Verantwortungsvolles Produktmanagement: Wir müssen mit der Verschwendung aufhören

Auch in der digitalen Produktentwicklung kann ein Beitrag zu weniger Ressourcenverschwendung geleistet werden. (Foto: Shutterstock)
„Corporate Responsibility“ ist das Schlagwort, wenn es um Verantwortung und Nachhaltigkeit in der Geschäftswelt geht. Der Fokus auf nachhaltigem und sozialverträglichem Wirtschaften ist nicht nur aus ökologischer Sicht sinnvoll, sondern erfüllt auch die Erwartungshaltung, die vor allem jüngere Arbeitskräfte an ihren Arbeitgeber haben.
Was sich seit Jahren als gefühlter Trend zeigt, ist spätestens seit Pandemiebeginn offensichtlich: Junge Generationen erwarten von ihrer Arbeit mehr als nur sicheres Einkommen. Der Job wird als Werkzeug zur Selbstverwirklichung verstanden und soll Wert schaffen.
Wir setzen voraus, dass unser Arbeitgeber Verantwortung übernimmt und einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leistet.
Gerade in der Tech-Branche wähnen wir uns oft in einer Vorreiter-Rolle. Wir produzieren mit unseren Produkten wenig physischen Abfall, flexible Arbeitsbedingungen suggerieren eine ausgewogene Work-Life-Balance, und durch Homeoffice-Möglichkeiten eliminieren wir die umweltschädliche Fahrt ins Büro. Spenden wir noch einen Cent pro Transaktion an einen sozialen Verein oder kaufen uns ein Umweltzertifikat und schon ist das Gesamtpaket geschnürt. Und sind wir mal ehrlich, mehr kann man wirklich nicht tun, oder?
Wenn wir an Verschwendung oder Verschmutzung denken, denken wir automatisch an massenhaft billige Plastikware und giftige Schadstoffe, die im Trinkwasser landen. Da wir in der digitalen Produktentwicklung damit nur wenig zu tun haben, fühlen wir uns nicht angesprochen.
Dabei tragen wir, wenn wir unseren Job nicht ernst nehmen, genauso zu Verschwendung und Verschmutzung bei. Wenn wir beispielsweise jahrelang pseudo-agil an unseren Wasserfallprojekten arbeiten, die kurz vor dem Release eingestampft werden oder keinerlei Wert schaffen, verschwenden wir. Wir verschwenden die Lebenszeit von Menschen, die ihre Zeit und Energie in diese Projekte stecken. Wir produzieren Abfall, der die Aufmerksamkeit unserer Zielgruppe beansprucht, ohne ihnen den nötigen Gegenwert zu liefern. Zu guter Letzt verschwenden wir Milliarden an „Digitalisierungsbudget“, das an anderer Stelle wirklich etwas bewirken könnte. Was können wir tun, um dieser Falle zu entkommen?
Wir alle mit Produktverantwortung sollten uns die Fragen stellen: Auf welches Ziel arbeiten wir in den nächsten fünf Jahren hin und wie wollen wir dieses Ziel erreichen?
Hier liegt die Grundlage zu mehr Wert und weniger Verschwendung. Durch eine klare, langfristige Vision, eine mittelfristige Mission und eine entsprechende Strategie, um beides zu erreichen, schaffen wir Fokus. Nur so können wir guten Gewissens Themen liegen lassen, die uns nicht nach vorne bringen und lediglich Zeit und Ressourcen verschlingen.
Strategieframeworks wie OKR oder andere MBO-Ansätze helfen dabei, große Pläne in gangbare Schritte herunterzubrechen.
Allein den Weg zu kennen, reicht aber nicht. Er muss auch gegangen werden. Und wie immer führen viele Wege nach Rom, allerdings nur wenige ohne Umwege.
In der Produktentwicklung laufen wir oft Gefahr, einfach drauf los zu entwickeln. Schließlich fordern unsere Stakeholder etwas Greifbares und wir müssen unsere Zeit rechtfertigen.
