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Elektromobilität: Qualcomm lädt E-Autos während der Fahrt auf

Das drahtlose Aufladen von Elektroautos während der Fahrt ist machbar. Allerdings stehen hohe Kosten einer flächendeckenden Nutzung der Qualcomm-Technik noch im Wege. Das könnte sich jedoch ändern.

Von Golem.de
6 Min. Lesezeit
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Die Teststrecke im französischen Versailles ermöglicht das Aufladen von Elektroautos während der Fahrt. (Foto: Qualcomm)


Geringe Reichweite, umständliches und langes Aufladen: Noch immer scheuen viele Autofahrer aus diesen Gründen den Kauf eines Elektroautos. Eine neue Ladetechnik, die das US-Unternehmen Qualcomm in der vergangenen Woche auf einer Teststrecke in Versailles bei Paris demonstriert hat, könnte beide Probleme gleichzeitig lösen. Doch der Preis für das sogenannte dynamische drahtlose Laden ist hoch: Ein flächendeckender Einbau auf längeren Fahrbahnabschnitten würde Millionen kosten. Das schnurlose Laden ließe sich aber schon jetzt in bestimmten Fällen sinnvoll einsetzen.

Das neue System ist eine Weiterentwicklung des stationären drahtlosen Ladens, das unter anderem von Qualcomm Halo entwickelt wurde. Ähnliche Systeme gibt es von Bombardier (Primove) und Audi für den E-Tron Quattro Concept. Beim sogenannten Wireless-Electric-Vehicle-Charging (WEVC) von Qualcomm wird ein hochfrequentes Magnetfeld mit 85 Kilohertz in der Fahrbahn erzeugt, das in einer am Fahrzeugboden angebrachten Spule eine Spannung induziert.

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Auf der Teststrecke in Versailles ist es damit möglich, eine Leistung von bis zu 20 Kilowatt zu übertragen. Das reicht zwar nicht aus, um während der Fahrt auf der Autobahn tatsächlich den Akku komplett zu laden. Doch ähnlich wie bei einem Oberleitungssystem wäre es damit möglich, während der Fahrt die Energie aus der Infrastruktur zu beziehen.

Qualcomm: Schnelle Detektion der Autos erforderlich

Das Konzept hinter dem dynamischen Laden ist recht simpel. Unter der Fahrbahn befinden sich autonome Spulenelemente, die das erforderliche Magnetfeld aufbauen können. Die Herausforderung besteht darin, innerhalb weniger Millisekunden ein ankommendes Fahrzeug zu erkennen und das Magnetfeld zu aktivieren. Das wird mit Hilfe eines Nahbereichs-Beacons ermöglicht. Es gebe dazu keine weitere Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesystem, auch untereinander kommunizierten die Ladeelemente nicht, erläuterte Qualcomm-Entwicker Nicholas Keeling im Gespräch mit Golem.de. Allerdings funktioniert das System auf diese Weise nur bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde. Bei dieser Geschwindigkeit dauert es 60 Millisekunden, bis ein Auto das etwa zwei Meter lange Bodenelement passiert hat.

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Die Teststrecke im französischen Versailles ermöglicht das Aufladen von Elektroautos während der Fahrt. (Foto: Qualcomm)

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Die einzelnen Bodenelemente mit den Primärspulen werden jeweils von einem eigenen Controller gesteuert. Die 100 Meter lange Teststrecke ist in vier Blöcke aufgeteilt, die jeweils eine Leistung von 20 Kilowatt an ein einziges Auto übertragen können. Dabei wird der Drehstrom des Stromnetzes zunächst in Gleichstrom umgewandelt, um anschließend wieder in einen Wechselstrom mit 85 kHz konvertiert zu werden. Der Wirkungsgrad liegt nach Angaben von Keeling bei etwa 80 Prozent. Angestrebt würden 85 Prozent. Berücksichtigt man die bei der Präsentation angezeigten Leistungswerte, lag der tatsächliche Wirkungsgrad meist deutlich unter 80 Prozent.

