnbringend lizenzieren ließen, etwa von Chipfirmen oder auch der Rüstungs- und Luftfahrtindustrie. Es wäre zumindest ein Geschäftsmodell in einer Branche, die bislang mit großen Versprechen aber wenig Gewinn glänzt.
Paradigmenwechsel in der KI-Branche
Noch ist man bei Periodic Labs, wie bei den meisten KI-Firmen, weit davon entfernt, überhaupt Geld zu verdienen. Doch die Vision verfängt zumindest bei den Risikokapitalgebern: Rund 300 Millionen US-Dollar hat das Startup für den Anfang eingesammelt. Zusätzlich zu einigen der besten KI-Forscherinnen und Forscher ihres Fachs. Um wirklich die geplante Fertigungslinie aufzubauen, dürfte es aber noch mehr benötigen.
Nicht zuletzt illustriert Periodic einen Wandel innerhalb der KI-Branche. Ging es in den vergangenen Jahren häufig darum, immer leistungsfähigere Modelle mit immer mehr Trainingsdaten zu entwickeln, deutet sich nun, da die meisten frei verfügbaren Daten erschöpft sind, ein Paradigmenwechsel an: Um die Modelle der Zukunft zu entwickeln, rückt die tatsächliche Welt wieder in den Fokus, um frische Daten zu generieren.
Intelligenz allein reicht nicht
Das gilt für die Materialwissenschaft ebenso wie für die Robotik. Dort haben Startups wie Physical Intelligence ebenfalls erkannt, dass man wertvolle Trainingsdaten erhält, indem man die Roboter im Labor einfach mal machen lässt und sie selbstständig lernen lässt.
„Intelligenz ist notwendig, aber nicht ausreichend“, sagen die Gründer von Periodic Labs. In Zeiten, in denen nicht wenige Firmen behaupten, wir seien nur noch eine Entwicklungsstufe von einer Superintelligenz entfernt, ist das eine bemerkenswerte Aussage.