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Kommentar

PR-Fail: Wie die Deutsche Bahn besser auf Greta Thunberg reagiert hätte

Die Deutsche Bahn ist das umweltfreundlichste Fernverkehrsmittel. Und ihr fällt nichts Besseres ein, als Klimaaktivistin Greta Thunberg passiv-aggressiv zu empfangen. Ein Trauerspiel der PR.

Von Anton Weste
6 Min.
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Greta Thunberg auf dem Weg nach Hause mit der Deutschen Bahn. (Foto: Twitter / @GretaThunberg)

So viele Möglichkeiten! Stell dir vor, du bist für die Außendarstellung eines der umweltfreundlichsten Verkehrsmittel Deutschlands zuständig und Greta Thunberg, 16-jähriges Symbol der Nachhaltigkeitsbewegung, twittert darüber, wie sie bei dir zu Gast ist. Was für eine Steilvorlage für charmante und positive Reaktionen.

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Thunberg postete am Samstagabend nach ihrer Teilnahme an der Klimakonferenz in Madrid ein Bild von sich. Sie saß auf dem Boden eines ICE-Waggons, Gepäckstücke neben sich, den Blick verträumt aufs Fenster gerichtet. Dazu schrieb sie „Reise in überfüllten Zügen durch Deutschland. Und bin endlich auf dem Weg nach Hause!“.

Die erste Reaktion der Bahn darauf am nächsten Morgen war etwas vorsichtig-distanziert und etwas zu selbstgeißelnd. Aber bis dahin war es nur eine schlecht verwandelte Gelegenheit, noch kein PR-Fehltritt:

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Leider beließ es das Twitter-Team der Deutschen Bahn nicht dabei. Am frühen Sonntagnachmittag, offenbar nachdem man genauere Infos über Greta Thunbergs Reise erhalten hatte, adressierte der Twitteraccount die junge Schwedin erneut.

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Die Deutsche Bahn reagiert verbittert auf Thunberg

Der erste Teil wirkte noch so, als hätte die PR-Abteilung einen hellen Moment: „Hey, wir können ja Greta Thunberg nutzen, um unser grünes Profil zu stärken.“ Ja, könntet ihr. Aber das wurde leider von der passiv-aggressiven Fortsetzung geschluckt. Die Bahn maßregelte die Klimaaktivistin, dass sie ihren 3,7 Millionen Followern nicht von ihrem Sitzplatz in der ersten Klasse und dem tollen Zugpersonal berichtet hat. Das ist auf so viele Weisen schlechte PR:

  • Die Bahn vermischt persönliche Ansprache und Verkündung an die eigenen Follower. Zwar scheint sie sich an die Schwedin zu wenden, aber anstatt ihr direkt zu antworten oder sie mit ihrem Twitter-Handle zu erwähnen, nutzt die DB den Hashtag #Greta. Sie schreibt nicht auf Englisch, wie es Thunberg tat, sondern auf Deutsch, für die eigene Kundschaft. Das ist unehrliche Kommunikation: So zu tun, als spräche man mit jemanden, obwohl man in Wirklichkeit nur über jemanden spricht.
  • Die direkte Ansprache Greta Thunbergs suggeriert, sie hätte die Bahn zuvor kritisiert. Das war aber nicht der Fall. Es ist selten eine gute Idee, so defensiv zu klingen wie die Deutsche Bahn hier. Ohne Not in die Rechtfertigungsecke zu gehen und sich für einen nicht getätigten Vorwurf zu verteidigen, ist doppelt blöd.
  • Das oberlehrerhafte Auftreten mit Tipps für Thunbergs Öffentlichkeitsarbeit klingt trotzig. Und die verschnupfte Forderung, dass sie ja wohl auch die schönen Seiten des Bahnfahrens hätte erwähnen können, macht es nicht besser. Dem Kunden quasi Undankbarkeit vorwerfen und ihm vorschreiben, wie er etwas über seine Zugreise zu erzählen hat. Wie negativ und unsympathisch.
  • Die Bahn plappert Details der Buchung Thunbergs aus, indem sie ihren Sitzplatz erster Klasse erwähnt. Vertraulichkeit des Dienstleisters? Geheimhaltung von Kundendaten? Gilt anscheinend nicht für Personen öffentlichen Interesses.

Kein Wunder, dass die Bahn mit ihrer unprofessionellen Reaktion viel Kritik erntete. Die ersten Memes machen auch schon die Runde.