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Spaltbreite bei rund 18 Zentimetern

Die Fahrzeuge verfügen über zwei Empfängerplatten mit den Sekundärspulen und über einen Controller. Die dünnen Platten sind 65 mal 40 Zentimeter groß, nicht sehr schwer und dürfen höchstens zwölf Zentimeter über der Fahrbahn angebracht sein. Der maximale Abstand zwischen den beiden Spulen beträgt 17,5 Zentimeter, wobei die Sendespule rund sechs Zentimeter unter der Fahrbahn verborgen ist. Qualcomm Halo setzt dabei auf sogenannte Doppel-D-Spulen. Diese Anordnung ermöglicht eine höhere Leistungsübertragung bei einem größeren Luftspalt als bei einer kreisförmigen Spulengeometrie. Bei Fahrzeugen mit höherer Bodenfreiheit müssten die Sekundärspulen am Auto entsprechend vergrößert werden.

Dass die Technik prinzipiell funktioniert, zeigte Qualcomm mit zwei Renault Kangoo auf einem militärischen Testgelände in Versailles-Satory. Dort hat das französische Institut Vedecom im Rahmen des EU-Programms Fabric die Fahrbahn mit dem in München entwickelten System aufgebaut. Auf einem Monitor ließ sich verfolgen, wie beim Vorbeifahren der Autos in den einzelnen Abschnitten die Energie übertragen wurde.

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Die einzige technische Einschränkung besteht darin, dass die Fahrzeuge nach rechts und links nur 20 Zentimeter von den verlegten Bodenelementen abweichen dürfen. Das erfordert ein sehr konzentriertes Halten der Spur und lässt sich mit einem Oberleitungssystem leichter umsetzen. Doch ist es wirklich vorstellbar, ganze Autobahnen damit auszustatten?

Hohe Kosten für Ladeautobahn

Es scheint klar, dass weder ein privater Investor noch der Staat in den nächsten Jahren in den Bau einer Ladespur auf der Autobahn investieren wird.


Nach Angaben von Keeling kostet eines der etwa zwei Meter langen Bodenelemente derzeit rund 8.000 Euro. In großem Maßstab ließen sich die Herstellungskosten auf etwa ein Drittel senken. Hinzu kämen dann noch die Kosten für die Leistungskonverter sowie die Verlegung in der Fahrbahn. Dafür könnte die komplette Technik künftig in Betonelemente gegossen werden, die sich einfacher hintereinander verlegen ließen. Zudem müssten die Stromversorger noch die elektrische Energie bereitstellen.Es scheint klar, dass weder ein privater Investor noch der Staat in den nächsten Jahren in den Bau einer Ladespur auf der Autobahn investieren wird. Langfristig hängt dies unter anderem davon ab, wie sich die Batterietechnik entwickelt. Höhere Reichweiten und größere Ladeleistungen könnten ein Laden während der Fahrt für die meisten Elektroautos überflüssig machen. Vedecom-Chef Luc Marbach verwies in einer Diskussionsrunde in Versailles jedoch darauf, dass die richtige Balance zwischen den Kosten für die Infrastruktur und den Autobatterien noch gefunden werden müsse.

Taxis am Wartestand aufladen

Das heißt, es könnte gesamtwirtschaftlich gesehen günstiger sein, bestimmte Strecken für dynamisches Laden auszurüsten, als in Millionen Autos größere Batterien einzubauen. Nach Ansicht Marbachs könnte es daher wirtschaftlich sein, stark befahrene Straßen mit viel Stau in der Innenstadt mit einem solchen System auszustatten. Das gelte auch für die am stärksten befahrenen Autobahnen.

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Doch schon jetzt gibt es sinnvolle Einsatzmöglichkeiten. Laut David Martell von der britischen Firma Chargemaster könnte das System beispielsweise an Taxiständen installiert werden. Damit könnten die Fahrzeuge kontinuierlich geladen werden, während sie sich in der Warteschlange nach vorne bewegen.

