Was du bei der Preisgestaltung digitaler Leistungen beachten solltest

(Bild: fizkes / shutterstock)
Digitale Produkte und Dienstleistungen zeichnen sich auf Kostenseite häufig durch einen bestimmenden Faktor aus: Grenzkostenarmut. Was zunächst kompliziert klingt, ist es in der Praxis nicht. Unter grenzkostenarmen Leistungen werden Leistungen verstanden, die nur sehr geringe Vervielfältigungskosten besitzen. Das bedeutet, dass die variablen Kosten meist nahe Null liegen.
Beispielsweise verursacht die Entwicklung einer Software oder die Herstellung von Content Kosten. Ob die Software dann aber von einer Person oder 100 Personen genutzt oder der Content von 10 oder 1.000 Nutzer:innen gelesen wird, ist kostenseitig weniger relevant.
Diese Besonderheit der digitalen Welt bezeichnet der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin auch als die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Daraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, digitale Leistung zu bepreisen. Besonders hervorzuheben sind die Preisvereinfachung oder die Preisdifferenzierung.
Preisvereinfachung: Je einfacher desto besser?
Bei der Preisvereinfachung ist das Preisgefüge für die angebotene Leistung sehr einfach und wenig komplex. Klassische Beispiele sind die Bepreisungen der Mitgliedschaften bei Netflix oder Amazon Prime. Als Nutzer:in haben wir hier beim Kauf nur sehr wenige Auswahlmöglichkeiten, sodass auch der zu zahlende Preis schnell nachvollziehbar ist.
Die Preisvereinfachung ist daher immer eng mit der Reduzierung an Wahlmöglichkeiten bei der Produktauswahl verbunden. Das hat den Vorteil, dass der Preis zur Leistung auch sehr leicht kommunizierbar ist.
Auch ist die kognitive Beanspruchung, also die mentale Anstrengung, die Konsument:innen bei der Ermittlung ihres Preises für eine Leistung aufbringen müssen, sehr gering. Dieser Vorteil ist allerdings auch mit einem Nachteil verbunden. So verhindert die Reduzierung von Wahlmöglichkeiten die Abschöpfung der individuellen Zahlungsbereitschaft der Kund:innen. Besser geeignet ist hier der Mechanismus der Preisdifferenzierung.
Preisdifferenzierung: Die gleiche Leistung zu verschiedenen Preisen
Preisdifferenzierung bedeutet, dass ein identisches Produkt zu unterschiedlichen Preisen angeboten wird. Klassische Beispiele sind die Produktkonfiguratoren der Automobilbauer wie von Mercedes oder BMW.
Grundsätzlich existiert bei der Preisdifferenzierung eine breite Palette an Faktoren, die den Preis der Leistung beeinflussen können. Hierzu zählen beispielsweise die nachgefragte Menge, der Kaufzeitpunkt oder die vertragliche Bindungsdauer. Für Kund:innen geht die Preisdifferenzierung daher immer mit Individualisierungsmöglichkeiten einher.
Wer sich allerdings einmal durch Produktkonfiguratoren navigiert hat, weiß auch, wie mühsam es sein kann, den für sich passenden Preis für eine Leistung zu ermitteln. Um hier einer drohenden Überlastung aufgrund der Überfrachtung von Wahlmöglichkeiten (sogenannte Burden of Choice) entgegenzuwirken, ist es gerade bei der Preisdifferenzierung wichtig, dass Kund:innen auch die Fähigkeit haben, den passenden Preis zu ermitteln.
Diese 4 Faktoren solltet ihr bei der Preisgestaltung berücksichtigen
Damit ihr besser durch den Pricing-Dschungel navigiert, solltet ihr insbesondere vier Faktoren bei der Preisgestaltung berücksichtigen:
Größe des Preissystems
Soll das Preissystem lieber sehr einfach gehalten oder doch eher komplex sein? Je größer das Preissystem, desto mehr Auswahlfaktoren haben Kund:innen und die Komplexität steigt.
Mit der Zunahme von preisbeeinflussenden Faktoren erhöhen sich aber auch die individuellen Freiheiten, die Kund:innen beim Kauf genießen. Das kann sich positiv auf die Zahlungsbereitschaft auswirken.
Transparenz des Preises
Für Kund:innen ist es wichtig, nachzuvollziehen, wie und aus welchen Faktoren sich ein Preis zusammensetzt. Niemals soll der Eindruck vermittelt werden, dass ein Preis willkürlich zustande kommt.
Achtet daher darauf, auch komplexe Preiszusammensetzungen verständlich und transparent zu kommunizieren.
Dauer der Entscheidungsgeschwindigkeit
Dieser Aspekt betrachtet die Zeitdauer, die Kund:innen für einen Kauf benötigen. Liegen längere Verkaufszyklen vor oder handelt sich doch um eine Leistung, die von der Bedürfnisentstehung bis zum Kauf in wenigen Minuten erworben werden kann?
Während bei einer B2B-Software ein Verkaufszyklus von vielen Monaten vorliegen kann, wird das Abo von einem Streaminganbieter mitunter Minuten nach der Entstehung des Bedürfnisses abgeschlossen und sollte daher nicht zu komplex sein.
Kenntnisstand der Kund:innen
Hinterfragt, ob Kund:innen ausreichend Erfahrung haben, eine Kaufentscheidung zu treffen. Gerade bei komplexen Preismodellen existiert meist eine hohe Entscheidungsvielfalt. Kund:innen müssen dann fähig sein, aus den einzeln Faktoren die richtige Entscheidungen zu treffen.
Existiert diese Kompetenz nicht, können beratende Maßnahmen ergriffen werden. Das kann beispielsweise die Informationsbereitstellung von einem Chatbot oder die direkte Kontaktaufnahme zu der Sales-Abteilung sein.
Der Preis ist heiß
Das Konzept der gleichnamigen Spielshow besticht gerade dadurch, dass die Teilnehmer:innen erraten mussten, welchen Preis ein Haushaltsprodukt hat. Während das Erraten von Preisen für eine Spielshow durchaus belustigend sein kann, sollten wir uns in der Praxis daran besser kein Beispiel nehmen. Nicht umsonst ist der Preis ein zentraler Gestaltungsfaktor, der über Erfolg und Misserfolg einer Leistung entscheidet.
Es ist daher sehr empfehlenswert, die Preisgestaltung mit Bedacht und in Abhängigkeit der Zielgruppe und des Produktes zu wählen.
Hierbei muss nicht zwangsläufig die Preisvereinfachung oder die Preisdifferenzierung besser sein. Häufig ist es auch keine Entweder-oder-Entscheidung.
Vielmehr liegen die Möglichkeiten der Bepreisung auf einem Spektrum, das sich von sehr einfach bis sehr komplex erstreckt. Damit ihr euch mit eurem Preismodell nun nicht die Finger verbrennt, könnt ihr die oben genannten vier Faktoren berücksichtigen, denn auch bei eurem Preis gilt: Der Preis ist heiß.