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Meme Deutsche Bahn und Greta Thunberg

Deutsche Bahn vs. Greta Thunberg: Ausreichend für die Meme-Maschinerie. (Bild: Facebook / Bohemian Browser Ballett)

Ausgerechnet Thunberg selbst kam der Bahn teilweise zu Hilfe, als sie deren Reaktion aufgriff: Einerseits stellte sie klar, dass ihr ursprünglicher Zug ausgefallen war und sie nur einen Teil der Fahrtzeit zwischen Basel und Hamburg auf einem Sitzplatz saß. Außerdem versicherte sie, was den PR-Leuten längst klar gewesen sein sollte: Sie hatte der Deutschen Bahn nie einen Vorwurf gemacht. Vor allem aber schenkte sie dem geplagten Unternehmen einen Satz, den sich die Deutsche Bahn golden einrahmen lassen sollte: „Überfüllte Züge sind ein großartiges Zeichen, denn es bedeutet, dass ein hoher Bedarf an Zugreisen besteht.“ Zwischen den Zeilen liest man ihre Botschaft an die Bahn: Hey, Leute, macht mal locker. Wir sind auf derselben Seite. Ich bin nicht euer Gegner. Kein Grund, sich hier anzugehen.

Die DB hatte PR-Gold vor der Nase

Anstatt verbittert zu erscheinen, hätte die Deutsche Bahn mit einer guten Reaktion aus Greta Thunbergs erstem Post PR-Gold machen können. Hier ein paar Beispiele für Marketing-Ansätze, die allesamt besser gewesen wären als das Herumgemurkse.

  • Willkommen an Bord: Thunbergs Foto aus dem Zug sieht mit dem weichen Licht vom Fenster und ihrem verträumten Blick den Werbebildern der Bahn gar nicht so unähnlich. Die Komposition ist ruhig, die Rücksäcke vermitteln Aufbruch, Fern- oder Heimweh. Die Ähnlichkeit hätte die Bahn humorvoll aufgreifen können in einem Bilder-Mashup.
  • Weihnachten bei den Lieben: Die Emphase von Thunbergs Posting liegt nicht auf dem überfüllten Zug. Sondern auf: „Endlich heimkommen!“ Was für ein großartiges Thema für Bahn-PR! „Wir bringen deine Lieben zu dir.“ – „Nach Hause kommen – mit der Deutschen Bahn.“ – „Weihnachten mit der ganzen Familie – dank der DB“.
  • Sicherer Hafen Bahn: Mit Greta Thunbergs Reise lässt sich ein Narrativ aufbauen. Du kannst in die weite Welt aufbrechen, über den Ozean segeln, große Dinge tun. Und wenn du deine Arbeit getan hast und nach Hause willst, ist die Bahn für dich da und bringt dich dorthin – sicher und entspannt.
  • Gütesiegel Nachhaltigkeit: Thunberg will mit der Wahl ihrer Verkehrsmittel bewusst nachhaltig reisen und ein Zeichen setzen. Wenn sie mit der Deutschen Bahn reist, sagt sie aus: „Ihr seid ebenso umweltfreundlich wie ein Segelboot, das mich mit dem Wind über den Atlantik bringt.“ Sie ist in der PR ein Gütesiegel für Umwelt- und Klimaschutz. Darauf hätte die Bahn viel stolzer sein und viel offensiver eingehen können: Seht her, Greta Thunberg fährt Deutsche Bahn.

Es bestand für die Bahn gar nicht die Notwendigkeit, auf den einzigen negativen Aspekt von Thunbergs Botschaft einzugehen – die Überfüllung. Die DB fährt keinen selbstironischen Kurs, was ihre Schwächen angeht, so wie es etwa sehr erfolgreich die BVG macht, die ihre Unpünktlichkeit humorvoll sogar zum Unesco-Weltkulturerbe erheben will. „This is Serious Business“, heißt es beim Bahn-Marketing. Das bedeutet aber auch, dass man Kritik aussitzen und ihr sachlich antworten sollte. Und sie nicht mit einer beleidigten Reaktion noch hochspielt.

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Mit den Klimaskeptikern gemein gemacht

Das Problem der Deutschen Bahn lautet Angst. Es ist die ständige Angst, Gegenstand von Kritik zu werden, wie so oft. Angst, dass sie wieder wegen Verspätungen, Zugausfällen, defekten Heizungen und Klimaanlagen in den Fokus gerät. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Reflexartig kann die Bahn auf Thunbergs Post schon gar nicht anders reagieren, als in den Verteidigungsmodus zu gehen. Das PR-Team fragt sich nicht: Wie können wir das Beste aus Greta Thunbergs Posting für uns machen? Stattdessen fragt es sich: Wie können wir das Schlimmste für uns verhindern? Dem DB-Marketing ist das positive Denken abhanden gekommen. Es geht nicht mutig voran, verwirklicht keine Visionen, sondern verwaltet nur, unsicher und leicht gereizt.