Vorteile vor allem im Winter

Gerade im Winter ist solch eine Lademöglichkeit nützlich, da auf diese Weise gleichzeitig eine Standheizung betrieben werden könnte. Bislang scheitert der Einsatz von Elektroautos als Dienstwagen mitunter daran, dass eine Standheizung für die Chauffeure vorgeschrieben ist. Das ist bei bestimmten Elektro-Modellen aber nur dann möglich, wenn das Auto an der Ladesäule steht.

Anstelle einer statischen drahtlosen Lademöglichkeit, die bereits im kommenden Jahr in der neuen Mercedes S-Klasse erhältlich sein soll, könnte ein dynamisches Ladefeld flexibler genutzt werden. Denn nicht immer lässt sich ein Auto exakt über dem Ladefeld parken. Die statische und dynamische Technik im Fahrzeug soll dabei untereinander kompatibel sein.

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Einfacheres Laden für autonome Autos

Wann es zum ersten praktischen Einsatz des dynamischen Ladens kommen wird, ist noch offen. Qualcomm würde die Technik gerne für einen großen Autozulieferer lizenzieren, doch offenbar gibt es noch keine Verträge.

Die große Stunde des drahtlosen Ladens könnte jedoch schlagen, wenn künftig autonome Elektroautos in den Städten unterwegs sind. Diese könnten dann die Ladeplätze selbst ansteuern und dort ohne die Hilfe eines Fahrers oder Roboterarms die Energie für ihre Batterien beziehen. Die Technik könnte daher für Taxidenste wie Uber oder Lyft interessant sein, die künftig selbstfahrende Autos einsetzen wollen. Google plant für seine selbstfahrenden Autos ebenfalls den Einsatz einer induktiven Ladetechnik.

Renault plant Kosten im „dreistelligen Bereich“

Nicht ganz billig dürfte auch das Sekundärsystem im Auto werden. Nach Angaben des französischen Autoherstellers Renault, der die Testfahrzeuge ausgestattet hat, soll ein Komplettsystem für einen dreistelligen Betrag angeboten werden. Renaults Elektroauto-Chef Eric Feunteun sprach dabei von den Kosten für das fahrzeugeigene und das externe System. Damit dürfte er jedoch eher die Hardware für ein stationäres als für ein dynamisches System gemeint haben.

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Feunteun sieht das dynamische Laden „als ein großes Versprechen für die Zukunft, Elektroautos komfortabler zu nutzen und ihre Verbreitung weiter voranzubringen“. Bei einem Preis von rund 25.000 Euro für einen elektrischen Renault Zoe würde das derzeit allerdings einen happigen Aufschlag von einigen tausend Euro bedeuten. Nach Angaben von Qualcomm arbeiten inzwischen praktisch alle großen Autohersteller an Systemen für ein drahtloses Laden. Für Feunteun hat die Technik zusammen mit anderen Entwicklungen das Potenzial, das Elektroauto vom Zweit- zum Erstwagen zu machen.

Denkbar ist zudem, dass Elektroautos künftig nur noch mit Hochleistungsgleichstrom und drahtlos geladen werden. Dann würden die Kosten für die Wechsel- und Drehstromlader entfallen. Bis dahin ist es aber noch ein sehr weiter Weg. Eine Vorreiterrolle für den Einsatz könnte dabei die Formel E bringen. Das derzeitige Safety-Car, ein i8 von BMW, lässt sich bereits stationär mit einem Qualcomm-System laden. Formel-E-Promoter Alejandro Agag war daher sehr angetan bei der Präsentation der neuen Technik in Versailles: „Damit können wir schließlich die 24 Stunden von Le Mans jetzt elektrisch fahren lassen. Oder sogar ein Jahr lang.“

Golem.de hat auf Einladung von Qualcomm an der Präsentation in Versailles teilgenommen. Autor des Artikels ist Friedhelm Greis.

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