Was wir dabei jedoch oft außer Acht lassen, ist ein wichtiges Puzzlestück auf dem Weg zu mehr Wert und weniger Abfall: die Discovery. Die Discovery-Phase im Produktentwicklungsprozess verfolgt ein elementares Ziel: sicherstellen, dass die Ideen, in die wir unsere wertvolle Zeit, Energie und unser Geld investieren wollen, ein tatsächlich existierendes Problem einer konkreten Zielgruppe lösen.
Der Fokus auf Discovery ist nicht nur, was Unternehmen wie Airbnb, Miro oder Asana so erfolgreich machen, sondern gleichzeitig der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit. Denn wenn wir in diesem Prozess feststellen, dass eine Idee nicht den erwarteten Mehrwert verspricht oder das angenommene Problem gar nicht existiert, dann müssen wir genau jetzt die Reißleine ziehen.
Nur wenn Discovery ein fester Bestandteil im Produktmangement-Repertoire wird, können wir einen Großteil der Verschwendung und des Abfalls eliminieren.
Was wir alle wollen und was mindestens jeden Manager hellhörig werden lässt, ist ein weiterer essenzieller Bestandteil in der Verantwortung, die wir im Produktmanagement tragen: Wir müssen unsere Erfolge messen und dürfen nicht einfach nur vor uns hinarbeiten. „Data Product Management“ lautet das Stichwort, das Messbarkeit nicht mehr zu einem optionalen Element, sondern zum Standard macht.
Am besten starten wir damit, indem wir strategische Ziele mit Unternehmenszielen und Metriken verknüpfen, die wir nachfolgend bis auf die Produktebene herunterbrechen. Woran wollen wir arbeiten, um welchen messbaren Unternehmenserfolg zu generieren? Wo liegt unser Fokus? Wollen wir Neukunden gewinnen, um den Umsatz zu erhöhen?
Dann müssen wir uns überlegen, wie unsere Themen in der Produktentwicklung darauf einzahlen können und welche Metriken wir dafür messen. Messbarkeit ist und war noch nie ein einfaches Thema, gleichzeitig kommen wir nicht darum herum, wenn wir Verschwendung minimieren wollen.
Und in der heutigen Zeit und mit den Datenmengen, die uns zur Verfügung stehen, fällt auch jede Ausrede weg.
Warum ist die traurige Realität dann trotzdem, dass wir viel zu viel verschwenden, viele digitale Produkte entweder nie das Licht der Welt erblicken oder in einem Meer aus Bedeutungslosigkeit versinken?
Die Wahrheit ist, dass die Theorie zwar einfach ist, die Praxis dagegen um ein Vielfaches schwieriger. Und dass wir auch nicht unbedingt bekannt dafür sind, unsere Probleme offen auf den Tisch zu legen und uns Unterstützung zu holen.
Dabei könnten wir mit den richtigen Grundlagen und dem richtigen Mindset so viel bewegen. Wenn wir weniger Zeit verschwenden, benötigen wir weniger Arbeitszeit, um die gleichen oder größere Gewinne zu erzielen.
Als Konsequenz könnten wir mit einer Viertagewoche für einen tatsächlichen Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatleben sorgen. Die dadurch gewonnene Energie würde nicht nur wieder zurück ins Unternehmen fließen, sondern könnte im echten Engagement für soziale und ökologische Projekte münden.
Und mit den Millionen an gespartem Digitalisierungsbudget ließen sich ökologische oder soziale Organisationen in einem Umfang unterstützen, der wirklich zu Veränderung beitragen kann.
Dieser Wandel braucht nicht nur die richtigen Maßnahmen, sondern vor allem die richtige Denkweise und kann von niemandem alleine getragen werden. Das sollte auch nicht unsere Aufgabe sein. Aber wenn wir wirklich etwas verändern wollen, zählt das Engagement jedes Einzelnen. Denn wir alle müssen uns in diesem bequemen, verwöhnten Umfeld immer wieder fragen: Sind wir Teil des Problems oder Teil der Lösung?
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