So plant Bosch Siemens Hausgeräte die digitale Küche
Mit dem Küchen-Assistenten Mykie präsentierte Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) auf der CES das Amazon Echo für die Küche. Mykie – kurz für „My kitchen elf“ – wird per Stimme gesteuert. Er begrüßt den Nutzer, wenn er ihn mit seinen Kameraaugen in der Küche erkennt, macht Vorschläge, was sein Mensch heute kochen könnte und schaut sogar im vernetzten Kühlschrank nach, was an Zutaten vorrätig ist. Mykie ist ein küchenfertiges Konzept, das noch in diesem Jahr auf den Markt kommen soll.
Digitale Küche – Projekt Virtual Cooking
Zugleich geht der Hausgerätehersteller derzeit der Frage nach, ob Virtual Cooking möglich ist. „Was wäre, wenn wir mit Freunden zusammen kochen, die hunderte Kilometer weit weg wohnen?“ fragte BSH-Chef Karsten Ottenberg auf dem jährlichen Pressegespräch zur Geschäftsentwicklung 2016/2017. Sich verabreden, ein Rezept zusammen auswählen, jeder kocht es zu Hause am Kochtopf – verbunden sind die Kochfreunde über einen Bildschirm, ähnlich einer Videokonferenz. So könnte die Zukunft in der Küche aussehen. Vielleicht wird das Konzept ja sogar auf der IFA 2017 vorgestellt. Mit Mykie als Basis nicht unmöglich. Schließlich verfügt Mykie auch über einen integrierten Projektor, über den der virtuelle Kochclub sich austauschen könnte.
Umsatzpotenzial bei vernetzten Produkten
Noch ist die vernetzte Küche kein Massenmarkt. Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) erzielte mit seinen vier Marken Siemens, Bosch, Gaggenau und Neff im Jahre 2016 einen Umsatz von 13,1 Milliarden Euro. Die wenigen hunderttausend vernetzen Geräte, die BSH bis dato verkauft hat, tragen kaum zum Volumen bei. Aber der Umsatz von vernetzten Produkten wächst sehr schnell. Was heute noch wie Spielerei aussieht, verspricht laut dem Unternehmen dreistelliges Umsatzwachstum. Ottenberg erwartet eine jährliche Verdopplung der Umsätze – angesichts der niedrigen Basis kein Wunder. Dennoch: Der Markt ist lukrativ, denn BSH kann hier hochpreisige und vor allem auch sehr preisstabile Produkte verkaufen.
Da stellt sich natürlich die Frage, ob vernetzte Produkte mehr kosten als bisherige Haushaltsgeräte. Die BSH-Führung versucht abzuwiegeln: Der vernetzte BMW koste auch nicht mehr als der normale BMW. Aber verdient wird bekanntlich an den Services. Ottenberg führt aus, dass sich das Unternehmen bei Waschmaschinen beispielsweise Services vorstellen könne, die energieeffizienter oder schneller waschen. Er hoffe, dass die Menschen bereit seien, für diese Extraservices auch extra zu bezahlen.
Die Strategie von BSH beruht auf drei Säulen:
- Regionalisierung: Nur wer sich beim Konsumenten umhört und schaut, wie Amerikaner, Chinesen oder Franzosen in ihrem jeweiligen kulturellen Umfeld Produkte und Küche nutzen, wird weiter wachsen.
- Marken: BSH fährt eine starke Markenstrategie und bemüht sich, die Marken Bosch oder Siemens, die für Tradition und Funktion stehen, sauber von der etwas hipperen Marke Neff oder der auf Design ausgerichteten Marke Gaggenau zu trennen.
- Innovationen: BSH setzt konsequent auf Digitalisierung, Stichwort Home Connect und Mykie. Der Haushalt soll digitale Unterstützung bekommen und Haushaltsgeräte wie Herd oder Waschmaschine digital ansteuern können.
Seit gut zwei Jahren investiert BSH in digitalisierte Produkte. 2014 beispielsweise hat der Münchner Konzern auf der IFA einen Kühlschrank mit Kamera gezeigt, um per Fernabfrage Inhalte im Kühlschrank anzuzeigen. Diese Möglichkeit greift jetzt BSHs Küchenassistent Mykie auf, um entsprechenden Mehrwert in der vernetzten Küche anzubieten.
Errichtung einer Küchen-Plattform
Nachdem BSH in den letzten Jahren intensiv in neue Hardware investiert hat, fließt derzeit das Geld in die Weiterentwicklung der Software-Architektur. BSH investiert 4,4 Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung und setzt dabei vor allem auf die Entwicklung einer eigenen Plattform. Viele asiatische Hersteller bauen in ihre Produkte einfach einen WiFi-Chip ein und schauen, was dann passiert, lästert der BSH-Chef. Nachhaltiger erscheint Ottenberg jedoch eine fundierte Produktarchitektur rund um ein offenes Ökosystem. Die Prämisse, so Karsten Ottenberg: „Wir wollen ein digitales Nutzererlebnis mit echtem Mehrwert schaffen. Daher stellen wir uns die Frage, was der echte Mehrwert eines Ökosystems in der Küche ist?
Die Antworten lauten Home Connect und Mikey. Seit etwa einem Jahr gibt es ein Developer Kit für Home Connect. Home Connect ist eine Architektur, die die Steuerung von Haushaltsgeräten per Smartphone und App ermöglicht. Eine App-Anwendung für Home Connect kommt beispielsweise von dem Start-up Drop: ein digitales Schritt-für-Schritt-Kochbuch. Nach 73 Minuten Programmierung, so der BSH-Chef, soll die Drop-App fähig für Home Connect gewesen sein. Über die Verbindung mit der vernetzten Küchenwaage von Drop wird der Nutzer durch das gewählte Rezept geführt. Mit den in der Drop-App integrierten Home-Connect-Funktionen können Nutzer die in den Rezepten angegebenen Geräteeinstellungen direkt an ihren vernetzten Backofen übertragen. „Wir wollen offen sein für Drittanbieter, die innovativ sind und gute Ideen haben – aber ohne die Kontrolle zu verlieren und unser Qualitätsversprechen zu brechen“ sagt Ottenberg. Die Rechnung wird aufgehen, denn wer groß genug ist im Markt, diktiert ja bekanntlich die Regeln.
Digitale Küche und Datensicherheit
Auf das Thema Sicherheit anesprochen, sagt der BSH-Chef: BSH will eine Zertifizierung für das Thema Smart Home aktiv mit vorantreiben. Beim Entwurf der Produktarchitektur war die Sicherheitsarchitektur ein zentrales Thema. BSH will sich nach den für Regierungen geltenden relevanten Sicherheitskriterien zertifizieren lassen. „Denn wir geben mit Home Connect ein Versprechen ab“ betont Karsten Ottenberg und schränkt gleich wieder ein: Das Versprechen gilt nicht für Apps von Drittanbietern wie zum Beispiel Alexa, die der Nutzer sich über Home Connect installieren kann. Doch bekanntlich werden alle Sprachanfragen und Antworten im Alexa-System von Amazon gründlichst ausgelesen und ausgewertet. Zwar lässt sich in partnerschaftlichen Systemen der Datenfluss kaum unterbinden – aber er müsse dem Nutzer transparent gemacht werden.
Es mutet etwas gespenstisch (und für mich durchaus unattraktiv) an, dass wir Menschen uns in Zukunft selbst zum gemeinsamen kochen und essen nicht mehr an einem Ort befinden könnten … Grundlegende menschliche Bedürfnisse nach Nähe und gemeinsamem Erleben werden virtuell stattfinden? …