Das eigentlich Perfide am Abwehrreflex der Bahn ist aber, dass sie sich – bewusst oder unbewusst – auf Kosten Greta Thunbergs verteidigt und sie in Misskredit bringt. Ganz egal, wohin wir austeilen, Hauptsache wir können uns rechtfertigen. So sehr die Schwedin von vielen geachtet und verehrt wird, so sehr wird sie auch von anderen gehasst. Indem die Deutsche Bahn Thunberg unterschwellig Lüge und Inszenierung vorwirft, verschafft sie bereitwillig all den Klimaskeptikern, „Friday for Hubraum“-Fans, AfD-lern, Trumps und Bolsonaros Munition gegen Thunberg und die ganze „Klimapanik“. Die Bahn füttert vollkommen schmerzbefreit diejenigen, die einer 16-Jährigen den Mund verbieten wollen oder ihr sogar unaussprechliche Dinge wünschen.

Und all das, obwohl Greta Thunberg als Symbol der Nachhaltigkeitsbewegung so etwas wie die natürliche Verbündete der Bahn ist. Würde sie Testimonials für Konzerne machen, wäre die DB einer der sinnvollsten Partner. Ohne Greta Thunberg und die von ihr inspirierte Klimabewegung wäre kaum der politische Druck entstanden, der in Deutschland dazu geführt hat, dass die Bundesregierung das Bahnfahren wieder stärker fördern will. Es geht um Milliarden für die DB – dank Thunberg. Und zum Dank ranzt die Deutsche Bahn die junge Schwedin an. Es ist ein Trauerspiel.

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Dein t3n-Team

Andreas

Man kann jedes Wort dieses Artikels so unterschreiben. „Seht her, Greta fährt mit der DB“, das wäre es doch gewesen. Steilvorlage nennt man das. Sitzen bei der Bahn denn keine PR-Profis? Das kann doch nicht sein?

Antworten
Werner

Ist halt ein Staatsbetrieb, was erwartest du?

P.S. Bekommen ‚NichtGretas‘ bei Überfüllung nun auch 1.st.
Denke, manchmal schon, meist eher nicht..

Antworten
Kai Hofmann

Jedes Wort? Also so ökologisch ist die Bahn gar nicht, man denke nur mal an den Kohlstrom den sie frisst – mal ganz abgesehen von dem Schienenlärm und den Erschütterungen die durch den Untergrund gehen.
Last but not least sollte man mal darüber nachdenken, das öffentliche Verkehrsmittel eine zentral leicht angreifbare Infrastruktur sind, welche die heutige Gesellschaft schnell zum erliegen bringen können.

Antworten
Thomas

Greta hat wieder einmal Fake-News verbreitet. Die Reaktion der Bahn war völlig korrekt.

Antworten
Lackner Regine

mal wieder Greta-ja-wieso kann sie nicht in einem überfüllten Zug fahren so,wie´s eben dabei kommt ?? Geht unmengen an Menschen täglich so-oder gibt es zwischen Mensch und Mensch ´ne Ausnahme ? Wenn ja-warum ? Die Bahn sollte mit Pünktlichkeit und guter Zugwartung punkten !

Antworten
Markus

Ich lese es etwas anders .. kann mich aber völlig irren. Die Bahn war vermutlich verbittert, weil das Foto auch als latenter Angriff auf die Bahn zu verstehen ist. Wenn sie wirklich in der ersten Klasse betreut wurde, dann ist das Foto auch eine böse Inszenierung .. Mal wieder .. und da kann einem schon Mal die Tasten durchgehen.

Dennoch hätte ich geschluckt und es nicht gepostet, sondern den Schwung mitgenommen für Werbung in eigener Sache.

Antworten
Dieter Petereit

Nochmal, es scheint aber auch schwer zu sein. Ja, sie wurde in der ersten Klasse betreut. Nein, das Foto ist keine Inszenierung, sondern einfach früher entstanden.

Antworten
Sunny

Also echt. Die Deutschen koennen einfach kein PR. Sowas gabs in letzter Zeit haeufig schon mit deutschen Grosskonzernen. Von Fluggesellschaften ueber Autobauer bis hin zu Technik-Butzen. Die Laeden haben alle kein gutes Krisenmanagement. Und ehrlich gesagt sind die im
Artikel genannten Vorschlaege natuerlich besser, als das, was die DB gemacht hat. Aber der Brenner sind sie leider auch nicht.

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